Stan Superman

Er könnte einer der wichtigsten Medienmanager des Jahres 2013 werden: Stan Sugarman, Gruner+Jahrs neuer erster Mann fürs Internet. Er soll den Verlag in die digitale Zukunft führen. Doch leider haben die Hamburger mit ihm schon eine wenig erfolgreiche digitale Vergangenheit. Es war Mitte 2000. Zur Weltausstellung Expo in Hannover lud Bertelsmann in den eigens errichteten Pavillon. Drinnen erläuterte Thomas Middelhoff mit einer für einen deutschen Großverlag unfassbaren Lässigkeit, wie Gruner + Jahr den Weg ins Internet-Zeitalter beschreiten will. Für Beobachter gab es wenig Zweifel, dieser Verlag hatte eine rosige Zukunft vor sich. Vor allem im damals noch jungen World Wide Web. Irgendwann in der Folgezeit verloren die Hamburger den richtigen Fokus, trafen eine Reihe von falschen Entscheidungen. Vor allem, was die Online-Strategie anging.

Die Internet-Euphorie, die Middelhoff einmal ausgestrahlt hatte, war dem Verlag in der Folgezeit völlig abhandengekommen. Man ahnte, sie wird auch so schnell nicht wiederkommen. Nun kommt Stan Sugarman mit seiner zweiten großen Online-Karriere bei Gruner + Jahr. Er soll als „Chief Digital Officer“ einiges, wenn nicht alles, geradebiegen. Der Mann ohne Wikipedia- Eintrag ist schon unendlich lange im Verlag, mit kurzen Unterbrechungen seit 1997. Scherze rund um seinen Namen wurden in der Kommunikationsbranche schon viele gemacht („Mit dem Namen muss man es ja können“). Seit er den neuen Posten bekommen hat, wird er aber nunmehr respektvoll „Mr. Digital“ genannt. Durch besondere Lautheit oder gar Skandale ist er bis dato nie aufgefallen. Durch besondere Erfolge auch nicht. Konnte oder wollte er bisher nicht? Wie auch immer – es klingt mal wieder verheißungsvoll: Bereits in den kommenden Wochen will er laut Pressemitteilung „strategische Weichenstellungen vornehmen und Neuentwicklungen anschieben“. Zwar nur das übliche Wortgeklingel aus der Pressestelle, doch diesmal könnte es wirklich tiefer greifend sein. Was vor allem immer noch fehlt, ist ein echter Befreiungsschlag für Stern.de. Es ist und war die entscheidende Marke für Gruner + Jahr. Im Netz trotz zahlreicher Neustarts und Umstrukturierungen vergleichsweise wenig beachtet. Was viele vergessen: So talentfrei haben sich die früheren Digital Officers gar nicht angestellt.

Vor dem Platzen der Dotcom-Blase hatten die Hamburger einige verheißungsvolle Angebote am Start, auf die andere nur neidisch blicken konnten. Fireball: Noch lange bevor es Google gab, gab es Fireball. Der Suchdienst, speziell für deutsche Webseiten entwickelt, erreichte im Januar 2000 nicht unerhebliche 68,7 Millionen Seitenaufrufe. Fireball wurde von G+J mitentwickelt, und eine Kooperation mit Altavista ermöglichte auch die weltweite Suche. Die Site funktioniert immer noch – wurde aber längst verkauft. Oder Business Channel: Damit wollten die Baumwaller mal alle ihre Wirtschaftsangebote zusammenfassen. „Capital“, „Impulse“, „Börse Online“ und auch „Bizz“ (wer erinnert sich noch daran?). Auf der OMD, dem Vorläufer der dmexco, gab es einen eigenen Stand nur für die teure Wirtschaftssite. 2001, unter Verantwortung von Stan Sugarman, hat G+J den Channel fallen lassen. Ein Hohn: Unter der früheren Kurzbezeichnung bch.de ist nunmehr der Business Club Hamburg zu finden. Was wäre passiert, hätte Sugarman an der Webseite festgehalten? Verlagschefin Julia Jäkel muss in diesen Tagen viel Häme ertragen. Vielleicht strahlt sie nicht die Härte aus, die in diesen Tagen für so eine Aufräumerposition vorgesehen ist. Vielleicht hat sie andere Stärken. Dass Jäkel einen langen Online- Atem hat, sieht man an ihrem früheren Magazin „Brigitte Young Miss“. Bym.de funktioniert Jahre nach der Einstellung des Titels immer noch. Zu wünschen wäre auch Sugarman diese Durchhaltementalität; es wird viele Widerstände geben. (dh)

Erschienen in Clap, Dezember 2012

Illustration: Bubec