Leben und sterben für Medien

Seit Jahren schreibt der Media-Reisende Thomas Koch im gedruckten Clap-Magazin seine Kolumne. In Zukunft werden wir diese auf vielfachen Wunsch auch online stellen. In dieser Ausgabe zeigt Koch wenig Verständnis für lamentierende Medienmacher:

„Manche von Ihnen wissen, dass ich mit Plural Media Services in den letzten Jahren viele Seminar- und Coaching-Reisen in Länder machte, die auf unserer Bedürfnisliste nach Urlaub und Wellness nicht besonders weit oben stehen. Sie führten mich in den Irak, nach Libyen, in den Südsudan und nun auch nach Afghanistan. Wir bilden dort Medienmacher aus, die den Mut haben, freien Journalismus gegen die erdrückende Übermacht der bestehenden Regierungsmedien zu praktizieren. Mutige, unerschrockene Menschen, die sich bemühen, Journalismus als jene „vierte Gewalt“ zu etablieren, damit in ihren Ländern die herbeigesehnte Demokratie entsteht. Sie sind bereit, dafür ihre Gesundheit und ihr Leben zu opfern. In Kabul erlebte ich diese Gefahr als allgegenwärtig. Und für den Mut dieser Journalisten klatschen wir gern Beifall. Clap! Immer wenn ich von solchen Reisen zurückkehre und unser eigenes Mediensystem betrachte, kommt mir die Galle hoch. Unsere Medien erscheinen mir dann wie fette Couch-Potatoes, die übersättigt von ihren Millionen- und Milliarden-Gewinnen in ihren Ledersesseln sitzen und sich alltäglich rülpsend über ihre ach so schwierige Lage echauffieren. In unserem Land wird die freie Presse inzwischen mit Füßen getreten. Von Politikern ebenso wie von der Wirtschaft, von Werbekunden ebenso wie von PR- und Mediaagenturen. Am meisten jedoch von den Journalisten selbst. Sie sind längst bereit, sich und ihren „unabhängigen“ Journalismus für eine Handvoll Euro zu verkaufen. Ich könnte kotzen. Ich möchte die Vertreter unserer Medien, die Journalisten von Springer, G+J, Burda, Jahreszeiten und wie sie alle heißen mögen, die Redakteure von Zeitungen, Radio- und TV-Stationen, auf diese Reisen mitnehmen. Damit sie sich wieder besinnen, welches Gut sie zu schützen haben. Damit sie ihre üppigen Umsätze, Gewinne und Tarifverträge für einen Augenblick vergessen. Dann könnte ich auch ihnen wieder Beifall klatschen. Clap …“

(Thomas Koch) Foto: Alexander von Spreti