Kneissler-Kolumne: Christian Krug ist der Menschenfänger

Hass ist so was von gestern. Die Zukunft gehört der Liebe. Der Journalist Michael Kneissler schreibt regelmäßig über Menschen und Medien, die unsere Zuneigung verdienen. Heute: „Stern“-Chefredakteur Christian Krug

Die letzten Tage und Wochen sind ziemlich dumm gelaufen für „Stern“-Chef Christian Krug. Erst musste er ständig nach Goslar und nett mit Sigmar Gabriel reden. Dann hatte er mit dem exklusiven Rücktrittsinterview einen echten Scoop. (Ein Scoop!? Der „Stern“!!?? Krugs Leute wussten schon gar nicht mehr, wie man das Wort buchstabiert.) Und jetzt steht Krug blöd da: Plötzlich sind Begehrlichkeiten geweckt, alle wollen noch mehr Scoops von ihm. Mehr Exklusivität. Mehr Relevanz – zuletzt auch ein Fremdwort am Baumwall.

MSGA. Make „Stern“ Great Again.

Aber Krug wird das schon schaffen. So wie er bisher fast alles geschafft hat. Okay, „Max“ hat er an die Wand gefahren, aber das lag mehr am Verleger als an ihm, der wollte plötzlich aus dem schicken Monatsmagazin ein Wochenblatt machen. Aber bei Lufthansa und bei „Gala“ lief es wie geschmiert. Christian Krug hat nämlich ein paar Vorzüge:

  1. Er hat’s nicht wirklich nötig. Ihm geht’s auch ohne „Stern“ finanziell gut. Und statt Chefredakteur könnte er jederzeit auch Unternehmer sein. War er auch schon: Er hat ein Luxushotel in Marrakesch gebaut. So was macht frei.
  2. Er ist ein Menschenfänger. Alle mögen ihn (außer die Leute von „Spiegel“ und „Bild“, die im Gegensatz zu ihm keine Ahnung davon hatten, dass Gabriel nicht will).
  3. Er ist ein Gentleman und hat Stil. Das ist in der Branche so selten, dass die Frauen auf ihn fliegen, nicht nur die hübschen, auch die mächtigen.
  4. Er ist extrem gut vernetzt und kennt sie alle: die Stars (von „Gala“), die Hamburger Gesellschaft (er gehört dazu), die Firmenbosse (von seiner Zeit bei den Corporate Editors). Immer wenn irgendwas nicht so rund läuft bei Gruner+Jahr, wird Krug los geschickt. Dann geht er mit dem Multimillionär O. oder dem Top-Manager S. eine Runde um die Alster spazieren und bringt das Problem below-the-line in Ordnung.
  5. Er ist ein guter Kommunikator und macht bella figura in jeder Talk Show. Aber er ist nicht peinlich PR-geil wie einige Kollegen, die mehr twittern und talken als arbeiten. Lieber als vor der Kamera zu labern, zieht Krug hinter der Kamera die Strippen.
  6. Er hat eine coole Frau. Die hinter und notfalls auch neben ihm steht, aber nicht vor lauter Bewunderung in Duldungsstarre verfällt. Auch das hilft bei der Bodenhaftung.

Das alles sind gute Voraussetzungen, um dem schwankenden Supertanker „Stern“ tatsächlich wieder Stabilität und Relevanz zu geben. Wenn einer das hinkriegt, dann ist es Krug. Auch wenn’s mal dumm läuft.