Bily wundert sich: heute – Die „Bild für alle“

Ein neuer Kolumnist kommt zu Clap Online: Thomas Bily, der Vorstand der Social Media-Plattform Wize.Life, wird in den nächsten Wochen für Clap Online regelmäßig in die Tasten greifen. Als ehemaliger Manager in der deutschen Printmedienlandschaft (Burda, Gruner + Jahr) robbt er sich durch den digitalen Wandel und stolpert manchmal über Seltsamkeiten in seiner alten Branche. In dieser Woche ist es die erneute Aussendung der „Bild für alle“.

Es ist wieder soweit: Eine gedruckte „Bild“ wird an alle deutschen Haushalte kostenlos verteilt. Wir erinnern uns – das gabs schon zur Wahl 2013 und zur WM 2014. Anlass ist dieses Mal der 65. Geburtstag des Revolverblatts. Ob die Verteilaktion sinnvoll ist und sich rechnet, wird der Springer Verlag schon selber wissen. Auf jeden Fall ist dieser bundesweite Kraftakt beeindruckend und fegt Bedenken flott vom Tisch.

Als Bürger mit Briefkasten könnte man sich fragen, was die Kolo-Bild bezwecken soll: Zur Lektüre oder gar zum Kauf einer Zeitung animieren? Wo doch jeden Morgen in Deutschlands Bussen, Bahnen, Fliegern und Hotellobbys sichtbar wird, dass Printmedien – selbst gratis – nur noch schwer an den Mann zu bringen sind. Und als Werbekunde könnte man wissen wollen: Zahl ich eigentlich fürs Zustellen des Papiers oder für die Nutzung eines Mediums beziehungsweise meiner Anzeige? Aber wer will schon nörgeln am Geburtstag.
 
Die Verteilaktion ist vor allem eine Machtdemonstration. Schaut mal, was wir noch alles können! Deutschlands Meinung wird von uns geprägt. Wir lassen Merkel und Schulz die Welt erklären. Naja, zumindest die alte Welt, in der sich noch viele Protagonisten der Medienbranche tummeln: Politiker, Journalisten, Verleger, Talkshow-Moderatoren und so weiter…
 
King for a Day – das ist die „Bild“ mit dieser Brachialaktion. Erfolgreicher wird sie damit nicht. Im richtigen Leben wird doch Meinung längst auch woanders gemacht. Die Sendungshoheit schmilzt eben auch mit der Auflage. Bald wird vielleicht Alexa uns allen die Nachrichten vorlesen. Der ehemalige „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann sprach ja selbst vor kurzem von einem Strömungsabriss bei Printmedien. Da, wo ich herkomme, sagt man übertrieben umgangssprachlich: „Die haben sich eh lange gut gehalten. Aber jetzt kann man zuschauen, wie es dahingeht“.