Zum 25-Jahre-Jubiläum: Porträt von n-tv-Chefredakteurin Schwetje

Superschick in der Kommandantur „Unter den Linden“ in Berlin feierte unter der Woche der News-Sender n-tv sein Jubiläum zum 25-jährigen Bestehen. Mit dabei war natürlich viel Polit-Prominenz, unter anderem als Superstar FDP-Mann Christian Lindner. Und auch die Führungsetage der Grünen war erwartungsfroh angereist. Es fehlten die Heroen von SPD, CDU und CSU. Aber die sind ja auch mit der Bildung ihrer GroKo beschäftigt und dürfen nicht auf Partys. Die schönsten Bilder von der Feier finden Sie hier

Anlässlich des Jubiläums stellen wir an dieser Stelle unser Titelporträt aus dem letzten Clap-Magazin mit n-tv- Chefredakteurin Sonja Schwetje heute online.

Die Pausenlose

Apart, klug, kumpelhaft: Mit Sonja Schwetje wäre man richtig gern zusammen, hätte man sie doch nur einmal ganz für sich. Im Clap-Gespräch macht die N-TV-Chefredakteurin keinen Hehl daraus, dass sie ihrem Job im Ernstfall alles unterordnet. Dann passiert es, dass Freunde und Bekannte zur Kulisse geraten und allein Balkonpflanzen Schwetjes ganze Liebe erfahren.

In der Hektik eines Auftrags, als die Kreativdirektorin einer Werbeagentur schier die Nerven verlor, legte ein Kollege seine Hand auf ihre Schulter und sprach einen Satz für die Ewigkeit: „Entspann’ Dich, wir sind beide keine Notärzte, es geht hier nicht um Leben und Tod.“ Sonja Schwetje ist Notärztin. Jedenfalls nach ihrem eigenen Verständnis. Immer im Dienst, stets zu Diensten. Als Chefredakteurin des News-Senders N-TV kennt Schwetje nur zwei Modi: „On“ und „Standby“. Ein selbstgewähltes Schicksal, das sie mit allen Medien-Wichtigen teilt. Wir treffen die Wahl-Kölnerin zum Foto-Shooting im Hauptstadtstudio von N-TV in Berlin. Schwetje, geboren in Aachen, aufgewachsen im Nordosten von Hamburg, hat sich leger und doch auffallend hanseatisch gekleidet. Ihre Herkunft kann und will sie nicht verleugnen. Setzt sich in Pose wie gewünscht, gibt sich offen und wirkt dennoch gehemmt. Dem Prozess eine Chance zu geben, ohne überblicken zu können, wie es für sie ausgeht, das liegt ihr nicht. Da ist Schwetje bisweilen ein gewisses Unbehagen anzumerken. Doch sie bleibt professionell.

Unbestritten Anpassungsfähig

Ihre Anpassungsfähigkeit ist eine der Stärken der 44-Jährigen. Aber selbst nach über einem Jahrzehnt im Rheinland sei sie für die Kölner „immer noch so ein bisschen ,Immi’, und ich stehe ja auch zu meiner Hamburg-Affinität“. Rheinischer Singsang in ihrer Stimme mischt sich mit typisch norddeutsch langgezogenen Vokalen. Schwetjes Heimat liegt an Rhein und Elbe. Ihren Lebensmittelpunkt verortet sie gleichwohl „eindeutig“ in Köln. Dort, im Stadtteil Lindenthal, südwestlich des Zentrums, hat sie eine schmucke Wohnung mit Dachterrasse. Die meiste Zeit hat Schwetje allerdings in Hamburg verbracht, so etwa seit der 6. Klasse. Ihre Eltern, der Bruder mit Frau und Tochter, aber auch viele Freunde aus Schul- und Studientagen leben noch heute dort. Sie selbst fand 1998 in der Hansestadt ihren Berufseinstieg, mit einem Volontariat bei RTL Nord, wo sie sich bis zur Chefin vom Dienst hochdiente. Als ihr 2005 bei RTL West in Köln die Redaktionsleitung angeboten wurde, griff Schwetje zu: „Ich dachte mir, es könne spannend sein, auch mal aus der eigenen sozialen Komfortzone herauszukommen.“

Plötzlich Kölnerin

Es sollte eine Erfahrung sein, eine Episode, nicht mehr. „Komm, habe ich zu mir gesagt, so zwei, drei Jahre, das geht schon.“ Viel länger sollte es gar nicht sein. Doch Schwetje wurde – wohl zur eigenen Überraschung – in Köln sesshaft, wechselte Ende 2010 zum Journalisten- und Vielflieger-Liebling N-TV, der im November sein 25. Jubiläum feiert. Eigens für diesen Anlass spendierte Mutter RTL dem Sender jüngst unter anderem ein neues Logo, das indes eher an ein kostenloses TV-Magazin erinnert, wie es mancher Zeitung beiliegt. Für N-TV-Chef Hans Demmel ist das neue Signet Ausdruck dafür, dass sich sein Haus zum „Multiplattform-Nachrichtenanbieter“ gewandelt hat. Seine erste Journalistin Sonja Schwetje findet genau das so verlockend, dass sie sich vermutlich gar nicht vorstellen kann, woanders zu arbeiten. Erst recht nicht nach bald 20 Jahren in der RTL-Familie. Und schon gar nicht in einer anderen Stadt als Köln. Diese Mentalität, das Klima, alles „beinahe mediterran“. Wäre da nicht die Entfernung zum Meer, „das fehlt mir in Köln schon“. Dafür hat sie Hamburg.

Die beiden Städte stehen sinnbildlich für das, was Schwetje privat sucht: Dort den Tiefgang und die Vertrautheit, hier eine beschwingte Oberflächlichkeit und einen schon fast trotzigen Optimismus. So gesehen, hat das Rheinland die Herzhamburgerin und Kopfkölnerin längst assimiliert: In offizieller Funktion unterdrückt Schwetje jeden Impuls zur Selbstreflexion, und sie hat ein unglaubliches Talent, das Glas stets halbvoll zu sehen. Alles fühlt sich gut an und echt und richtig. Man braucht wohl diesen Schutzmechanismus, im harten News-Business.

Regelmäßig Manöver-Kritik

Natürlich geht Schwetje mit ihrer Mannschaft regelmäßig in Klausur. Natürlich gibt es dann Manöverkritik, ist der Anspruch, es täglich mindestens gut, am liebsten besser zu machen. Im Kern aber stellt sie sich nicht die Sinnfrage oder – mehr noch – die Systemfrage, glaubt fest an die Zukunft des Journalismus. Tatsächlich hat die Zunft einen schlechten Leumund. Welches Bild aktuelle Auftragsstudien auch immer vermitteln mögen: Verfolgt man die Diskussion in den sozialen Netzen, dann wird der Presse in toto Kollektivversagen unterstellt – und beispielhaft nachgewiesen. Das Gros der so genannten „Journalisten“ sei korrupt oder mindestens korrumpiertbar, lautet der Tenor. Und faul seien viele sowieso.

Für Schwetje sind Facebook & Co. oft „Echokammern, in denen man im Grunde genommen nur noch ähnliche gelagerte Meinungen wahrnimmt“. Und es gebe immer Menschen, die man nicht überzeugen könne – nicht mit Argumenten und nicht durch gute Arbeit. „Aber natürlich setzt das einen Denkprozess in Gang“, sagt sie. Wie der konkret aussieht und welche Konsequenzen sie für sich persönlich daraus zieht, sagt sie nicht. Sicher, sowohl die generelle Kritik an den Medien als auch der populäre Begriff der „Lügenpresse“ sind überzogen. Aber man kann auch manipulieren durch die Wortwahl, die Wahl eines Motivs oder auch nur eines Ausschnitts. Und durch Weglassen von Informationen.

All das passiert, täglich, dutzendfach. Nicht für Schwetje. Sie verweist auf die Stärke ihres Senders, die gerade bei ernsten Nachrichtenlagen zum Tragen komme. „Wir sind heute in unserer Arbeit viel transparenter, sagen ehrlich, wo wir stehen und was wir noch nicht wissen. Das war früher nicht so.“ Gerade weil bei N-TV ganz bewusst nicht alles stromlinienförmig verlaufe, „bieten wir eine gute Möglichkeit zur Meinungsbildung“. Es ist diese bedingungslose Hingabe zu ihrem Job, die man an Schwetje bewundern kann. Eine Hingabe, die Opfer verlangt. Nicht von ihr selbst. Sie empfindet kein Opfer, wenn sie eine Einladung sausen lassen oder die halbe Nacht durcharbeiten muss. Sondern von ihrem Umfeld. Fast alle, die im Medien-Business tätig sind, sind News-Junkies. Passiert in der Welt da draußen irgendwas Spannendes, wollen sie eigentlich nirgendwo anders sein als im NewsRoom oder direkt vor Ort. Fast trotzig sagt Schwetje, sie könne nicht „mit Freunden entspannt in der Kneipe sitzen, wenn ich das Gefühl habe, da wird gerade Geschichte geschrieben“.

 

Lakritz-Fan Schwetje

Das wisse jeder, der sie kenne. Und geht so weit, dass sie geladene Gäste schon mal am Tisch zurücklässt und sich für Stunden in die Redaktion verabschiedet. Die akzeptierten das, betont Schwetje, „die mögen mich so, wie ich bin“. Sie koche gern, eher bodenständig und bewusst solche Gerichte, die man gut vorbereiten könne, weil sie ja nie so ganz wisse, wie der Abend verlaufe. Und sie lade sich gern Freunde ein. „Beides kann ich ja nicht lassen, nur weil ich so einen Job habe.“ News first! – Für Schwetje ist es „völlig legitim“, wenn wer das anders sieht. Ein Leben, wie sie es führt, will gut organisiert sein. Lackritz-Fan Schwetje ist top organisiert. Vermutlich war sie schon in der Schule eines dieser Mädchen in ihrer Klasse, die alles unter einen Hut bekamen, wie voll der Terminkalender auch war. Und dafür mal bewundert und mal gehasst wurden. Kann jemand, der so gestrickt ist, überhaupt abschalten? Als Antwort auf die Frage nimmt uns Schwetje gedanklich mit: in ihr N-TV-Büro in Köln (sic!). Von dort aus – nach Berlin kommt sie primär für Meetings – hat sie stets den Dom im Blick. „Das erdet.“ Früher war das mal ein kleiner Konferenzraum und Schwetje noch Nachrichtenchefin bei NTV. Damals fanden dort die Nachbesprechungen zum jeweiligen Programm statt. „Ich habe dann zu Beginn gesagt: Jetzt kommen erst einmal alle ein bisschen runter und gucken auf den Dom“, erinnert sie sich. Irgendwann wurde dieser „Konfi“ ihr Chefzimmer („totales Glück“). – „Immer wenn ich aus dem Fenster schaue, denke ich: Okay, die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein, aber der Dom steht noch. Das hat für mich tatsächlich etwas Beruhigendes.“ Mehr Glück mag Schwetje nur empfinden, wenn sie an der See ist – oder im Wald. Als Kind ist sie mit ihrem Bruder viel durch Hamburgs Walddörfer gelaufen. Das macht sie noch heute regelmäßig, „das hat für mich fast etwas Meditatives!“ Ein Leben ohne die Natur ist für die Mittvierzigerin nicht vorstellbar. Nach einem langen Arbeitstag will sie auf ihre Dachterrasse, „dann betüdel ich meine Balkonpflanzen und spreche auch mit ihnen“. Das sei genau wie mit den Menschen: Man müsse bei jede Pflanze schauen, wie es ihr gehe und was sie brauche.

Dann geht die Schwetje wirklich von einem zum anderen, dem großen Bambus, dem schönen Oleander, zum Rhododendron und den Hortensien. Dahlien, Rosmarin und Lavendel kommen selbstverständlich auch zu ihrem Recht. Und die Buchsbäume. Oh je, die armen Dinger! Einst waren sie eine Zierde, für Schwetjes Dachterrasse, „aber der Zünsler hat viele dahingerafft“. Es handelt sich dabei um einen Falter, der seine Eier hauptsächlich an den äußeren Blättern des Buchsbaums ablegt. Aus diesen schlüpfen schließlich gefräßige Raupen. R.I.P. Dass der gemeine Zünsler ihre Schützlinge attackiert und gemeuchelt hat, das habe sie „echt persönlich genommen“, bekennt Schwetje. Nur wenig hilft, die Biester einzeln abzusammeln. Unweigerlich schießen dem Zuhörer Bilder in den Kopf, von der durchaus vornehmen Sonja, wie sie in grünen, nein gelben Gummihandschuhen einen Zünsler nach dem anderen aus dem Buchsbaumgeäst pickt, begleitet von Flüchen und einem Gesichtsausdruck, der Wut und Ekel vereint. Indes, Bangemachen gilt nicht, „man hat ja auch Verantwortung, für seine Pflanzen!“

 

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Berufswunsch Schrifstellerin

Als Teenager dagegen fand sie es „nur so halbgut“, wenn sie mit ihrem Bruder einmal Laub kehren oder im Garten helfen musste. Überhaupt hatte sie schon damals nur eines im Sinn: „Ich wollte immer schreiben.“ Früh habe sich daraus der Wunsch entwickelt, Journalistin zu werden. Als sie noch klein war, hätte sich Schwetje „auch vorstellen können, Schriftstellerin zu werden“, aber irgendwann sei in ihr Neugier aufgekeimt. „Neugier darauf, Menschen zu treffen, die man sonst nicht trifft, und die einen teilhaben lassen, an ihren Schicksalen.“ Da war sie bei RTL Nord als Reporterin ganz in ihrem Element oder auch bei RTL West, als Moderatorin des Formats „Guten Abend RTL“. Heute ist Schwetjes Alltag vor allem von der großen Weltbühne bestimmt – spannend zwar für Nachrichtenmenschen, aber häufig genug doch ziemlich verstörend für die Menschen im Land. Deshalb achte sie bei N-TV darauf, „dass wir in unseren Sendungen immer auch positive, lebensbejahende Inhalte haben“, sagt Schwetje. Ohne solche Momente wäre ihr Job wohl auch für sie selbst kaum zu ertragen.

Text: Bijan Peymani