Wolfram Winter über den Umgang von Wirecard mit der „Financial Times“

In den letzten Wochen oder besser Monaten spielt sich unmittelbar vor den Toren von München ein Drama ab, was schon jetzt förmlich nach einer seriellen Verfilmung schreit. Wirecard, das junge Dax-Unternehmen aus dem Industriegebiet in Aschheim, hat den wohl inzwischen höchsten Bekanntheitsdraht seiner Geschichte erreicht. Und auch bei den Anwälten von der „Financial Times“ dürfte der Name sehr verbreitet sein.

Kommunikativ gesehen herrscht bei Wirecard reger Betrieb, fast täglich müssen neue Erklärungen produziert werden. Da hilft es sicherlich, dass diverse Mitarbeiter bei Wirecard eine berufliche Vergangenheit bei ProSiebenSat.1 haben, mit Berg- und Talfahrten im Dax kennen diese sich ja auch gut aus.

Gestern kam nun verspätet der lang erwartete Geschäftsbericht heraus, den Firmenchef Markus Braun (im Bild) in unscheinbaren NH Hotel gegenüber der Firmenzentrale präsentierte. Am Tag zuvor hatte die „Financial Times“ zum gefühlt x-ten Mal darüber berichtet, dass es bei Wirecard Unregelmäßigkeiten gäbe. Die Kollegen aus der Kommunikationsabteilung dürften mehr als ausgelastet sein, sie wehren sich mit diversen Statements, die recht juristisch klingen. Aber man klagt ja auch gegen die „Financial Times“ und seinen nun weltweit bekannten Autoren Dan McCrum, kurz DMC.

Ja, der klingt schon vom Namen her krumm, da muss also was krumm und krude sein. Die deutschen Journalisten schauten sich dieses Schauspiel wochenlang erschreckend lange von der Seitenlinie aus an. Auf was haben Sie gewartet? Zumindest scheinen die Redaktionen auf irgendetwas zu warten.

Vielleicht hat diese Sprachlosigkeit aber auch ihre Ursachen, wie das „PR-Magazin“ bereits Ende 2018 herausgefunden haben wollte. Das Unternehmen und seine Kommunikatoren müssten emotional erst noch in der Dax-Liga ankommen, befand das Fachmagazin. Folgt man nur den Zahlen, dann ist es eine beindruckende Wirecard-Bilanz. Bei rund 2 Milliarden Umsatz konnte ein Ebitda von deutlich über 500 Millionen Euro ausgewiesen werden.

Aber es gab auch einen nachdenklichen CEO auf der Veranstaltung gestern – laut „Süddeutscher Zeitung“ schnaufte er auf die Frage, ob Fehler gemacht wurden. Seine Antwort darauf lautete: „Wir haben in den letzten sechs bis acht Wochen Fehler gemacht“. Als interessierter Beobachter aus der Kommunikationsbranche könnte man ebenso durchschnaufen: Endlich, er hat es verstanden. Endlich geht es in die richtige Richtung, Fehler muss man zugeben, gerade wenn es heiß her geht.

Es gab mal ein Unternehmen namens Sky Deutschland AG, welches permanent von Journalisten genervt wurde mit der Formulierung „chronisch defizitär“ zu sein, egal was für Zahlen präsentiert wurden. Ein Journalist von Reuters hatte sich diese Formulierung gar zum Hobby gemacht. Verklagt wurde er dafür nicht, aber geirrt hatte er sich letztlich dennoch. Denn Fehler zugeben und Dinge besser machen wurde umgekehrt zur Passion in Unterföhring. Aschheim ist nicht so weit weg von Unterföhring, vielleicht schaut der Wirecard-CEO ja mal vorbei, sich noch mehr Mut zu machen im Umgang mit der „FT“. Und der Erkenntnis, dass aus Schwächen Stärken werden können?

Wolfram Winter ist Kommunikationsexperte und arbeitet seit vielen Jahren in Managementpositionen bei großen Medienunternehmen. Er schreibt regelmäßig für unseren Online-Dienst über aktuelle Marktentwicklungen.

Foto: Ruppografie/ Nadine Rupp, Wirecard