„The Hoff“ über den Abgesang auf das lineare Fernsehen

Nicht nur in Deutschland atmen die klassischen TV-Sender in ihren letzten Zügen. Überall in der Welt übernehmen Netflix, Amazon Prime und Co. die Kontrolle über die Fernbedienung. Insbesondere die ganz junge Zielgruppe, die heute Heranwachsenden, können mit dem Fernsehverhalten, wie es über Jahrzehnte zu einer festen Uhrzeit in den Wohnzimmern des Landes zelebriert wurde, rein gar nichts mehr anfangen und konsumieren ihre favorisierten Medien, Youtube lässt grüßen, ausschließlich mobil und nur noch exakt dann, wann sie es wollen.

Wie oft haben wir diese und ähnlich lautenden Thesen schon gelesen? Wer hat sich mit seinen Studien über das Sehverhalten nicht alles geäußert? Und ja, viele Aspekte treffen den heutigen Zeitgeist. Und ja, angesichts der Konkurrenz der On-Demand-Plattformen sollten sich die traditionellen TV-Sender Gedanken um ihre Zukunft machen. Was sie selbstverständlich auch tun. Dies auch nicht zu knapp, wie ich vermuten möchte.

Zugegeben: Auch ich bin dem Reiz des Neuen erlegen und verfüge über einen Netflix- sowie über einen Amazon Prime-Account. Und ja, ab und an gebe ich mich mit Genuss der heute weit verbreiteten „Seriensucht“ hin. Auch ich habe bereits in etliche Serien reingeschaut und einige komplett geguckt, bin also auch dem Trend des „Binge-Watchings“ erlegen. Wie bei vielen trug bei mir Walther White in „Breaking Bad“ wesentlich zu einem wahren Rausch bei. Auch „Black List“, „Pastewka“ und „Suits“ gefallen mir, weil sie in jeder Hinsicht aufwändig produziert sind, einen tollen Cast und gute Drehbücher haben. Natürlich steht auch „Haus des Geldes“ als europäische Serie ganz oben auf der Liste, die man als TV-Liebhaber nicht verpasst haben darf. Diese Aufzählung ließe sich nun noch endlos weiterführen – Serien gucken: ein fast schon gänzlich neues Genre. Wer es nicht tut, kann nicht mitreden.

Die Assistentin von Schauspieler Robert de Niro soll unlängst übrigens ihren Job verloren haben. Ein „Friends“-Marathon während ihrer Arbeitszeit soll neben weiteren Vergehen sein Übriges zu der Kündigung beigetragen haben.…Doch bleibt dieser weltweite Serien-Hype, brandneuer wie auch alter Formate, vielleicht nicht auch nur ein Phänomen und es droht ihm irgendwann das gleiche Schicksal wie den Talk-, Gerichts- oder Game-Shows, die zu ihrer Zeit das damals massentaugliche Non-Plus-Ultra waren? Sucht der Zuschauer nicht irgendwann wieder nach dem nächsten, aufregenden Entertainment-Kick? Denn nach dem Rausch folgt ja bekanntlich meist der Kater.

Für das langfristige Überleben der On-Demand-Plattformen müssen somit auch Alternativen zur Serie her – vielleicht spricht in dieser schnelllebigen Medienwelt in einigen Jahren schon niemand mehr vom „Bingen“. Mit „My Next Guest Needs No Introduction With David Letterman“ wurde ich bereits fündig und auch auf Amazone Prime gibt es Nachschub. Unter anderem deutsche Produktionen wie die Comedyshow mit Chris Tall, die im September startet und bei uns in den nobeo Studios produziert wurde.

Und was passiert auf den linearen Sendern? Nichts? Oder gibt es hier nicht auch, neben den von den Zuschauern zu Recht geliebt und bewährten Shows, Serien oder Informationssendungen doch etwas Neues, das On-Demand sogar in den Schatten stellen kann? Ein vehementes ja:

„The Masked Singer“, produziert von Endemol Shine, hat es mehr als deutlich gezeigt. Entgegen aller apokalyptischer Vorhersagen: Der Zuschauer, auch und vor allem der junge Zuschauer, kann es noch. Er ist durchaus bereit auf sein ATAWAD (anytime, anywhere, any device) zu verzichten. Er ist nicht mehr nur On-Demand unterwegs. Ist die Idee spannend und die Produktion fesselnd, ist Alt wie Jung durchaus bereit, sich zu einer festen Uhrzeit, an einem bestimmten Tag vor den Bildschirm zu klemmen und tatsächlich live zu verfolgen, was sich genau in dieser Sekunde abspielt. Zeitgleich mit Millionen anderer Menschen. Ein absoluter Jetzt-Moment, ein Gemeinschaftserlebnis, belohnt mit fantastischen Einschaltquoten. Ein Event, dass sich überall zum „talk of the town“ etabliert. So wie auch „Das Sommerhaus der Stars“ – Ein lineares Format, das aber auch bereits vor der TV-Ausstrahlung On-Demand zu sehen ist. Für all die, die es nicht abwarten können, ihre Neugierde zu stillen.

Doch zurück zu „The Masked Singer“. Eine weitere Staffel folgt und dazu eine Erkenntnis: Das lineare Fernsehen ist ganz und gar nicht tot. Es lebt und atmet, es wächst und holt die Menschen nach wie vor ab. Es polarisiert und selbst ein TV-Urgestein wie der ZDF-Fernsehgarten schafft es, für bundesweiten, generationsübergreifenden Gesprächsstoff zu sorgen. Mit eben diesen Live-Momenten, die uns Netflix und Co nicht schenken können. Noch nicht. Oder niemals? Das weiß man heute nicht. Und solange gilt ohne Einschränkungen:

Lang lebe das lineare TV!

Stefan Hoff ist Geschäftsführer des technischen Dienstleisters Nobeo TV und Vorstandsvorsitzender des TV-Verbands VTFF. Er schreibt regelmäßig für Clap.