The Hoff: Die Corona-Krise stärkt das lineare Fernsehen

Erinnern Sie sich? Vor ein paar Wochen habe ich mich an dieser Stelle über der Deutschen liebstes Hobby ausgelassen: Das Fernsehen. Nicht ahnend, dass uns angesichts der aktuellen, weltweiten Gesundheitslage wenige Tage später fast nur noch dieses eine Hobby bleibt. Denn auch wenn man nun ohne Treffen mit Freunden, ohne Vereinsleben, Sportaktivitäten, Restaurant-, Konzert- oder Kinobesuche die Zeit für das Lesen seitenstarker Romane oder die berühmt berüchtigten Spieleabende hat, irgendwann ist das letzte Kapitel beendet, sind die letzten Würfel gefallen. So wie auch jedes Hemd gewaschen und gebügelt ist, Schränke von innen blitzsauber strahlen und selbst die Steuererklärung so früh wie noch nie erledigt ist. Unweigerlich landen wir Tag für Tag für einige Stunden vor der Glotze.

Das Informationsbedürfnis der Bevölkerung ist jetzt unstillbar. Die Kanzlerin spricht und 24 Millionen Zuschauer schalten ein. Unzählige Sondersendungen über alle Sender hinweg bereiten jedes noch so kleine Detail der Corona-Pandemie auf und suggerieren der in ihren vier Wänden ausharrenden Bevölkerungen „auch wir sind für Euch da“ – Fernsehen, ein Rettungsanker in Zeiten der Krise. Nicht nur als Unterhaltungsprogramm gegen aufkeimende Langeweile, sondern als Gefühl der Verbundenheit, als Kontakt in ein Leben jenseits der Wohnungstür.

Und gerade jetzt zeigen sich für mich die Stärken des linearen TVs. Natürlich sind die Streaming-Dienste unentbehrlich, ihre Angebote vielfältig und mitunter mit wertvollen Perlen ausgestattet, doch die direkte Kommunikation, die nun so gewünschte Nähe bietet nur das klassische Fernsehen. Denn es agiert spontan, direkt, unmittelbar. Information und Unterhaltung, alles in einem. Selbst bei Programmen, die rein der Zerstreuung dienen, bleibt Corona mit leeren Zuschauerrängen allgegenwärtig. Die Botschaft lautet „wir machen weiter“. Doch offenbart sich in diesen Stunden nicht auch, wer wirklich mit Entertainer-Qualitäten überzeugen kann und wer nicht? „Survival of the fittest“ heißt es doch in der Natur, nicht wahr?

Und noch ein Aspekt macht das Fernsehen für mich aktuell noch ein wenig unentbehrlicher. Und auch für Menschen, die diesem Medium sonst möglicherweise eher kritisch gegenüberstehen. Kitas und Schulen sind geschlossen – Eine wunderbare Chance zu beweisen, dass handwerklich gut gemachtes Programm mit wissenschaftlich fundierten Inhalten durchaus seine Berechtigung auf dem Lehrplan für Kinder und Jugendliche hat. Im Live-Programm sorgen Programmänderung für mehr Sendungen mit Lerninhalten, Angebote mit dem Tenor „Schule zuhause“ vermitteln zielgruppengerecht aufbereitetes Wissen und auch die Mediatheken rüsten mit starken Inhalten für Kids nach, die einfach mehr können, als die Kleinsten nur stumpf zu berieseln und den Eltern die nötige Zeit für eine wichtige Email oder die überfällige Telefonkonferenz zu verschaffen.

In jeder Krise steckt eine Chance? Sicherlich kommen auf die Medienbranche wie auch die gesamte Weltwirtschaft Herausforderungen zu, die uns über viele Jahre hinweg beschäftigen werden. Eine Einschätzung dieser Auswirkungen mag momentan noch kaum jemand vornehmen. Doch wir können uns auch darauf besinnen, was die Medien-Branche zu leisten vermag. Denn sie kann rasch agieren. Die Entscheider nehmen diese Möglichkeit momentan vorbildlich wahr, verlassen gewohnte Pfade und begeben sich auf neue Wege, um den sich stetig verändernden Bedürfnissen der Zuschauer gerecht zu werden. Gerade in Zeiten von Krisen kann Fernsehen somit Brücken bauen. Nähe, Wissen, Information und Unterhaltung schenken, Halt geben. Nehmen wir dies mit in unsere Arbeit von morgen und geben wir Acht – auf uns persönlich, auf das Miteinander und die Qualität unserer Programme. Und bitte bleiben Sie gesund!

Stefan Hoff ist Geschäftsführer des technischen Dienstleisters Nobeo TV und Vorstandsvorsitzender des TV-Verbands VTFF. Er schreibt regelmäßig für Clap.