Bach fordert: #StopHateforProfit darf kein Strohfeuer sein

Der Protestaktion #StopHateforProfit haben sich in den letzten Tagen hunderte Werbungtreibende weltweit angeschlossen und fordern insbesondere den Facebook-Konzern auf, endlich entschiedener gegen die Verbreitung von Hassbotschaften und Hetze vorzugehen. Ihr Druckmittel sind nicht bloß klare und unmissverständliche Botschaften, sondern klare und wirkungsvolle Aktionen in Form zeitlich befristeter Anzeigenboykotte. Bereits vor drei Jahren rief Julia Jäkel, Chefin von Gruner + Jahr und der Content Allianz von Bertelsmann die Werbewirtschaft dazu auf, ihren Einfluss über den Zustand unserer Gesellschaft stärker denn bisher auszuüben. Nun ist Bewegung in die Sache gekommen. Endlich. Etwas.

Leider bedurfte es erst des feigen Mordes an George Floyd, sowie des unerträglich lauten Schweigens darauf von Donald Trump. Diese Tragödie hat der Diskussion über den strukturellen Rassismus in den USA Raum gegeben, hat den Boden für eine inhaltliche Auseinandersetzung in der Gesellschaft bereitet, hat die Spaltung innerhalb der Gesellschaft offengelegt. Erstmals werden Plattformen wie Facebook und twitter auf breiter Ebene tatsächlich mitverantwortlich gemacht für die Verbreitung von Hass, für das Aufwiegeln in den dunkelsten aller Echokammern. Für die zutiefst asoziale Seite vornehmlich sozialer Medien.

Das ist genau die Verantwortung, die Facebooks Marc Zuckerberg und Sheryl Sandberg stets weit von sich gewiesen haben, weil ohne diese Verantwortung ihr Geschäftsmodell als bloße Plattform halt schon deutlich smarter ist. Aber Verantwortung kann man sich entweder nehmen, oder man bekommt sie zugewiesen. Letzteres haben die Werbung (aktuell nicht mehr) buchenden Unternehmen wie Unilever, Starbucks und Adidas mit ihren Anzeigenboykotten getan. Denn es muss offensichtlich erst finanziell weh tun, bevor Marc Zuckerberg reagiert.

Unter den handelnden Akteuren war es Jochen Sengpiehl, CMO des Volkswagen Konzerns, der in der vergangenen Woche für mich den entscheidenden Schritt weiter gegangen ist. Denn Volkswagen boykottiert Facebook nicht nur zeitlich befristet als Werbeplattform, der Autobauer aus Wolfsburg bespielt das soziale Netzwerk auch nicht mehr mit organischem Content der Marke. Das globale Marketing von Volkswagen hat das Thema wirklich von zu Ende gedacht.

Julia Jäkels Botschaft aus dem Herbst 2017 ist aktueller denn je, ihre Initiative für mehr „Corporate Media Responsibility“ erfreulich und wichtig. Aber ein Aufruf zu Verhaltensänderung ist auch einfach, wenn man sich selbst damit nicht meint.

Was ich damit meine? Ich mache es hier nur exemplarisch an Gruner + Jahr fest, einfach weil ihre Chefin die Diskussion angestoßen hat. Die Redaktionen am Baumwall in Hamburg nutzen Facebook ganz selbstverständlich unverändert weiter. Von stern bis essen & trinken wird weiterhin fleissig Content für Facebook produziert. Oder soll ich besser sagen, es wird Reichweite durch den Einsatz von Facebook generiert, den sie anschließend im selben Werbemarkt monetarisieren, der doch eigentlich Facebook zur Verantwortung ziehen soll, und der dies mittlerweile auch tut?

Jetzt kann man absolut zurecht einwenden, dass man den Hatern bei Facebook keinesfalls das Feld überlassen darf. Dass es gerade die Verantwortung gesellschaftlich relevanter Medien ist, präsent zu sein, den Diskurs zu führen, Hass und Hetze Fakten entgegenzusetzen. Das trifft dann also mehr auf Medienmarken wie den stern zu, als auf Titel wie essen & trinken. Was wäre denn jetzt nun, wenn Redaktionen zumindest zeitlich befristet aufhören würden, Traffic via Facebook zu generieren. Wenn sie in der Zeit aber dennoch weiter aktiv wären auf Facebook, aber dort mit genau derselben Corporate Media Responsibility von der Julia Jäkel spricht. Dann würde auch aus ihrer klaren und unmissverständlichem Botschaft ebenfalls eine klare und wirkungsvolle Aktion.

Und womöglich würden dann auch noch andere Medienhäuser in Deutschland dem Beispiel für gesamtgesellschaftlich verantwortliches Handeln aus Hamburg folgen. Endlich.

Peider Bach war viele Jahre lang Verlagsmanager unter anderem bei Gruner + Jahr und der Motor Presse. Er schreibt regelmäßig für Clap.