Röttger-Interview: „Wired“ will mit Consulting reüssieren

Eine Zeitschriftenmarke wird zum Beratungsunternehmen. Bereits im letzten Jahr angekündigt, nimmt „Wired Consulting“ für Unternehmen und Organisationen in der neu gegründeten Einheit „Wired3C“ Fahrt auf. In Zusammenarbeit mit spezialisierten Partnern entwickelt die Unit unter „Wired“-Chef Nikolaus Röttger seit kurzem maßgeschneiderte Programme. Lesen Sie hier das Clap-Interview mit Nikolaus Röttger:

 

Clap: Wir haben uns gerade die letzte Ausgabe von Wired angesehen …

Röttger: Und hat‘s Spaß gemacht?

Clap: Ganz schön viele lange Lesestrecken drin. Das fällt auf so im direkten Vergleich zu ‚Business Punk‘, dass Sie ja früher federführend entwickelt haben. Fühlen Sie sich denn eher als Nerd oder als Punk?

Röttger: Ich fühle mich als Blattmacher und Journalist. Ich finde die Technologiewelt über die wir schreiben, faszinierend. Wir sind zwar diejenigen, die Entwicklungen einordnen, aber zugleich lerne ich jede Woche Neues dazu, wenn ich mit Leuten spreche, über die wir berichten.

Clap: Aber Wired ist eben doch was anderes als Business Punk. Waren Sie derjenige, der gesagt hat, wir nehmen das Wort „Punk“ in den Namen rein?

Röttger: Das Kernteam damals waren Anja Rützel und ich. Wir haben uns das Konzept ausgedacht und dann eingereicht. Der Name war unsere gemeinsame Idee.

 

Clap: Nicht erst seit „Business Punk“ hat sich die Wirtschaftsberichterstattung stark verändert. Sie ist viel persönlicher geworden. Mehr Geschichten, die gar nichts mit den wirtschaftlichen Daten und Zahlen zu tun haben, sondern mit den handelnden Personen.

Röttger: Ich bin überzeugt, dass sich Innovationsgeschichten über Personen oft besser erzählen lassen. In der Startup-Welt sind es schließlich meistens die Gründer, die das Unternehmen entscheidend prägen und anschieben. Das erfordert eine andere Perspektive in der Berichterstattung, als nur auf Bilanzen und Zahlen zu schauen. Ich gucke gern auf das, was dahinter passiert und was den Company Spirit ausmacht. Denn uns interessiert nicht nur, dass etwas Neues entsteht, sondern auch wie! Wir haben zum Beispiel für unsere Sommerausgabe über den ersten Adidas-Fussballschuh ohne Schnürsenkel geschrieben. Wir sind ins Future Lab des Konzerns, wollten wissen, wie die Idee entstanden ist, wie nach einer Lösung gesucht wurde und wer sie umgesetzt hat. Wir suchen die Macher und die treibende Kraft hinter der bloßen Nachricht.

Clap: Das ist auch die Idee von Clap, abseits von Quoten und Marktanteilen, die Geschichten zu erzählen. Wie wird sich dieses Thema weiterentwickeln?

Röttger: Der Faktor Mensch wird immer das bleiben, was Unternehmensgeschichten spannend macht und nicht nur die Ergebnisse.

Clap: Und wie geht‘s bei Wired weiter?

Röttger: Unser Anspruch war es von Beginn an, eine ganze Marke zum Leben zu erwecken. Also nicht nur Website und Magazin, sondern ein Geschäft, das wir heute ,Wired 3C‘ nennen. 3C steht für Conference, Campus und Consulting. Das ist sozusagen der Markenraum, in dem wir Geschichten erzählen –  auf unserer Webseite oder auf Konferenzen und natürlich auch im Magazin. Ich glaube, dass unser Heft, das viermal im Jahr rauskommt, die Funktion einer Insel im Content-Strom einnehmen sollte. Wir alle schwimmen im nicht endenden Nachrichtenstrom des Internets. Das Angebot des Magazins ist, dass Du Dich von Zeit zu Zeit auf die Insel setzen kannst, um Einordnung zu bekommen. Wir versuchen hintergründiger zu sein, und Türen zu öffnen, in die man sonst nicht reinkommt.

Clap: Wozu braucht Wired ein Campus-Programm?

Röttger: Weil die Digitalisierung uns alle betrifft. Der WIRED Campus veranstaltet verschiedene Fortbildungsangebote unter der Überschrift ‚Wie gehen wir mit der digitalen Transformation um?‘ Wir richten uns damit an unsere Leser und alle, die die Chancen des digitalen Wandels ergreifen wollen. 

Clap: Könnte eine Marke wie Wired auch im TV starten?

Röttger: Klar. Aber gerade steht das Thema Consulting bei uns oben auf der Agenda. Unter anderem bei unseren Konferenzen wurden wir immer wieder von Firmen gefragt, ob wir sie in Digitalisierungsfragen beraten können. Darum gibt es seit kurzem WIRED Consulting als eigene Unit. In Zusammenarbeit mit spezialisierten Partnern entwickeln wir maßgeschneiderte Programme – von Skill Trainings und Workshops zu Themen wie Design Thinking oder Rapid Prototyping über umfassendere Formate etwa zu ,Transformational Leadership‘ oder das MVP-Bootcamp, in dem das Consulting-Team mit dem Kunden ein Minimum Viable Product entwickelt. Wir arbeiten unter anderem bereits mit Telekom Austria, Creditreform und Estée Lauder zusammen. Das Consulting ist ein spannender Weg unser thematisches Know-how auch außerhalb journalistischer Formate zum Erlösmodell zu machen.

Clap: Sie sind im Süden Münchens aufgewachsen. Vermissen Sie München manchmal?
Röttger: Ich bin in Berlin happy. Ich war ja auch lange in Hamburg für die FTD und Business
Punk. Studiert aber habe ich in München, da bin ich dann weg, weil ich in den
Politikjournalismus gehen wollte – und die FTD mir mit dem Volontariat diese Möglichkeit
gegeben hat. Heute bin ich sehr froh, ein anderes Themenfeld entdeckt zu haben.
Clap: Weil die Politik nervt?
Röttger: Nein, gar nicht. Es gibt einfach Leute die viel besser als ich geeignet sind, um als
Reporter in die Bundespressekonferenz zu gehen. Wenn ich so zurückschaue, habe ich
immer schon gerne Konzepte entwickelt und Blatt gemacht.
Clap: Gewinnt nach dem Brexit der Technologiestandort Berlin gegenüber London an
Bedeutung?
Röttger: Kann sein, ich hatte aber auch schon vorher das Gefühl, das in Berlin ganz schön
Zug drauf ist in der Startup-Branche. Der große Hype ist zurückgegangen, aber es gibt in
Berlin inzwischen einige Start-Ups und Gründer, die richtig erfolgreich sind. Zum Beispiel
Soundcloud. Oder Christian Reber, der sein Wunderlist an Microsoft verkauft hat.
Ich glaube es ist für die Branche in Berlin wichtig, dass die erfolgreiche Gründergeneration
einen Teil ihres Geldes wieder zurück investiert. Dann kann da mehr daraus wachsen. Das
ist eine Chance für den Aufbau eines Ökosystems. Berlin hat eine gute Ausgangsposition.
Clap: Was vermissen Sie an Berlin im Gegensatz zu München?
Röttger: Vor ein paar Wochen habe ich mit meinem Bruder das erste Mal, obwohl ich in
München aufgewachsen bin, eine Schlauchbootfahrt auf der Isar gemacht. Von Tölz bis
Wolfratshausen. Das war fantastisch. Was ich in Berlin und Hamburg vermisse sind die
Berge. Ich bin sehr viel Snowboard gefahren, ich war ja sogar Snowboardlehrer.
Clap: Wo entschleunigen Sie?
Röttger: Ich habe das Joggen wieder angefangen, als ich mich an Weihnachten spontan mit
meiner Schwester zum Airport Nightrun angemeldet habe. Das war ein 10-Kilometer-Lauf.
Beim Laufen entschleunigt man auch, obwohl man beschleunigt. Es entspannt einfach im
Kopf.
Clap: Welche Top-Technik haben Sie immer dabei?
Röttger: Gute Kopfhörer. Das Wichtigste ist, dass die Dinger im Ohr beim Laufen halten. Mit
den üblichen Apple-Gerätschaften funktioniert das bei mir nicht. Was ich auch zur
Entspannung nutze, ist Head Space, das ist eine Meditations-App. Manchmal brauchst Du
Technik, um Dich zu entkoppeln.
Clap: Klingt lustig. Hat das Digital-Business manchmal zu wenig Humor?
Röttger: Mag sein. Jemand, der als Startup-Gründer und Unternehmer unterwegs ist, muss
seine Sache schon sehr ernst nehmen. Der baut ein Business auf und stellt Leute an und
trägt Verantwortung. Er hat Investoren, die Ergebnisse sehen wollen. Das ist ein toughes
Business. Das ist Druck.
Clap: Ist das der Grund warum eine „Wired“ ernster ist als „Business Punk“?
Röttger: Es ist ein anderer Ansatz. Mit Wired versuchen wir Hintergründe der Digitalisierung
zu beleuchten. Optimistisch aber auch reflektiert. Deutschland ist anders als das Silicon
Valley. Und mit Technologie wird nicht automatisch alles super. Andererseits: Mit einer
Drohne zu fliegen macht natürlich Spass. Da kommt dann vielleicht Humor ins Spiel.
Clap: Fahren Sie eigentlich zur Dmexco?
Röttger: Das weiß ich noch nicht. Wenn sich dort eine gute Geschichte ergibt.
Wir wollen dahingehen, wo man noch einen Tick weiter vorne ist. Kürzlich habe ich einen
Vortrag auf einer Konferenz gehört zum Thema „Wann sind Computer endlich schlauer als
wir?“ Endlich natürlich in Klammern. Es ging um Themen wie: Wird uns künstliche Intelligenz
überholen? Ist das gefährlich oder vielleicht egal? Was bedeutet es für den Arbeitsmarkt,
wenn bald die erste Fabrik entsteht, in der Roboter Roboter bauen? Solche Fragen treiben
mich um. Es sind gesellschaftlich Riesenthemen, die auf uns zurollen.

Interview: Daniel Häuser

Foto: Alexander von Spreti