Korenke: Bei der Digitalsteuer muss die neue Bundesregierung endlich tätig werden

Die Ampel-Regierung hatte sich nicht gerade als Förderer unabhängiger Medien hervorgetan. Statt klarer Unterstützung gab es Rückschläge wie die Absage der Zustellförderung und Diskussionen um neue Werbeverbote, die auf Widerstand stießen. Doch wie steht es um die Zukunft der Presseförderung? Welche Erwartungen gibt es an eine mögliche neue Regierung, und wie können Printverlage wieder mehr Gehör in der Politik finden? Wir sprachen dazu mit Funke-Manager Tobias Korenke, der sich wie kaum ein zweiter Medienschaffender auskennt im politischen Berlin.
 
Die geborstene Ampel-Regierung hatte nicht allzu viel übrig für die Belange der Medien. Da gab es ja einerseits nach langem hin und her die Absage zur Zustellförderung und an anderer Stelle sollte es neue Werbeverbote für TV-Spots geben, gegen die die Verbände Sturm gelaufen sind. Erwarten Sie denn jetzt von einer neuen Regierung mehr Engagement hinsichtlich Medienförderung?
Korenke: Ja, natürlich erwarten wir von der neuen Bundesregierung einen frischen Einsatz für unabhängige Medien. Schließlich sollten alle demokratischen Parteien ein Interesse daran haben, dass es auch in Zukunft noch die Möglichkeit einer fundierten, freienMeinungsbildung gibt: Presseförderung ist Demokratieförderung! Genau deshalb fordern wir die Senkung der Mehrwertsteuer auf Null bei journalistischen Produkten. Ist es nicht unglaublich, dass die Menschen in Deutschland für Meinungsbildung überhaupt Steuern bezahlen müssen? Viele Nachbarländer sind da schon längst weiter und haben die Mehrwertsteuer für Presseprodukte ganz abgeschafft. Deutschland hinkt hier hinterher. Zudem fordern wir eine Digitalsteuer. Dass die Plattform-Monopolisten aus dem Valley, deren Köpfe wir gerade in schleimiger opportunistischer Demutspose bei der Trump-Inauguration erleben durften, kaum Steuern in Deutschland zahlen müssen, ist unerträglich. Hier muss die Politik endlich tätig werden; ein Teil der Digitalsteuer könnte dann ja, wie in Österreich, den unabhängigen Medien zugute kommen. Unser Appell an die Politik: Nehmt Artikel 5 des Grundgesetzes endlich ernst und fördert die unabhängige Presse! Es steht verdammt viel auf dem Spiel!
 
Welche Voraussetzungen müssten ihrer Meinung nach besser erfüllt werden, damit insbesondere Printverlage wieder mehr Gehör in der Politik finden können? Wen halten Sie denn eigentlich für die medienfreundlichste Partei?
Korenke: MVFP und BDZV tun enorm viel, da wirken großartige politische Köpfe. Die können aber nicht alles alleine wuppen. Die Verlage müssen noch deutlich aktiver werden – wir müssen viel konsequenter und penetranter die Politiker:innen in unseren Verbreitungsgebieten bearbeiten; bei jedem Interview sollte die obligatorische Frage gestellt werden: Was tut ihr, um eine Säule unserer Demokratie, nämlich die unabhängigen Medien, zu stärken? Wir sind immer noch viel zu zurückhaltend, weil es uns schwer fällt, pro domo zu argumentieren. Dabei geht es letztlich gar nicht um die Verlage, sondern um unsere freiheitliche Demokratie. Auch bei Funke können und müssen wir noch viel mehr tun – die Zeit der vornehmen Zurückhaltung ist vorbei!  Ihre Frage nach der medienfreundlichsten Partei ist gar nicht leicht zu beantworten. Nur so viel: An der SPD lag es nicht, dass die Zustellförderung gescheitert ist; die CDU/CSU gibt sich immer sehr medienfreundlich, tut dann aber wenig. Bei den meisten GRÜNEN bekommt man gar nicht erst einen Termin, wenn man über Presseförderung sprechen möchte. Die FDP, die ja eigentlich an Steuersenkungen interessiert sein müsste, zaudert in der MWSt-Frage. Und die AfD hasst unabhängigen, der Wahrheit verpflichteten Journalismus.
 
Womöglich fehlt ja gar nicht so sehr der Wille – fallen die Medienthemen einfach automatisch hinten runter, weil es derzeit in der Tagespolitik viele drängendere Probleme gibt als beispielsweise die genannte Zustellförderung?
Korenke: Ja, natürlich stehen die akuten Krisen ganz oben auf der Agenda. Trotzdem wundere ich mich über die Schwerpunktsetzung der demokratischen Parteien: Wenn man versteht, wie stark unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung unter Druck steht – und sie ist ganz sicher so gefährdet wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik – , dann sollte die Förderung einer wichtigen Voraussetzung unserer Demokratie ganz oben auf der Prioriätenliste stehen. Lassen Sie es mich sehr hart sagen: Wenn wir verhindern wollen, dass bei den übernächsten Wahlen die Feinde der Freiheit in die Regierung kommen, müssen wir jetzt mit allen Mitteln die Freiheit stärken – und eine Förderung des unabhängigen Journalismus ist da ein herausragend wichtiges Mittel.  
 
Zuletzt aber war die Zustellförderung ja gar kein Thema mehr. Stattdessen sollte die Mehrwertsteuer auf Printprodukte gesenkt werden. Wie groß sind die Chancen, dass das so kommt? Oder braucht es einen gänzlich neuen Ansatz?
Korenke: Wie gesagt, die Senkung der Mehrwertsteuer ist eine unserer zentralen Forderungen. Sie ist ordnungspolitisch unbedenklich, staatsfern, inhaltsneutral, leicht umsetzbar und bürokratiefrei. Sie kann kurzfristig zur Finanzierung digitaler sowie gedruckter Publikationen beitragen und so Zeit für die Entwicklung und Etablierung neuer Geschäftsmodelle geben. Es gibt eigentlich keinen vernünftigen Grund für die Politik, hier nicht aktiv zu werden. Und auch für die Einführung einer Digitalsteuer auf die Gatekeeper aus den USA und China, die anders als in Frankreich und Österreich bei uns kaum besteuert werden, ist angesichts der aggressiven Steuerpolitik der Trump-Regierung das Fenster gerade weit geöffnet.  
 
Wie beurteilen Sie, ganz grundsätzlich gesehen, die Rolle der Medien im aktuellen Wahlkampfgeschehen? Gibt es Entwicklungen, die anders sind als in früheren Jahren?
Korenke: Journalismus in Deutschland ist quicklebendig. Noch haben wir eine wunderbare Pressevielfalt. Alle wichtigen Diskurse in diesem Wahlkampf werden über journalistische Medien ausgetragen. Klar, die Sozialen Medien spielen eine immer stärkere Rolle. Denken Sie nur an die eindrucksvolle Präsenz der Linke-Spitzenkandidatin – ich hätte fast gesagt: der Linke-Top-Influencerin –  auf Instagram, die sicherlich dazu beigetragen hat, dass die Partei sich wieder Hoffnung machen kann, in den Bundestag einzuziehen. Die entscheidenden inhaltlichen Debatten finden indes noch immer in den journalistischen Medien statt –  print und digital. Und das wird auch so bleiben, wenn die Medien die aggressiven Attacken der letztlich nur an Profit und so gar nicht an freiheitlichen Diskursen interessierten Plattformen überleben. 
 
Nochmal etwas anderes: Donald Trump hatte nach der US-Wahl die führenden Digitalköpfe von Amazon, Tesla und Meta hinter sich versammelt. Müsste der neue Bundeskanzler auch den Schulterschluss suchen mit den Managern von Telekom, Siemens und SAP, um dem etwas entgegenzusetzen?
Korenke: Wir brauchen endlich eine europäische Digitaloffensive mit wettbewerbsfähigen Plattformen und intelligenten KI-Angeboten. Ich würde mir also schon wünschen, dass die Politik in Europa gemeinsam mit den großen europäischen Digitalplayern und auch den Publishern aktiv wird. Solche Bilder wie bei der Trump-Inauguration möchte ich hier allerdings nie sehen: Die Köpfe der Digitalmonopolisten geben sich zwar cool und zukunftsgewandt, sind aber ganz offensichtlich bereit, unsere Freiheit ihren Geschäftsinteressen zu opfern. Deshalb brauchen wir endlich eine europäische Alternative: Plattformen, die nicht Hass, Hetze und Fake News verbreiten, sondern der Suche nach der Wahrheit, der Darstellung der Realität und dem Diskurs über unser wirkliches Leben dienen. So ein Projekt würde auch die europäische Einheit voranbringen. Wir haben nicht mehr viel Zeit dafür, die Feinde der Freiheit sind enorm schnell und nicht nur in ihrer Disruptionsrhetorik hoch aggressiv. Also, liebe Politikerinnen und Politiker, fangt endlich an!  
 
Interview: dh
 
Foto: Funke