Kneissler Kolumne: Heute – Julia Jäkel

Hass ist so was von gestern. Die Zukunft gehört der Liebe. Michael Kneissler schreibt regelmäßig über Menschen und Medien, die unsere Zuneigung verdienen. Heute: Die Zukunft-Ermöglicherin Julia Jäkel

In letzter Zeit sind mir bei Jörges, Laffert & Co ein paar Nickeligkeiten in meine kleine Liebe-statt-Hass-Kolumne geraten. Für mich ist das okay: Zuneigung bedeutet ja nicht, mit Blindheit geschlagen zu sein. Aber heute muss ich aufpassen, dass es nicht zu nett wird. Ich finde Julia Jäkel nämlich richtig klasse. Aus sieben Gründen:

  1. Sie hat meinen Lieblingsverlag Gruner + Jahr vor der Bedeutungslosigkeit gerettet, vielleicht sogar vor der Zerschlagung.
  2. Sie ist (neben Yvonne Bauer) die einzige Frau, die einen Großverlag erfolgreich führt.
  3. Sie ist sympathisch, bescheiden, freundlich, empathisch.
  4. Sie hat keine Angst vor schmerzhaften Entscheidungen (Leute feuern, ganze Länder wie Österreich oder Spanien aus dem Repertoire nehmen).
  5. Sie lässt sich nicht verarschen (s.u.)
  6. Sie sieht gut aus, auf eine mädchenhafte Art und Weise (mit Brille sieht sie aus wie eine 1,1er-Abiturientin, was sie ist).
  7. Sie hat einen coolen Mann.

Ich erinnere mich noch gut an ihren Antrittsbesuch 2013 als neue Chefin bei der Gruner + JahrFiliale in München. Sie kam ein wenig zu spät, weil sie am Ostbahnhof beim Umsteigen aus der S-Bahn die Tram verpasst hatte. Obwohl sie wegen eines Unfalls Gips trug, hatte es niemand für nötig gehalten, sie am Flughafen abzuholen. (Ich stell mir gerade vor, was los wäre, wenn jemand sich weigern würde, Hubert Burda die Limousine zu schicken und ihm die öffentlichen Verkehrsmittel empfehlen würde). Es hatte auch niemand für nötig gehalten, die Kantine umzuräumen, damit sie für ihre Motivationsrede ein angemessenes Ambiente hätte. Thomas Lindner, der Münchner Statthalter, brachte sie stattdessen formlos in den Keller. Dort sprach Julia Jäkel in Jeans und grünlich flackerndem Neonlicht zu den Mitarbeitern, wie es von nun an aufwärts gehen sollte. Die Stimmung im düsteren Untergeschoß blieb der Umgebung angepasst. Wenig später war Lindner weg und der Standort München geschlossen. Seitdem wird JJ von den Platzhirschen im Medien-Biz weniger oft unterschätzt. Die nette Frau Jäkel kann knallhart sein, wenn es sein muss.

Raffinierterweise hat sie für die unangenehme Dinge ihre Männer. Ganz vorn an der Front: Stephan Schäfer, der Chief Product Officer. Der muss gemeinhin die schlechten Nachrichten überbringen und exekutieren – macht das allerdings auch so geschmeidig, dass ihn trotzdem (fast) alle noch mögen. Wie es zuhause läuft, ist ebenfalls klar. Auch da hat Julia Jäkel die komplexe Lage mit Kindern und berühmtem Ehemann im Griff. Als die Zwillinge 2012 kamen, sah man Ulrich Wickert – Chapeau! – mit dem Kinderwagen durch Hamburg marschieren. Sie baute solange Gruner + Jahr um.

Das war dringend nötig. Der stolze Großverlag war ein wenig in die Jahre gekommen, als JJ übernahm. Ihre Vorgänger hatten zwar alle extra dicke Eier und fanden sich ganz toll, kriegten aber irgendwie die Kurve nicht. Vielleicht waren sie aber auch nur so von der glorreichen Vergangenheit fasziniert, dass sie die Zukunft vergaßen. Jedenfalls konnte kaum jemand am Baumwall das Wort „digital“ korrekt buchstabieren und das Printgeschäft machte auch in Hamburg, was es überall sonst macht: abkacken. Die Lage war wirklich ernst, viel ernster als die meisten dachten.Unterdessen ist das Problem weitgehend behoben. Julia Jäkel hat

  • Standorte geschlossen
  • teure Grüß-Auguste, Egomanen und Faulpelze entsorgt
  • effizientere Strukturen eingeführt
  • Ideen gefördert
  • Experimente (inkl. Scheitern) ermöglicht
  • Mama Bertelsmann bei Laune gehalten und
  • das Haus ans Internet angeschlossen

Anders als Springer und Burda ist Gruner + Jahr noch immer kein Online-Unternehmen mit angeschlossener Printabteilung, sondern nach wie vor ein bedeutender Verlag. Aber das Digitalgeschäft machte 2016 schon ein Viertel des Gesamtumsatzes aus und G+J traut sich unter JJ wieder was. Den frauenaffinen Billigheimer Frei durften ihre Leute grandios gegen die Wand fahren (ist nicht wirklich schade drum), mit den neuen Premium-Produkten „Stern Crime“ und „Barbara“ läuft es dagegen gut. Die Corporate Publishing Unit Territory ist unter Soheil Dastyari sogar zum Marktführer im lukrativen CP-Geschäft geworden. Die Umsatzrendite beträgt mittlerweile wieder fast neun Prozent (okay, da kann Frau Bauer nebenan nur müde lächeln), aber das reicht, um die Kriegskasse mit 100 Mio. zu füllen.

G+J kann weiter in die Zukunft investieren. Dank Julia Jäkel gibt es wieder eine.

10 Kolumnen Liebe-statt-Hass: Die erste Staffel ist beendet. Jetzt machen wir erst mal Osterpause. Und danach schaun wir mal…

 

 

Foto: Gruner und Jahr, Alexander von Spreti