Bily wundert sich: diesmal über die Strafergötzung bei IT-Unternehmen

Thomas Bily, der Vorstand der Social Media-Plattform Wize.Life, wird in den nächsten Wochen für Clap Online regelmäßig in die Tasten greifen. Als ehemaliger Manager in der deutschen Printmedienlandschaft (Burda, Gruner + Jahr) robbt er sich durch den digitalen Wandel und stolpert manchmal über Seltsamkeiten in seiner alten und neuen Branche.

Das war wieder eine IT-Woche: Abmahnungen für Whatsapp Nutzung angedroht, Vorratsdatenspeicherung gestoppt, neue Hacker-Attacken und schließlich die saftige Milliarden Rekord-Strafe vom Kartellamt gegen Google. Claus Kleber brachte die unseligen Zeiten im heute Journal vom Mittwoch auf den Punkt: „Computernetzwerke, an denen alles hängt, sind ständig bedroht“. Und das werte User-Publikum kreischt  vor den Fernsehapparaten  – so wie in den 60ern, als „Psycho“ in die Kinos kam.

Wenn man sich in der Blase der traditionellen Medien einschlösse, könnte man meinen, einen Krieg der Welten zu erleben: Da ein Schlag gegen Google. Dort ein Nadelstich gegen Facebook. Whatsapp mit einem Schwinger in die Magengrube erwischt. Und morgen ist Amazon dran. Die Zuschauer reagieren in einer Mischung aus Betroffenheit, Applaus, Empörung und Kampfansage. Gleichzeitig sitzen sie mit Second Screen vor der Glotze und checken ihre Timeline auf Facebook, suchen nach Erklärungen für das eben Gehörte (und nicht ganz Verstandene) via Google, leiten die Nachricht per Whatsapp an ihre Familie („Morgen gehen wir aus Whatsapp raus. Seid ihr dabei?“) oder bestellen sich per Amazon Prime now eine Pizza und eine Flasche Lambrusco auf den IT-Schock. Um dann unverändert weiter zu torkeln durch die Digitalisierung im Vertrauen darauf, dass es einen selber schon nicht erwischen werde. 
 
Das Thema Sicherheit steht symptomatisch für unsere digitale Reife: Wir stecken im Kinderschuh-Stadium oder sind, wie Frau Merkel sagt, auf Neuland unterwegs. Auch manche Entscheider großer Unternehmen. Sonst würden Sie in modernste Technologie investieren. Verglichen mit der Entwicklung des Automobils steuern wir ohne Kopfstützen, Sicherheitsgurt und Airbag durch die digitalen Welten. Die beste Firewall hilft wenig, wenn innerhalb der Burgmauer lauter verwundbare Stellen sind. Ein Trojaner, der sich durchschleicht, reicht, um das ganze System von innen auszuhebeln. Die Radioaktivität in Tschernobyl wurde bis vor kurzem mit alten Windowsrechnern kontrolliert. Das ist so, als würde man einen Castor-Transporter auf einem Zug ohne Bremsen über die Alpen schicken. Und dann wundern wir uns, wenn die Handbremse gefragt ist.
 
Diese Unreife betrifft nicht nur den Aspekt Sicherheit, sondern auch die Verwendung von Mediageldern. 9 von 10 Wachstums-Euros im Online-Markt fließen zu Facebook oder Google. Immer mehr Geld wird in programmatische Werbekanäle gepumpt, obwohl dies der neue Gipfel der Intransparenz ist. Warum? Weil´s klick macht und weil der Klick gefühlt billig ist. Das ist Wirkungsnachweis genug.
 
Ohne Zweifel werden wir im Laufe der Zeit dazulernen. Jeder kann sich aussuchen, ob er das im Trial-and-Error Verfahren macht oder in der bewussten Auseinandersetzung. Es wäre schon geholfen, wenn Führungspersonal in Sicherheit und Transparenz der digitalen Welt genauso viel Zeit, Energie und Geld investierte wie in die Auswahl von Dienstwagen. Da werden wochenlang Kataloge gewälzt, Angebote analysiert und Ausstattungen konfiguriert. So kommt man zu besseren Lösungen im Einzelnen, aber vor allem auch zu einem breiteren und besseren Verständnis im Allgemeinen. Zusammenhänge zu verstehen und den Überblick zu gewinnen, hilft Ängste abzubauen und Chancen zu erkennen. 
 
Dann muss man sich nicht verabschieden wie Claus Kleber mit den Worten: „Ich weiß nicht, wie gut ich heute Abend schlafen kann….“ Sondern man schaut auf Hacker-Attacken und Google Milliarden-Strafen wie auf Dinge, die man verstehen, einordnen und abhaken kann. Frei nach Heine:
 
„Dacht ich an Google in der Nacht, hat mich das nie um den Schlaf gebracht.“