Winter kommentiert: Zugfahren im Öffentlich-Rechtlichen Verkehr

Die Intendantenwahl des WDR ist vorüber, und sie brachte erfreuliches und überraschendes zustande – landauf landab wurde gelobt, dass es sich tatsächlich um eine Wahl gehandelt habe, und nicht um vermeintliches „Hinterzimmergeklungel“ mit vorhersehbarem Ausgang. Das Ergebnis toppte dies sogar, weil es mit Katrin Vernau eine Gewinnerin und mit Helge Fuhst einen Runner-Up im zweiten Wahlgang gab, dessen Ausgang so wohl niemand prognostiziert hätte.

Das mehr Ab als Auf in der Nachrichtenlage rund um die Öffentlich-Rechtlichen seit dieser Wahl ist jedoch inzwischen um einige Kapriolen bereichert worden – wer hätte vermutet, dass ausgerechnet ein Ministerpräsident per Print-Interview der ARD in ihrer per DNA angelegten Regionalisierung den Vorwurf machen würde, den Niedergang des Lokaljournalismus mitzuverantworten, aber gleichzeitig meint, dass die Aufsichtsgremien (in welcher ua seine eigene Innenministerin sitzt)  ihren Job gut machen würden? Dabei wären es doch genau jene Aufsichtsgremien gewesen, welche diese laut MP offensichtliche Attacke auf den privat finanzierten Lokaljournalismus hätten bändigen können.

Fast gleichzeitig gab es ein Interview mit dem ARD-Vorsitzenden, der dann doch die regionale Verankerung und keinen Zentralismus möchte für die ARD, und dabei womöglich seine Bauchschmerzen ob der Visionen des Zukunftsrates zum Ausdruck brachte, welcher wiederum genau das empfiehlt. Derweil die Streiks im öffentlich-rechtlichen Rundfunk munter fortgeführt werden, und die hiesigen Gewerkschaften sich sogar um das Wohl der BBC bemühen. Die hatte einen Abbau von 500 Arbeitsplätzen verkündet, deshalb funkte man den britischen Botschafter an mit der Bitte dies doch zu verhindern. Überhaupt, kaum verkündete der HR einen Abbau von Radioaktivitäten in den nächsten Jahren, schon hagelte es Kritik, losgelöst davon dass die Kosten für das Erhalten des Systems weiterhin viel höher steigen als die Beitragseinnahmen damit Schritt halten werden.

Um das Problem von Ausgaben und Einnahmen einmal auf kleinstem Nenner zu beschreiben: Die kleinste Anstalt, Radio Bremen, hat laut einem Sonderbericht des dortigen Landesrechnungshofes vom 13.11.2023 in 2020 „Altervorsorgeaufwendungen“ in Höhe von 16,1 Millionen Euro, und für „Personalaufwand“ 17,4 Millionen gebraucht. Die Beitragseinnahmen in der gleichen Zeit lagen bei 43,767 Millionen Euro. Einfach ausgedrückt: Radio Bremen gibt fast 80 Prozent seiner Beitragseinnahmen für Gehälter und Pensionen aus, und dabei für das nicht mehr aktive Personal fast genau soviel aus wie für das aktive. Man erkennt: ohne den Finanzausgleich durch die anderen ARD-Anstalten in Höhe von 50,442 Millionen Euro wäre Radio Bremen, egal wie „schlank“ man sich aufstellt, nicht überlebensfähig.

Um die Herausforderung der Verwaltungsdirektorin und künftigen Intendantin des WDR um eine Komponente zu erweitern, wird nun kritisiert, dass die Möbel, welche in das neue WDR- Filmhaus kommen sollen laut Ausschreibung wohl zu teuer sprich luxuriös wären. Vielleicht sollte man bei IKEA vorbeischauen oder umgekehrt argumentieren, dass das Mobiliar im Bundespräsidialamt wesentlich luxuriöser ist. Der Vergleich mag hinken, aber das tat er schon als man in der unsäglichen Intendanten-Gehaltsdebatte auf den „Sold“ des Bundespräsidenten verwies und so begründete, dass Intendantinnen und Intendanten viel zu viel Geld verdienen würden. Hier konnte dann aber endlich mal ein Reform-Erfolg erzielt werden – jeder neu gewählte Intendant erhält jetzt weniger Gehalt als sein Vorgänger. Allerdings haben inzwischen sehr viele Direktoren, Hauptabteilungs- und Abteilungsleiter erkannt, dass ihre Gehälter dann natürlich auch sinken werden, und andersherum der „war for talent“ gegen private Konkurrenz in Zukunft so noch weniger gewonnen werden kann.

Wohin man also schaut, es ist ein munteres Treiben – durchtränkt von Kritik, Vorwürfen und keinem erkennbarem Plan, wohin die Reise führen soll – Zugführerinnen sind daher mehr gebraucht als je zuvor, die den Spagat von Reformunlust, aber Transformations- und Kostendruck nicht nur aushalten, sondern einen schnellen, konstruktiven und pragmatischen Weg finden aus diesem Irrgarten.

Foto: Nadine Rupp