Katharina Behrends-Porträt: Nix braves Mädchen

Polen, Rumänien, Tschechien und Ungarn. Diese Länder zählen ab 2018 zu den neuen Kompetenzen von NBC Universal-Chefin Katharina Behrends. Denn das Medienunternehmen macht seine Deutschland-Geschäftsführerin zusätzlich zur Chefin seiner US-Sender in Osteuropa und Benelux. Behrends soll für die unterschiedlichen Länder passgenaue Strategien entwickeln. Wir haben die Aufsteigerin vor einiger Zeit porträtiert.

Ihre Stimme, ihre Klappe, wie sie lacht: An Katharina Behrends muss man sich gewöhnen. Im Clap-Gespräch offenbart die NBC-Chefin Humor, ja Mutterwitz – und wirkt fast putzig dabei. Wer sie deshalb unterschätzt, sieht der TV-Lady ganz schnell von unten zu, wie sie Karriere macht: Seit kurzem führt sie den deutschen Ableger des amerikanischen Senders E! Entertainment. Die Behrends kriegt, was sie will. Weil sie ihr Ego kokett zu verpacken weiß.

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Zugegeben, besonders charmant ist es nicht, eine Frau als „patent“ zu bezeichnen. Patent, das klingt nach quadratisch, praktisch, gut. Im Falle von Katharina Behrends jedoch scheint kaum ein Etikett passender. Talent, Können und unbändige Zielstrebigkeit haben die Mittvierzigerin bis auf die Anhöhe des deutschen NBC-TV-Hügelchens getrieben. Behrends zählt – wie ihre gut zwei Jahre ältere Schwerster Friederike – zu den wenigen weiblichen Exemplaren, die die ausgeprägte männliche Monokultur an den hiesigen Medien-Regiepulten infiltrieren konnten. Sie selbst habe sich das stets zugetraut, sagt Katharina ungeniert. Wer darüber bisher dennoch die Stirn gerunzelt hatte, dem sollte die Behrends spätestens 2008 eine Lektion erteilen. Nach dem Wechsel von Wolfram Winter zur Satellitenplattform Premiere Star und vielen sinnlosen Interimslösungen hatte US-Gigant NBC für seinen später verkauften Sender Das Vierte mit Behrends und Roger Schneider eine Doppelspitze installiert. Bald darauf war Schneider nicht mehr Doppel, Behrends aber weiterhin Spitze. Für sie alles andere als eine Überraschung. „Ich war relativ zuversichtlich, dass ich letztlich den Job kriege“, blickt sie zurück, „ich habe die Anforderungen an das Stellenprofil einfach besser erfüllt.“ Denn Schneider war ein reiner Controller. Behrends dagegen verfügte über Managementerfahrung. Schon bei Premiere und später bei MTV hatte die studierte Juristin Verträge ausgehandelt, Sender gelauncht, kannte Pay-TV aus dem Effeff. Umso unverfrorener mutete ihr die Doppelnummer an: „Das fand ich nie gut. Aber NBC hat zu uns beiden gesagt: „Mal sehen, wer von euch das besser macht.“

Despektierliches bei MTV

Schlicht unmöglich sei das gewesen, ereifert sich Behrends im kleinen Kreis noch heute. Da zweifelte doch tatsächlich einer an ihren Fähigkeiten und schickte ausgerechnet sie in so ein doofes Live-Assessment-Center. Was für eine Frechheit. Despektierlicher war man ihr nur bei MTV gekommen: „Da wollte ich auch schon in die Geschäftsführung gehen. Aber mir wurde gesagt, ich solle mal schön bei meinen juristischen Sachen bleiben und mich raushalten.“ An Behrends geglaubt hatte vor allem Ex-NBC-Deutschlandchef Wolfram Winter. Kurz nach ihrem Wechsel zu der Sendergruppe hatte sie wieder ihr Ich-kann-das-ich-will-das-Quengeln angestimmt. Und dann habe Winter „gelacht und zu mir gesagt: Wir machen mehr Sender – und vielleicht bist du die Nächste“. Am Ende wurde Behrends sogar seine Nachfolgerin. „Als Das Vierte verkauft wurde (Sommer 2008; Anm. d. Red.), wollte ich eigentlich gehen. NBC hat mich nur halten können, weil sie mich zur Geschäftsführerin ernannten.“ In diesem Lichte wirkt es ziemlich kokett, wenn Behrends behauptet, ihre Karriere nie geplant zu haben. Als junges Ding hatte die passionierte Reiterin – wie wohl alle Mädchen im Teenager-Alter – davon geträumt, Tierärztin zu werden. Doch eine Begebenheit an der „TiHo“ Hannover, ihrer Heimatstadt, sollte alles ändern. „Auf einer Informationsveranstaltung konnte jeder mal rektal in die Kuh Erna reingreifen und das Gras fühlen“, schildert Behrends, „und dann wurde uns erzählt, dass die meisten Frauen später eher bei den Hamstern und Kleintieren landen.“ Weil sie partout auf Pferde geeicht war, legte die junge Katharina den Doktor-Dolittle-Plan ad acta. Sie habe sich dann „nicht so richtig“ festlegen können, „und da dachte ich: Studierst du erst mal Jura. Jura ist immer gut“. Parallel jobbte die Behrends beim damals gerade neu lancierten Sportformat „ran“ in der Hamburger Programmredaktion. Da habe sie „Blut geleckt“, auch wenn es noch zehn Jahre dauern sollte, bis sie die Juristerei vollends dreingab. Operativ zu gestalten, Verantwortung zu übernehmen, und immer dieser Gründergeist – ob bei „ran“ und Premiere, bei MTV oder eben jetzt im Pay-TV –, das sei ihre Welt, sagt die Behrends. Da sitzt sie nun, bei NBC, hat direkt knapp 35 Mitarbeiter unterstellt. Über das Joint Venture mit dem US-Medienmulti AETN (Senderbouquet in Deutschland: History, Bio, History HD) kann die Sendergruppe auf weitere 30 Leute zugreifen. Behrends kämpft in ihrem Münchner Mansarden-Chefzimmer als fröhliche Kriegerin („Bin vielleicht manchmal etwas autoritär“). Hat mit den Jahren gelernt, ihre allzu direkte Art zu domestizieren: „Es war gerade im Umgang mit amerikanischen Unternehmen eine Herausforderung, dass ich klar meine Meinung sage.“ Heute ist sie feinfühliger.

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Extrem fokussiert

In gleichem Maße hat Behrends ihren Job von manchem Zwang befreit: „Anfangs dachte ich, ich müsste mich bewusst businessmäßig kleiden und ein bisschen strenger rüberkommen.“ Da wirkte sie spröde, unnahbar. Anderen mögen Kostümchen oder Anzug erst ein wahres Antlitz verleihen. Katharina Behrends aber wirkt vor allem, wenn sie sich fraulich geben, wenn sie ihre Gala-Roben ausführen darf. Etwa auf den Events des NBC-Hollywood-Senders E! Entertainment, da wird die Großgewachsene zu einer unerhört aparten Erscheinung! Menschen, die Behrends näher kennen, sparen nicht mit Liebenswürdigkeiten: Sie sei extrem fokussiert, schnell verdrahtet im Kopf, loben sie. Und seufzen zugleich über ihre mangelnde Geduld. „Ist nicht gerade meine Stärke, das weiß ich auch. Ich erwarte schon, dass jemand schnell das Wesentliche versteht.“ Sie steht halt unter Druck, wie alle in ihrer Branche. Mit der Zeit ist mancher Leidensgenosse zu einem Freund geworden. Es sind interessanterweise primär Männer, mit denen die hiesige NBC-Statthalterin enger steht, „was ich bedauere“. Können Frauen mit Frauen im Job keine Freundschaften schließen? „Doch, ich würd’s auch gerne“, und das klingt bei Behrends fast sehnsüchtig. Eine solche Job-Freundin hat Behrends in den USA – aber offenbar nicht hier, in Deutschland bei München. Frauen hielten nicht so gut zusammen wie Männer, beobachtet sie. „Und ich habe auch nicht das Gefühl, dass sie sich so wahnsinnig gegenseitig unterstützen.“ Vielleicht ist Behrends schlicht für die meisten ihrer Geschlechtsgenossinnen zu perfekt, ihnen irgendwie unheimlich, mindestens aber fremd.

Leibgericht: Spinat mit Spiegelei

Wie damals, auf der Mädchenschule („nie wieder!“). Das fiel Katharina alles so leicht („echt Kindergarten“), sie sei keine Streberin gewesen. Sagt sie. Um doch noch unterzubringen, das beste Abi der Schule (1,2) gebaut zu haben. Eine Reitlehrerlizenz hat die Behrends auch – na klar, nur reiten ist zu langweilig. „Wenn ich etwas mache, entwickle ich schon Ehrgeiz.“ Gibt es denn irgendwas, was diese Frau nicht kann? „Kochen“, sagt sie trocken, „ich übe seit Jahren, aber das kann ich eigentlich wirklich schlecht.“ Und sie sei nicht praktisch veranlagt. Fahrrad flicken, Reifen wechseln, Handwerkern – das überlässt Behrends gern anderen, das ist ihr egal. Wirklich irdischer machen sie solche Schwächen nicht. Vom Kochen abgesehen. Naja, ihr Leibgericht wird sie noch hinkriegen: Spinat und Spiegelei mit Kartoffelbrei. Aber selbst die Küchenniete passt zu ihr, genauso wie der Umstand, dass sie Karten lesen kann und so gern wandern geht. Behrends ist vermutlich keine für die Abteilung große Gefühle, mag eher ihre Momente haben, wenn etwa auf einen groben Klotz mal ein grober Keil gehört. Nur wenn Lametta ist, wenn sie auf dem roten Teppich wandelt, mit Stars und Sternchen aus Hollywood und anderen Vororten, da wirkt sie so zauberhaft, hinreißend, irgendwo zwischen Versuchung und Versprechen. Der Glamour-Sender E! Entertainment, dem derlei Auftritte zu verdanken sind, tut der Behrends auffallend gut. Was sie an Stars so faszinierend findet, ist diese überhöhte Welt aus Luxus, Extravaganz, das Unerreichbare. Für Außenstehende sei dies der Gegenentwurf zu ihrem spießigen Leben – hat sie womöglich auch ihr eigenes im Blick? „Ich bin sehr glücklich mit dem, was ich mache, wenn Sie das meinen. Aber ich würde gerne einmal eine längere Auszeit nehmen.“ Um beispielsweise wieder intensiv zu reiten („fehlt mir sehr“). Neulich, erzählt sie, habe sie so einen Test in einer Zeitschrift gemacht, über unerfüllte persönliche Sehnsüchte. Das Reiten zählt definitiv dazu. Und sonst? „Privat habe ich mir fest vorgenommen, mich wieder mehr um meine Freunde zu kümmern.“ Bei Behrends klingt das nicht gefühlig, sondern eher nach einem Strategiepapier.

Text: Bijan Peymani

Fotos: Michael Ingenweyen und Jens Bruchhaus