Boning und die Geschichtsjäger: „Über Tschernobyl darf man auch mal schmunzeln“

Witzig war es in den Geschichtsstunden früher in der Schule ja eher selten. Und die Doku-Sender selbst haben ja auch eher einen ernsten Tonfall drauf, wenn es in der Rückschau um Katastrophen, Kriege oder Expeditionen geht. Den eher unterhaltsamen Dreh versucht nun der Sender History mit seiner neuen Reihe „Die Geschichtsjäger“ mit den beiden Explorern Wigald Boning und Fritz Meinecke. Clap traf Boning bei der Premiere der neuen Reihe in dieser Woche auf dem Cologne Film Festival.

Es gibt unzählig viele Dokumentationen über Tschernobyl. Aber in keiner durfte bislang auch mal geschmunzelt werden. Inwiefern war es denn das Ziel, auch heiklen geschichtsträchtigen Orten eine heitere Note abzugewinnen?
Boning:
Ich hatte nicht drüber nachgedacht, ob es so rüberkommt, und es spielte in dem Zusammenhang auch überhaupt keine Rolle. Tschernobyl war eine epochale Katastrophe mit weltweiten Auswirkungen. Die Neugier auf diesen Ort war für mich einer der Hauptgründe, an der Produktion überhaupt mitzuwirken. Es gibt viele Aspekte in Tschernobyl, manche davon unfreiwillig komisch.

Zum Beispiel?
Boning: Die Ästhetik der Flure im Kraftwerk. Überall wurde goldfarbenes Messing verbaut. Das erinnerte mich an eine Verfilmung eines Romans von Stanislaw Lem. Die Computer im Reaktor sind 10 Meter lang und drei Meter breit und diese waren noch bis 2000 in Betrieb. Unglaublich! Über diese Absurdität darf man auch mal schmunzeln.

Nicht nur bei Tschernobyl auch bei dem Beitrag über die Untersuchungshaftanstalt in Hohenschönhausen spielten Aspekte eine Rolle, die nicht nur geschichtlichen, sondern auch aktuellen Bezug haben. Also nicht nur Geschichte beim Geschichtssender?
Boning: Das ist so, weil wir das Ziel hatten, auch neue Erkenntnisse in die Filme mit einzubringen. Etwa die These des Kernforschers Sebastian Pflugbeil, dass ein Erdbeben das Reaktorunglück mitverursacht habe.

Gibt es denn einen brisanten geschichtlichen Ort, zu dem sie bislang nicht vorstoßen konnten?
Boning: Es gibt solche Orte noch und nöcher. Beispielsweise die verlassenen Geisterstädte in Amerika. Oder wilde Kohlebergbauminen in Polen. Das Problem ist sicherlich die Frage, ob es realistisch ist, mit einem Team dort hinzukommen. Ob das von der Sicherheit her machbar ist, oder ob man eine Drehgenehmigung bekommt.

Wigald Boning war im Stasi-Bunker Hohenschönhausen. Haben Sie sich schon früher mit dem Thema auseinandergesetzt?
Boning: Als Westbürger war ich auf Tournee mit meiner Band Kixx etwa 1987 in Leipzig. Da war die Stasi allgegenwärtig, auch weil wir drei Ostdeutsche und einen Amerikaner mit dabei hatten. Es gibt deswegen eine Stasi-Akte über mich, die ich mir auch angeschaut habe. Zum Glück stehen da aber nur Kinkerlitzchen drin.

Aber Sie beziehen ja am Ende der Folgen immer auch Position.
Boning: Wir gehen neugierig und ergebnisoffen an alle Orte heran. Beim Thema Stasi kann ich als Westdeutscher aber beispielsweise nur bedingt Position beziehen. Mir ist auch völlig klar, dass große Teile der Bevölkerung nichts mit der Stasi zu tun hatten.

Die Folgen sind ja auch nur 30 Minuten lang. Was hätten Sie noch gemacht, wenn es mehr Sendezeit gegeben hätte?
Boning: Das haben wir schon beim Drehen gemerkt, dass wir auf viel spannenden Stoff stoßen, der auch für längere Dokumentationen geeignet wäre. Wir haben beispielsweise Zeitzeugen aus der NS-Zeit getroffen, die noch viel zu erzählen hatten. Auf etliche interessante Einsichten konnten wir nur am Rande eingehen. Das war sehr schade!

boning

Wigald Boning und Fritz Meinecke in dieser Woche bei der Premiere der Geschichtsjäger in Köln.