„Schrei nach Liebe“: Bei Trump liegt „Der Spiegel“ auf einer Wellenlänge mit Clap

 
US-Präsident Donald Trump verachtet die Medien nicht, in Wahrheit will er von ihnen geliebt und bewundert werden. Mit dieser These konnte das gedruckte Clap-Magazin offenbar punkten. Im aktuellen „Spiegel“ läuft die Geschichte „Schrei nach Liebe“ in eine ähnliche Richtung. Überdenken die deutschen Medien ihre Haltung zu Trump nochmal? Mit Trump-Tochter Ivanka Trump gingen sie bei ihrem Berlin-Besuch in dieser Woche jedenfalls pfleglich um.  Und weil das Thema immer noch so relevant und spannend ist, bringen wir unser Interview mit Ex-Sky-Manager und gebürtigen New Yorker Jörg Allgäuer zum Thema Trump und die Medien nochmal in voller Länge:
 

„Trump liebt die New York Times und CNN“

 
Clap: Joschka Fischer hat in der Süddeutschen Zeitung geschrieben: „Der neue Präsident
übertrifft alle negativen Erwartungen“. Würden Sie das unterschreiben?
Allgäuer: Bis jetzt erfüllt der neue Präsident doch die Erwartungen, denn er tut genau das,
was er im Wahlkampf versprochen hat. Seien wir mal lieber froh, dass Trump sie bislang noch
nicht übertroffen hat.
Clap: Sie haben Donald Trump einige Male getroffen. Was war das Treffen, welches am
stärksten hängen geblieben ist?
Allgäuer: Das erste Mal bin ich ihm auf einer privaten Cocktailparty Ende der 80er Jahre
begegnet und wir haben uns ein bisschen unterhalten. Schon damals war er eine extrem
markante Figur in New York. Und bei allem, was sich seitdem auf der Welt verändert hat: Der
Mann ist sich treu geblieben und irgendwie immer noch der gleiche Typ wie damals. Donald
Trump muss man ein Stück weit sehen, wie man die 80er Jahre sieht – und zwar aus dem
heutigen Blickwinkel. Seine Sprüche, seine Weltanschauung, seine Art sich zu artikulieren
und im wahrsten Sinne des Wortes selbst darzustellen, das passt ganz genau in diese Ära.
Wenn wir uns Trump heute ansehen, wirkt er doch wie aus der Zeit gefallen. Seine Jokes und
Auftritte muten fast an wie eine alte Harald-Juhnke-Sendung, da fängt man schnell an, sich
fremdzuschämen.
Clap: Hatten Sie eine Begegnung, die das untermauert?
Allgäuer: In den 2000er Jahren wurde ich Trump bei einer Veranstaltung im Metropolitan
Museum nochmals vorgestellt. Seine Sendung „The Apprentice“ lief schon, damit wurde er
auf einen Schlag zu einer nationalen Größe. Die Show war damals ein nicht in diesem
Ausmaß erwarteter Erfolg und hatte hohe Einschaltquoten, mit denen Trump ja noch heute
kokettiert. Und seine schnoddrige Art mit dem inzwischen legendären Satz „You’re fired!“
kam bei den Leuten unglaublich gut an. Um hier den Kreis zu schließen: Er hat sich nicht
geändert, sondern die Leute haben das gewählt, was sie im TV gesehen haben. Nämlich in
ihren Augen einen unangepassten Macher, der handelt und immer für einen deftigen Spruch
zu haben ist.
Clap: Wie hat er Sie begrüßt? War da eine Geste oder ein Spruch, an den Sie sich erinnern
können?
Allgäuer: Da war nichts besonderes, jedenfalls nicht wie bei einem Händedruck von Kalle
Schwensen, den man drei Tage lang nicht vergisst. Trump war damals so etwas wie das
Faktotum der Stadt New York. Deshalb haben sich große Veranstaltungen gerne mit ihm
geschmückt und man hat schon geschaut, ob er kommt oder nicht. Eigentlich würde diese
Rolle ja viel eher jemandem wie Woody Allen zukommen, finde ich. Wenn man an New York
denkt, dann hat man viel eher den vor Augen. Das Problem mit Woody Allen ist aber, dass er
furchtbar kauzig ist. Montagabends hat er zum Beispiel jahrelang in Michael’s Pub an der East
Side Klarinette mit seiner Band gespielt. Deshalb ist er auch nie zur – ebenfalls immer an
einem Montagabend stattfindenden – Oscar-Verleihung gefahren, weil er da eben keine Zeit
hatte. Woody Allen geht auch nicht so gerne auf große Veranstaltungen, aber Donald Trump
hat sich schon immer gerne öffentlich dargestellt. Das war ihm ganz wichtig und, wie wir jetzt
alle auf der Welt erleben müssen, ist das bis heute unverändert so geblieben.
Clap: Nehmen Sie die Stadt in der Ära Trump anders wahr?
Allgäuer: Nichts hat New York so stark verändert wie 9/11. Donald Trump verändert die Stadt
insoweit, als es jetzt eben noch mehr Sicherheitsbeschränkungen an der 5th Avenue gibt, wo
 sein Trump Tower steht. Aber das ist nichts gegen eine UN-Generalversammlung im
September, erst dann herrscht wirklich der Ausnahmezustand. Von so einem wie Trump
lassen sich die New Yorker nicht ihre Stadt umkrempeln, auch wenn er einer der ihren ist.
 
Clap: Fahren Sie jetzt seltener nach New York ?
Allgäuer: Ha, auf gar keinen Fall! Wenn ich mich als gebürtiger New Yorker um Donald Trump
scheren würde, dann hätte ich schon die erste Lektion dieser Stadt nicht verstanden. Die
New Yorker lachen und ärgern sich eher über ihn, als dass sie ihn fürchten. Auch wenn dieses
Lachen momentan vielen ein bisschen im Hals stecken bleibt.
Clap: Wenn Sie ihm heute begegnen würden, was würden Sie ihm sagen?
Allgäuer: Also, als Vater von 5 Kindern, die jetzt gerade und in den kommenden Jahren in
diesem Klima politisch sozialisiert werden, müsste ich ihm eigentlich viele grundsätzliche
Dinge an den Kopf werfen. Das würde ihn aber sicher nicht die Bohne interessieren und ich
könnte ihn sowieso nicht ändern, also würde ich es bleiben lassen. Eher würde von ihm
gerne wissen, wie es so ist, in die Air Force One zu steigen. Oder im Oval Office zu sitzen.
Oder die kleine Treppe in seine Privatgemächer hochzugehen, die wir alle aus „House of
Cards“ kennen…
 
Clap: Stimmt Sie etwas optimistischer, als es in der Öffentlichkeit dargestellt wird?
Allgäuer: Ich glaube, wir machen uns keinen Begriff davon, wie schwer es ist, in einem
großen Land gegen das politische Establishment vorzugehen, wenn man nicht dazugehört.
Ich glaube, dass Donald Trump mit seinem Team aus einem Halbdutzend Vertrauten vom
Schwiegersohn über den Chefideologen bis zur Sykophantin keine Chance hat gegen einen
Apparat in Behörden, Ministerien und Verwaltung, der aus Hunderttausenden von Menschen
besteht.
 
Clap: Und ihm fehlt politische Erfahrung?
Allgäuer: Trump ist nicht politisch geschult, er handelt erratisch, er hat gar keine klare
Agenda. Und, auch wenn das beinahe anmaßend von mir klingt, er ist nicht intelligent genug.
Was mich in dieser Gemengelage momentan ziemlich enttäuscht, ist die Legislative in den
USA, also Senat und Repräsentantenhaus. Das sind doch Hunderte von Persönlichkeiten,
warum werden sich die ihrer Aufgabe und Verantwortung nicht stärker bewusst? Trump hat
im Senat ja noch nicht einmal eine starke Mehrheit. Dennoch macht er jetzt einfach das, was
er angekündigt hat, auch wenn vielleicht Manche erwartet haben, dass er sich im Amt
plötzlich wandeln und präsidial werden würde. Wenigstens macht die Justiz ihren Job und
das anscheinend gut, denn sie ist – noch – weitgehend unabhängig. Irgendwann wird es aber
zum echten Showdown mit dem politischen Establishment in diesem Land kommen, das ist
meine große Hoffnung und da bin ich nicht so pessimistisch.
 
Clap: Was Trump über die Medien sagt, ist selten nett. Glauben sie als Medienmanager, dass
sein Hass auf die Medien wieder abnehmen wird?
Allgäuer: Begehen wir hier keinen Fehler, Trump ist viel geschulter im Umgang mit Medien,
als viele glauben. Er war in dem Mikrokosmos New York ein halbes Jahrhundert lang als
Player unterwegs und kam quasi täglich in der „New York Post“ vor, also der Bild-Zeitung New
Yorks. Er fand ständig öffentlich und in den Medien statt, in der Glamour-Presse, in der
Boulevard-Presse, im Radio, im Fernsehen. Trump ist ein absoluter Medien-Profi, vielleicht
sogar mehr als Obama.
 
Clap: Trump hat also Jahrzehnte Vorsprung gegenüber Obama?
Allgäuer: Er liebt die Medien, er könnte ohne Medien und Aufmerksamkeit gar nicht
existieren. Was Trump macht, ist ein Spiel spielen, ein durchaus gefährliches Spiel. Sein
Auftreten besteht doch, wenn man ihn so beobachtet, sogar aus einer einzigen Dauerschleife
an Liebeserklärungen gegenüber der Presse und den Medien. Nur ist es hier eben zumeist
Hassliebe. Ich glaube, Trump liebt am Ende sogar die New York Times und CNN, denn er kann
gar nicht anders, als sie zu konsumieren und ihnen mit seinen Repliken dann eine Bühne zu
bieten. Er braucht die Medien wie Sauerstoff.
 
Clap: Kann er das Spiel gewinnen?
Allgäuer: Nein, natürlich nicht. 63 Millionen Menschen haben ihn gewählt, aber über 150
Millionen Wahlberechtigte eben nicht. Also hat er viele Millionen Fans, aber die allermeisten
Leute wollen sicher nicht Breitbart News lesen müssen oder angepasste Medien haben. Es ist
abwegig zu glauben, dass er die USA auf den gleichen Weg bringen könnte wie die Türkei, das
funktioniert in diesem Land einfach nicht. Journalist ist in den USA gerade zu einem Beruf mit
Zukunft geworden – und nebenbei kann man sich dabei auch noch um die Demokratie
verdient machen.
 
Foto: Daniel Häuser, Alex von Spreti