Goodbye Deutschland: Warum Michael Kneissler nach Ecuador geht

Clap-Autor Michael Kneissler zieht um. Nach Guayaquil in Ecuador. Warum?

 
Guayaquil ist eine sehr heiße, angeblich ziemlich kriminelle Hafenstadt am Pazifik. Meine Frau wird dort „Profesora“ an der deutschen Schule, mein jüngster Sohn Schüler (die anderen Kinder sind schon erwachsen). Niemand von uns war jemals in Ecuador. Dass wir bald dort landen werden ist einerseits purer Zufall, andererseits Kalkül und Planung. Das Kalkül: Das Leben, der Beruf und die Ehe brauchen Abwechslung und Herausforderungen, um nicht langweilig zu werden. Die Planung: Ein Auslandsaufenthalt für ein bis zwei Jahre. Dann zurück nach München, die schönste Stadt der Welt.
 
Deshalb ein Ort mit deutscher Schule für Frau und Kind. Nicht weiter nördlich als Deutschland (meine Frau kommt aus Marokko), kein muslimisches Land (meine Frau kommt aus Marokko), nicht China (Sprache!), möglichst am Meer. Der Zufall: Barcelona, Managua und Guayaquil haben passende Stellen zum passenden Zeitpunkt. Barcelona ist zu nah, Guayaquil schickt als erstes einen Vertrag. Bingo. Man sieht: Ich habe mit der Ortswahl nicht viel zu tun. Das ist okay, ich bin freier Journalist und kann von überall arbeiten. Internet und Flughäfen gibt es auch in Ecuador. Das ist sozusagen der USP meines Berufes: nicht festsitzen, in Bewegung bleiben, Neues kennen lernen.
 
Ich bin auf einem abgelegenen schwäbischen Bauernhof aufgewachsen, fuhr zur See und wurde dann Journalist. Wahrscheinlich der beste Beruf für Menschen, die neugierig sind und die Welt erobern wollen. Ich war Kriegs- und Krisenberichterstatter (z.B. für Wiener und Playboy), Wissenschaftsredakteur (z.B. für P.M. und Brigitte), Undercover-Rechercheur (z.B. für den Stern), Promi-Experte (z.B. für RTL, ProSieben und Bunte), Autor (z.B. für Spiegel, SZmagazin, Zeitmagazin und brand eins), Corporate Publisher (z.B. für G+J und Delius Klasing)
und war in über 120 Ländern auf fünf Kontinenten. Und dann war ich plötzlich Chef und meine Leute flogen rund um die Welt, während ich am Schreibtisch saß und Excel-Tabellen oder Power Point Präsentationen erstellte.
 
Zeit, die Sache Mal gründlich zu überdenken. Sind Macht, Prestige, Monatsgehalt, Bonuszahlungen und Dienstwagen es wert, auf Freiheit, Abenteuer, Neugier und Unwägbarkeiten zu verzichten? Will ich meine Zeit in Büros und Meetings verbringen oder mit meiner Familie? Will ich mir den Arsch breit sitzen oder in Bewegung bleiben? Ganz ehrlich? Die Antwort zu finden war leicht. Deshalb leben wir bald auf der anderen Seite des Globus, lernen Spanisch mit babbel.com, befassen uns mit der Frage, wie wir im September von Südamerika aus den deutschen Bundestag wählen und wie der Land Rover über den Atlantik kommt. Die Deutschen in Ecuador sagen, in Guayaquil könne man abends niemals wie in München einfach von der nächsten Kneipe nach Hause schlendern, viel zu gefährlich. Die Ecuadorianer in Deutschland sagen das auch. Man soll ein Taxi nehmen, aber nicht irgendeins (viel zu gefährlich), sondern eines von der Liste der Taxi-Unternehmen, die den Sicherheitscheck der deutschen Botschaft bestanden haben.
 
Man soll auch nicht einfach irgendwo wohnen, sondern eine bewachte Siedlung in einem sicheren Viertel wählen. Außerdem gibt es keine Jahreszeiten, aber ständig 32°C, Vulkane, Erdbeben und Korruption. Dafür ist die Landschaft schön, der Pazifik vor der Haustür und die Menschen sind sehr nett und essen gebratene Meerschweinchen. Wir werden sehen, ob das alles stimmt und ich werde darüber berichten. Ist schließlich mein Job.