Gastkommentar zur Dmexco: Ein Event für Marketer, die nicht verstehen, warum sie eigentlich hingehen

Kein Wort über die Relevanz der Aussteller will ich verlieren und auch keinen Kommentar zu den Vorträgen abgeben. Aber es liegt wohl in der Natur des MenschenMarketers, alles zu bewerten. Dabei ist es doch egal, um die hitzige Diskussion im Vorfeld der Dmexco aufzugreifen, wie viele Besucher tatsächlich dort waren, denn genug waren es allemal: 40.700 Fachbesucher (- 19,7 % im Vergleich zu 2016), 1.100 Aussteller (+8,6 % im Vergleich zu 2016) und sechs ausgebuchte Messehallen. Die Abwesenheit großer Player, wie die GroupM, fiel dabei kaum ins Gewicht.

Ich hätte mich nicht mit viel mehr Leuten unterhalten können, als ich es ohnehin schon geplant oder aufgrund vorhergehender Gespräche antizipiert hatte. Ganz im Gegenteil: Ich war froh über den Freiraum in den Gängen, denn, im Vergleich zum letzten Jahr, konnte ich diesmal selbst bestimmen, wohin mich meine Füße tragen, anstatt in der Masse mitschwimmen zu müssen.

Außerdem profitieren alle davon, wenn „die Beutelratten nicht mehr dabei sind“, um es mit den Worten von Mirko Kaminski, CEO der Kommunikationsagentur Achtung!, zu formulieren. Das war, laut den Dmexco-Chefs Christian Muche und Frank Schneider (auf dem Foto links und rechts zu sehen), auch das klare Ziel der erstmalig kostenpflichtigen Tickets: „Zentrale Voraussetzung für den geschäftlichen Erfolg ist die Qualität der zu erreichenden Geschäftskontakte“. Nennen wir es einfach „Lead Qualifizierung“, damit es auch der Marketer versteht…

Für mich bleibt die Dmexco primär wegen der Besucher und der Gespräche eine wertvolle Plattform – die auch online passiert. Im Netz, insbesondere über Twitter und Instagram, gab es in diesem Jahr mit knapp 25.000 Beiträgen weltweit zwar deutlich weniger Buzz als im Vorjahr, der war aber überwiegend positiv, wie die Emoji Map von Talkwalker eindeutig beweist. Schade, dass auf Facebook oder YouTube nicht viel passiert ist; an das Video-Format trauen sich erstaunlich wenige heran.

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Von der Expo selbst habe ich in der Tat wenig erlebt … bis zum Start-up Village bin ich nie gekommen und den Austellern in Halle 9 habe ich nur im Vorbeigehen winken können. Okay, das lag vielleicht auch daran, dass es mich immer wieder zu denselben Ständen getrieben hat. Etwa zu DCMN oder Teads.tv, die Drinks für ein paar nette Worte (und vielleicht eine Visitenkarte) getauscht haben, anstatt sie, wie die offiziellen Verpflegungsstationen, zu unverschämt hohen Preisen anzubieten.

Liebe Veranstalter, möge euch Abraham Maslow ein Lehrer sein. Wenn Besucher schon über Grundbedürfnisse klagen – und da zähle ich auf einer Digitalmesse das WLAN hinzu – dann braucht ihr euch um die Bedürfnisse der oberen Hierarchieebenen gar keine Gedanken machen. Aber wenn ich so drüber nachdenke, dann ist das wohl nur ein perfektes Abbild dessen, was viele heute „Marketing“ schimpfen: Was Konsumenten für selbstverständlich erachten, wollen sich Unternehmen teuer bezahlen lassen.

Das wäre ein Punkt, an dem wir über die Zukunft der Messe sprechen könnten, aber doch nicht wegen der Besucherzahlen. Die halte ich für eine schwachsinnige Metrik, um den Erfolg einer Messe zu bewerten, denn sie steht in keinerlei Relation. Wie gesagt, mein Maßstab ist das Verhältnis meiner verfügbaren Zeit und geistigen Aufnahmefähigkeit zum Angebot verfügbarer Gesprächspartner. Zumindest in der Hinsicht war alles im grünen Bereich. Frustriert haben mich die vielen Marketer und Vertriebler, die sich an sinnlosen „KPI“ ergötzen und doch eigentlich noch immer nicht verstanden haben, worum es in Wirklichkeit geht: Das Kundenerlebnis und den „Mehrwert Mensch“, wie es Digital-Berater Johannes Ceh so vorzüglich ausgedrückt hat.

Aber daran können wir noch arbeiten, auch ohne Konferenzen.

Robert Weller ist Content Strategy Coach bei d.Tales. Schwerpunkt seiner Arbeit ist „Content Design“ im Sinne der strategischen Konzeption und visuellen Gestaltung von Content. Sein Buch dazu erscheint Ende 2017. Außerdem ist Robert als Speaker bei Content Marketing Events gerne gesehen und hat sich insbesondere durch die Publikation seines Blogs toushenne.de einen Namen gemacht.

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Fotos: Dmexco, privat