Boitins Hausbesuch in der „Playboy“-Mansion: Meine erste Begegnung mit Hugh Hefner

Viele Kurven führen in den Olymp. Erst entkommen wir den Blechlawinen auf dem Wilshire Boulevard, biegen in die grünen Holmby Hills ab. Dort lassen wir die Golfspieler im Los Angeles Country Club rechts und die weiß gekleideten Rasen-Bowler im Holmby Park links liegen. Und rollen eine Nebenstraße bergauf, zwischen Villen, Toren, Palmen hindurch, bis der Wagen nach mehreren Kurven in den Schatten haushoher tropischer Bäume und Hecken taucht. Das Sträßchen ist mittlerweile menschenleer. Die Stille: nur unterbrochen durch die spanischen Gesänge eines Gärtners.

Wir, das sind mein Playboy-Kollege Philip Wolff und ich. Und wir haben ein Ziel. Die Playboy-Mansion. Seit 1971 das imposante Zuhause des berühmtesten Lebemannes der Welt: Hugh Hefner. Der Playboy-Gründer steht kurz vor seinem 85. Geburtstag und uns beiden deutschen Reportern wurde die Ehre zuteil, weltweit exklusiv ein Interview mit dem Jubilar zu führen.

Eingeflogen aus München, seit 1972 der Sitz des deutschen Playboy, sind wir zur Akklimatisierung bereits einen Tag zuvor in Los Angeles angekommen. Es ist der 1. Februar 2011, kurz vor 10.00 Uhr am Morgen. Wir sitzen in einem dieser berühmten Yellow-Cabs, die Scheiben geöffnet, eine sanfte kalifornische Brise im Gesicht, weit weg vom deutschen Winter. In einer steilen Kurve halten wir vor einem unscheinbaren Eisentor. Daneben liegt am Boden ein dicker runder Stein. „Sie müssen in den Stein sprechen“, hatte Hugh Hefners Empfangsdame empfohlen. Wir sprechen in den Stein. Das Tor schwingt auf. Im Schritttempo rollt der Wagen eine verwunschene Einfahrt hinauf zu einem Brunnenrondell, vorbei an freilaufenden Flamingos und an Hinweisschildern, die jeden Ankömmling bitten, auf das Füttern von Bunnys zu verzichten. Und nach einigen Metern wird der Blick frei auf das Herzstück der parkähnlichen Anlage: Hefs Villa, ein im neugotischen Tudorstil erbautes Stadtschloss, berühmt geworden unter dem Namen „The Playboy Mansion“.

Am Gebäude angekommen, das im Sommer 2016 für sagenhafte 100 Millionen Dollar an Hefners Nachbar, einen griechischen Investment-Milliardär verkauft wurde, empfängt uns ein Texaner mit breitem Lächeln. Rick, der Security-Mann, stämmig und schwarzhaarig. Einer von 80 Angestellten. Er bittet in die Vorhalle der Mansion.

Im Garten errichten Mitarbeiter gerade ein Partyzelt von Zirkusmaßen. Wir folgen Rick in Hefners Living Room – dunkles Holz, Clubsofas vor einer Kinoleinwand, eine Kirchenorgel – und von dort weiter in die Bibliothek. Playboy-Bände in Leder, Bücher, Backgammon-Tische, Bilder von Hef mit seinen Liebsten und Schönsten und im Fenster eine Büste: Barbie Benton, Hefs Freundin von 1968 bis 1976, modelliert vom Künstler Frank Gallo. Daneben ein Modell Hefners Privatflugzeug, der „Big Bunny“.

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Wir studieren die Bilder, da lösen sich Umrisse aus dem Schummerlicht des Nebenraums –und es tritt schnellen Schrittes ein: Hef. Kantig, wendig, im seidenen, rubinroten Morgenmantel, von der Gestalt kleiner und zierlicher, als man es erwartet hätte. Aber mit hellwachen Augen und sehr kräftiger Stimme. Eine äußerst lebendige Ikone. „Herzlich willkommen!“ Er reicht die Hand, und wir überreichen ihm eine bayerische Lederhose. „Is it for yodeling?“ (Ist die zum Jodeln?). Er lacht so überraschend laut und schallend, dass wir’s gleich noch mal hören wollen. Also legen wir nach: „Und das ist für Ihre Verlobte Crystal, ein echtes Dirndl. Kennen Sie das?“ – Hefner: „Nein. Sehr schön, sehr gut.“

Bevor nun das eigentliche Interview beginnen kann, immerhin der Grund für unsere Reise um die halbe Welt, wird Hef vom Geräusch einer zuschlagenden Wagentür abgelenkt. Draußen am Brunnen steigt eine Familie mit Kind in ein Auto. Kendra – kennen Sie sie? Von der TV-Serie „The Girls Next Door“ mit Holly, Bridget und Kendra. Kendra und ihr Mann und das Baby waren eben auf einen Kaffee hier. Sie fahren gerade nach Hause,“ verrät uns der Bunny-Boss mit einem zufriedenen Lächeln.

Nachdem wir beiden Fragensteller uns schließlich in der Sitzgruppe um den Interviewpartner drapiert haben, bedeutet Hef mir näherzukommen. Noch näher. Ich berühre mit den Lippen fast sein Ohr. Hefner litt zu diesem Zeitpunkt bereits unter starker Schwerhörigkeit, was viele in seinem Umfeld vor allem auf seinen jahrelangen und exzessiven Gebrauch von Viagra zurückführten. Dann aber die Überraschung: Der fast 85-Jährige erwidert all unsere Fragen mit einer Schlagfertigkeit und Leichtigkeit, die so gar nicht zu seiner körperlichen Fragilität passen will. Das Interview, ursprünglich auf 30 Minuten beschränkt, dauert nun schon mehr als eine Stunde.  Hefner hat sichtlich Spaß an dem Gespräch und liefert uns, den Repräsentanten der „German Edition“, pointierte, geistreiche und druckreife Antworten. Und: Er entpuppt sich als äußerst interessierter und neugieriger Gesprächspartner. So erkundigte er sich neben „Chancellor Mörkel“ ausführlich nach den Entwicklungen und Herausforderungen der deutschen Ausgabe.

Als wir uns nach einem ausführlichen Rundgang über das Areal – inklusive sagenumwobener Grotte („What happens in the Grotto, stays in the Grotto!“), Playmate-Unterkünften, Zoo, Tennisplätzen und „Game House“ – verabschieden, sprechen wir minutenlang kein Wort. Spüren wir wohl beide, einen besonderen Moment in unserer beruflichen Vita erlebt zu haben. Dann aber versichern wir uns doch noch schnell, dass die Worte des Playboy-Gründers auch tatsächlich auf unserem Aufnahmegerät zu hören sind – und wir nicht in der Hitze des Gefechts vergessen hatten, den Record-Button zu betätigen. Wir drücken auf Wiedergabe und stellen erleichtert fest, dass Hef laut und deutlich auf unserem Band zu vernehmen ist. Uns fällt ein Felsbrocken vom Herzen, der wohl so groß und schwer ist wie der Stein am Eingangstor zur Playboy Mansion.

Und ahnen dennoch nicht, dass unser Gespräch mit Hefner das weltweit letzte „Playboy“-Interview sein sollte. Ein Moment für die Ewigkeit. Nachzulesen hier.

Ich bin Hugh Hefner noch zwei weitere Male begegnet, kurz. Zuletzt vor drei Jahren. Zu diesem Zeitpunkt war der Playboy-Gründer schon stark vom Alter gezeichnet und nahm keine offiziellen Termine mehr außerhalb der Playboy Mansion wahr.

Am 27. September ist Hugh Hefner in der Playboy Mansion, in der er zuletzt nur noch Mieter war, im Kreise seiner Angehörigen friedlich und eines natürlichen Todes verstorben.

Autor Florian Boitin ist Chefredakteur der deutschsprachigen Ausgabe des „Playboy“.

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Fotos: Burda