Kommentar zu Steingart – Welche Gründe sorgten wirklich für sein Aus?

Bei der Handelsblatt Media Group dürfte es gestern nicht nur um das weltweite Börsenbeben gegangen sein. Es gab auch eine gewaltige interne Eruption. Denn der Zukunfts-Mann des Medienunternehmens, das vor kurzem noch Verlagsgruppe Handelsblatt hieß, steht plötzlich und völlig überraschend vor dem Aus. Gerade mutmaßten namhafte Medienbeobachter noch: „Jetzt kommt Steingart 2.0“. Und auf einmal ist laut Spiegel, von dem er ja kommt, alles vorbei.

Vor wenigen Tagen zog der Handelsblatt-Chef in ein neues, modernes Gebäude ein. Jetzt scheint es so, als müsste der König aus seinem Medienschloss unehrenhaft vertrieben werden, nachdem er vor ein paar Stunden erst seine Sachen ausgepackt hatte. Handelsblatt ohne Steingart, für viele undenkbar. Das ihm dabei ausgerechnet sein Morning-Briefing zum Verhängnis wird und nicht seine manches mal übertrieben wirkende Selbstdarstellung, das ist nur schwer vorstellbar.

Aufgrund des Riesenerfolgs kam sein Morning-Newsletter vor kurzem erst in Buchform heraus und wurde zum Bestseller. Angesichts der Tatsache, dass Steingart innerhalb der Medienszene in den letzten Jahren zum Superstar wurde, zum Friedrich Nietzsche des Wirtschaftsjournalismus, dann ist das jetzige Medienecho noch vergleichsweise gering.

Wenn es wirklich bei dem Zerwürfnis um seinen nicht unoriginellen Kommentar zum Verhältnis Schulz/Gabriel geht, dann wäre das ein handfester Medienskandal. Zwar hat Steingart seinen wenig begründeten Kommentar einigermaßen rustikal geschrieben, doch ein Ironie-Verbot wäre irgendwie neu im Düsseldorfer Unternehmen. Eigentlich handelt es sich sogar nur um eine harmlose metaphorische Glosse.

Dieter von Holtzbrinck vertraute in den vergangenen Jahren besonders auf die Expertise von Steingart, sogar auch dann, wenn es nicht nur um die Geschicke des Handelsblatts ging. Eine gelbe Karte für Steingart, der sich zumindest nach außen hin nur wenig zu Schulden kommen ließ, hätte auch gereicht. Eine respektlose Meinungsäußerung, wie die von Steingart aber hat den Verleger des Medienunternehmens genau genommen wenig zu interessieren, solange es in Deutschland auch noch innere Pressefreiheit gibt.

Insofern wird es komplett andere, bislang verborgene Gründe für die erstaunliche Steingart-Demission geben. Sie werden wahrscheinlich eher wirtschaftlicher Natur sein. Es werden doch in Deutschland keine regierungskritischen Journalisten entlassen wie in der Türkei. Und Dieter von Holtzbrinck wird sicher nicht derart von der Politik bedroht, dass er sich zu so einem radikalen Schritt genötigt sieht. War der  Kommentar doch ausschlaggebend, dann sollten Journalisten verlagsübergreifend solidarisch mit dem Kollegen Steingart sein. Denn das wäre eine entsetzliche Verfehlung.

Kommentar: Daniel Häuser