Bily wundert sich: Wer ist eigentlich Schiedsrichter für Medien-Qualität?

Einer meiner ersten Chefs war der frühere G+J Anzeigengeneral Gunter Pratz. Der Oberbayer in Hamburg klingt mir heute noch in den Ohren mit seinem trotzigen Statement: „Qualität gibt es auf jedem Niveau.“ Ein Bekenntnis für soziale Gerechtigkeit, das einer SPD 2018 gut zu Gesicht stünde. Pratz gebot damit dem hausinternen Qualitätsdünkel Einhalt, der alle in den Glauben wog: Qualität ist, was mindestens im Stern steht und am besten von Geo in einer Reportage aufbereitet wird. Das war Anfang der 90er, also lange Zeit vor Greueltaten des Privat TV wie „Bauer sucht Frau“ oder „Frauentausch“. Formate wie „Dschungelcamp“ waren noch nicht einmal genetisch im menschlichen Hirn veranlagt. Auf Bayern1 lief Blasmusik – kompakt und zuverlässig – ohne Berichte zu Fake News und Trump Tweets. Pratz hätte sein Statement nie so formuliert, wenn er geahnt hätte….

Thomas Ebeling wird in Kürze seine Abschieds-Pressekonferenz halten. Mitunter hörte man, dass ihm Kritiker vorhielten, er habe zu wenig in die Qualität des Programms investiert. Sicher ist: zu viel war es nicht. Die Quoten sind mau und in der Sendergruppe, so lassen Agenturkreise verlauten, sei es gerade etwas ungemütlich. Die großen TV Sender werden jetzt von den Turbulenzen erfasst, die Verlage seit Jahren durchleben: Titanic-mässig sinkende Quoten, schmerzhafte Brutto-Nettoscheren, blutige Restrukturierungen und begleitende Beschwichtigungen. Während Leistungswerte kollabieren, wird unermüdlich appelliert an die Qualitätsführerschaft.

Gleichzeitig wird Online-Publishern jeder nicht gelöschte Trump-Retweet oder Influencer-Kommentar um die Ohren gehauen wie einem Hilfsschüler der erste Erlebnisaufsatz. Ich bin ja nicht der Schiedsrichter, aber ich finde, dass Social Networks mehr Substanz bieten als das dünne Gesülze auf Bayern1&Co oder die Yellow Headlines auf der Fensterbank meiner 85-jährigen Mama (findet sie übrigens auch – war ein Geschenkabo). Abgesehen davon sind Online Medien aktueller, flexibler, internationaler, interaktiver und – natürlich auch – nachhaltiger (my tribute to sustainability). Eines meiner Lieblingszitate stammt von Klambt Geschäftsführer Kai Rose: „Wir sehen das nicht als Fake News. Das sind Träumereien, das sind Geschichten und das weiß die Leserschaft.“ Also was ist es dann: Premium-Fake oder Native Boulevard ohne Kennzeichnung?

Das wirft die Frage auf: Was machen die Angelsachsen? Sky UK definiert Qualität radikal und setzt Milliarden auf Fussball. Wohl ahnend, dass es die einzige Chance ist, Quote zu machen, Zuschauer und Abonnenten zu gewinnen. Aber seit wann steht Fussball für Qualität? Vielleicht bei Liverpool gegen ManU. Aber Burnley gegen Swansea ist doch kaum besser als Wolfsburg gegen Mainz? Vielleicht ist Qualität einfach nur, was Zuschauer und Leser interessiert und fesselt? Nachweisbar und messbar. Überall, jederzeit, individuell und schnell. Dieser Trend scheint sich durchzusetzen. Auf jedem Niveau.

Thomas Bily, der Vorstand der Social Media-Plattform Wize.Life, hat für Clap Online wieder in die Tasten gegriffen. Als ehemaliger Manager in der deutschen Printmedienlandschaft (Burda, Gruner + Jahr) robbt er sich durch den digitalen Wandel und stolpert manchmal über Seltsamkeiten in seiner alten und neuen Branche. Gerade ist Bily zwar in Uganda im Urlaub, wenn Sie ihn aber trotzdem erreichen wollen: t.bily@wizelife.de

 

Foto: Alexander von Spreti