Verleger Wolfram Weimer schreibt regelmäßig für Clap. Mit seiner Weimer Media Group ist er in München und am Tegernsee beheimatet. In dieser Woche gibt es einen Rant zu den Öffentlich-Rechtlichen.
Bei unseren Nachbarn wird die Zukunft der öffentlichen-rechtlichen Medien so fundamental hinterfragt wie seit Jahrzehnten nicht. Dänemark, Polen, Österreich und Frankreich organisieren Reformen, die Schweizer stimmen am 4. März sogar darüber ab, ob die Rundfunkgebühr und damit das System ganz abgeschafft wird – das schlägt die «No Billag»-Initiative vor. Billag ist die Gebühreneinzugszentrale in der Schweiz. Umfragen zufolge sind schon 40 Prozent der Schweizer für das Abschalten, und täglich werden es mehr.
Auch bei uns stehen ARD, ZDF und Deutschlandradio unter Druck wie noch nie zuvor. Das Publikum ist völlig überaltert, das System kostet Milliarden, ist zu politisiert, parteien-verfilzt, staatsnah und im Internet-Zeitalter irgendwie aus der Zeit gefallen. Vor allem aber verliert es zusehends an Akzeptanz. Immer breitere Teile der Bevölkerung fühlen sich von den öffentlich-rechtlichen Sendern übergangen, bevormundet, politisch erzogen oder mit endlosen Krimischleifen billig unterhalten.
Eigentlich müssten sich ARD und ZDF überdenken, eine große Reformdebatte anstoßen, sich modernisieren und ums Publikum werben. Doch man hört man von den ARD- und ZDF-Sonnenkönigen keine Selbstkritik – wohl aber neue Finanzforderungen. Obwohl das System mit seinen medialen Spiegelsälen versaillesgleich in Geld schwimmt, und die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) für die laufende Beitragsperiode einen Überschuss von 544,5 Millionen Euro erwartet, fordern die Senderchefs einfach noch mehr Geld. Die Debatte um weitere Gebührenerhöhungen ist so als würde ein in Schwierigkeiten geratener Landadliger zur Finanzierung seiner Goldkutschen den Zehnten für die Bauern erhöhen.
In Politik und Gesellschaft werden daher die Stimmen lauter, die eine grundsätzliche Reform anmahnen. Die einen fordern eine Privatisierung des ZDF, die anderen eine Zusammenlegung von ARD-Anstalten, dritte eine Senkung der Gebühren oder zumindest Zurückhaltung im Internet. Man muss ja nicht gleich radikalen Vorschlägen aus AfD, FDP, Wirtschaftsverbänden, von Verlegern oder ostdeutschen Staatskanzleien folgen.
Es reichen schon die Vorschläge des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium. Das Gremium hat vorgeschlagen, die öffentlich-rechtlichen Sender sollten künftig nur noch für solche Sendungen zuständig sein, die Private „nicht von sich aus anbieten würden“. Außerdem sollten ARD und ZDF statt über generelle Gebühren künftig durch Steuern sowie über eine „moderne Nutzungsgebühr“ finanziert werden. Diese solle nur noch dann erhoben werden, wenn öffentlich-rechtliche Sender auch tatsächlich genutzt würden. Ist das nicht einleuchtend und fair?
Nicht für das Ancien Regime von ARD und ZDF. Das empfindet den Vorschlag aus dem Ex-Schäuble-Ministerium offenbar als vorrevolutionären Barrikadenbau. Dabei sind die Grundsatzfragen des Beirats völlig berechtigt: Was sollen ARD und ZDF in der Internetwelt der Zukunft noch bieten? Wenn der durchschnittliche ARD-ZDF-Zuschauer 60 Jahre und älter ist, wird das Programm dann nicht an weiten Teilen der Gesellschaft vorbei gesendet? Was genau ist die so heilig postulierte „Grundversorgung“ wirklich? Muss man 8 bis 10 Milliarden Euro pro Jahr für halb staatliche Medien investieren? Wir haben das teuerste Mediensystem der Welt, geht das nicht billiger? Und vor allem besser? Was bekommt die Gesellschaft für ihr enormes Invest? Qualitätsjournalismus oder Schnulzen, Krimi-Tote und Sportspektakel, die die Privaten vielleicht besser bieten könnten? Und hat die Vertrauenskrise der Republik nicht just mit der politischen Bevormundung und Selbstgefälligkeit von ARD und ZDF zu tun?
Das Gutachten aus Berlin hat den Finger in die Wunde gelegt. ARD und ZDF haben ein schweres Legitimationsdefizit. Sie sind überbezahlt und unter Niveau unterwegs. Die Rundfunkgebühr ist zudem ungerecht und gierig, weil sie Bürger und Unternehmer zwangsweise zum Zahlen verpflichtet, und zwar unabhängig davon, ob sie das Angebot überhaupt nutzen. Das Verfahren, an den Bedürfnissen der Menschen vorbei Bedarf anzumelden, es von der Politik abzusegnen und dann zwangseinzutreiben, ist mediale Planwirtschaft. Und die Rundfunkgebühr wirkt wie der neue Fünfjahresplan dazu. 400.000 Betriebe und 200.000 Kraftfahrzeuge sind mit diesem zusätzlich „in den Bestand gehoben“. Von 800.000 Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen befreit waren, werden jetzt zwei Drittel zur Kasse gebeten. Blinde zahlen, Gehörlose und Schwerbehinderte auch, Unternehmen werden stärker belastet, Firmen mit vielen Filialen oder Fahrzeugen müssen doppelt und dreifach löhnen. Die Wut vieler Menschen über die GEZ hat also gute Gründe.
Und beim Blick auf das Programmangebot der ARD-ZDF-Milliardäre wird diese nicht kleiner. Denn in Wahrheit drohen die Sender an ihrem finanziellen Erfolg zu ersticken, und zwar in Seichtigkeit. Immer häufiger drängeln sich öffentlich-rechtliche Sender bei billigen Massen- und Sportspektakeln mit ihren vollen Taschen in die erste Reihe der Volksbelustigung. Vom manischen Beschäftigen mit Krimis ganz zu schweigen. Das ZDF zeigt inzwischen so viele Krimis wie ein Landregen Tropfen. Sind 70 Morde, die das deutsche Fernsehen pro Tag lustvoll aussendet, nicht genug?
Das peinliche Forderungsspiel um neue Milliarden sollte aufhören, ARD und ZDF sollten vom hohen Ross des Überversorgungsmüßiggangs herunter kommen. Eure öffentlich-rechtliche Durchlaucht mögen vielleicht einmal aus der güldene Kutsche aussteigen und das zahlende Volk nach seiner Meinung fragen? Es würde sich geziemen!