The Hoff: so können sich die deutsche Streaming-Plattformen gegen die Amerikaner wehren

Manchmal gleicht es einem wahren Spießrutenlauf – als Fan einer Serie oder einer populären Reality-Sendung, die ich vorab oder ausschließlich On-Demand verfolgen kann, gibt es immer, wirklich immer diese eine Person in meinem beruflichen oder heimischen Umfeld, die die nächste Folge natürlich schon bereits gesehen hat. Will ich mir also die Spannung und die Freude auf die bevorstehende Folge aufrechterhalten, sollte ich diesem wandelnden Spoiler-Alarm konsequent aus dem Weg gehen und jedes private Gespräch vermeiden.

Wie hart mussten viele TV-Junkies wie ich in diesem Jahr dafür kämpfen, noch nicht zur erfahren, wer nach der epischen Game of Thrones-Schlacht in Königsmund den Eisernen Thron besteigt? Wie Protagonist „Berlin“ in „Haus des Geldes“, doch eigentlich in Staffel 2 von tausenden Kugeln zersiebt, dem Professor beim nächsten Coup zur Seite stehen kann? Oder ob in „Big Bang Theory“ Shamy nun im Staffelfinale den Nobelpreis gewinnen kann?

Kenner nicken sicherlich betroffen und wissen genau, was ich meine. Ein absolut schwieriges Unterfangen! Während solcher Tage, an denen neue Folgen online kommen, ist es zusätzlich aber auch schier unmöglich, Online-Angebote der einschlägigen Tagespresse zu öffnen oder einen der gängigen Social-Media-Kanäle zu nutzen. Welche Gefahren lauern hier nicht für jeden TV-Fan, der sich doch ganz jungfräulich vor dem Bildschirm überraschen lassen möchte?

Ob „Ich bin ein Star, holt mich hier raus!“, „GNTM“, „Das Sommerhaus der Stars“, „Big Brother“, „Drag Queen“ oder die „Bachelor“-Varianten: Der Zuschauer arbeitet sich während der Ausstrahlung an den Protagonisten ab und setzt sich mit dem Geschehen auseinander. Zugegeben, häufig in äußerst ironischer Tonalität, aber lassen sich darin nicht auch kulturelle wie regionale Phänomene entdecken? Ein Verständnis für bestimmte Situationen oder Beziehungshintergründe, die eben nur deshalb genau den humoristischen Nerv der Zielgruppe treffen, weil sie „typisch“ deutsch sind?

Jetzt spoilere ich einmal ungeniert: Genau dies ist in meinen Augen einer der großen Vorteile, die deutsche TV-Sender und On-Demand-Plattformen wie TV Now oder Joyn vor den scheinbar so übermächtigen Konkurrenten wie Netflix oder den neuen Angeboten Disney+ und Apple+ haben. Mit eigenem Content, der hochwertig produziert, eine perfekte Alternative zu Serien oder Shows aus dem Ausland bildet. Mit Sendungen, die sich neue, spezifische Zielgruppen suchen, in die mutig investiert wird und die den hiesigen Zuschauer kennen und verstehen. „Prince Charming“ ist zum Beispiel eines dieser Formate und rangiert derzeit daher sicherlich zu Recht bei TV Now auf Platz 1 unter „Meistgesehen“.

Auch die Öffentlich-Rechtlichen positionieren angesichts der wachsenden Vorliebe für On-Demand-Sehgewohnheiten ihre Mediatheken als neuen Player und nehmen das Online-Publikum mit neuen Produktionen verstärkt ins Visier. „Mediathek first“ heißt es beispielsweise beim ZDF und so startete mit „Heroes – Aus dem Leben von Comedians“ kürzlich ein Comedy-Format, das rein fürs Online-Publikum konzipiert wurde. Die ARD zieht selbstverständlich nach und will verstärkt in Formate investieren, die ausschließlich eine spezifische Mediathek-Zielgruppe bedienen.

Müssen sich deutsche Anbieter somit wirklich ernsthafte Sorgen um die Konkurrenz aus Übersee machen? Lassen Sie mich nun nochmals spoilern: Ja! Wenn Stillstand herrscht. Wenn nichts gewagt wird, wenn man die Dinge so laufen lässt, wie sie seit Jahren sind. Aber glücklicherweise sind andere Bewegungen im Markt zu spüren und natürlich auch im wahrsten Sinne des Wortes zu sehen. Es macht Spaß, dieser Entwicklung beizuwohnen und so dürfen wir uns – nun einmal gänzlich Spoilerfrei – auf ein sicherlich aufregendes und unterhaltsames Fernsehjahr 2020 über alle erdenklichen Kanäle hinweg freuen!

Stefan Hoff ist Geschäftsführer des technischen Dienstleisters Nobeo TV und Vorstandsvorsitzender des TV-Verbands VTFF. Er schreibt regelmäßig für Clap.