The Hoff: Feenstaub für Film und Fernsehen

Glamour, Technologie, Ökologie – und trotzdem wollen zu wenig in die Film-  & TV-Branche. Alles eine Frage des Mindsets, meint clap-Autor Stefan Hoff. 

Früher war natürlich alles besser: das Fernsehen, die Werbung, die Medientage – nur clap gab’s noch nicht. Ich rede von den späten 90ern, den frühen 00ern. Die goldenen Jahre der alten weißen Männer. Alle wollten in unsere Branche. Auch und ganz besonders die jungen. BewerberInnenmangel, früher einfach nur Bewerbermangel – was ist das?

Heute ist alles anders: Auf dem BewerberInnenmarkt ist es leise geworden. Man trifft hier immer weniger (die richtigen). Egal ob nun Bild- oder Toningenieure, Produktionsleiter, Sounddesigner, Beleuchter oder Kamerapersonal – die Zahl der Bewerbungen ist rückläufig, und auch die Quereinsteiger versuchen immer seltener ihr Glück. Schade und alarmierend zugleich! Jüngste Befragungen bei den technisch-kreativen Dienstleistern für Film und Fernsehen haben ergeben: Für 84 Prozent der Firmen sind fehlende Fachkräfte aktuell die größte Herausforderung – erst auf Platz zwei folgt der gestiegene Kostendruck der Auftraggeber. 

Mit Erklärungen für diese Entwicklung ist man schnell dabei: der Zeitgeist ist ein anderer. Wer will beispielsweise am Wochenende noch bei Außenübertragungen draußen frieren, während alle anderen Work Life-Balance zelebrieren? Und wer will bei der Aufzeichnung noch spätabends im Studio schuften, während sich alle anderen gerade im Binge Watching üben? Und überhaupt: Fernsehen – ist das nicht für die Zielgruppe, die bei Michelle Hunziker und Thomas Gottschalk ihre kulturelle Entwicklung abgeschlossen hat? 

Ehrlich gesagt: Ich kann das Wehklagen nicht mehr hören. Vielleicht bin ich ein unverbesserlicher Optimist, aber ich glaube, die Zeiten für Film und Fernsehen waren lange nicht mehr so gut wie heute. Weil:

– Streamingdienste dem Markt einen enormen Auftrieb gegeben haben. Früher sprachen die Menschen in der Mittagspause über Tatort und Wetten, dass – heute über die besten Netflix-Produktionen. Exklusive Filme und Serien, die eben auch in Deutschland produziert werden. Wer hier mitarbeitet, bekommt den Hollywood-Faktor on top zum Gehalt. 

– die technische Entwicklung für uns spricht. DeepL, ChatGPT und wie all die anderen KI-Tools heißen, werden viele Arbeitsplätze vernichten. In unserer Branche kommen sie vorerst nur flankierend zum Einsatz. Schon richtig: Beethovens Unvollendete, die 10. Sinfonie, wurde vor knapp zwei Jahren von der KI finalisiert. Aber, dass eine Film-Produktion von der Konzeption bis zur Realisierung komplett in den Händen der KI liegt – das wird noch dauern, glaube ich. 

– wir nachhaltiger und damit sinnstiftender werden. Mit seiner Green Tec-Offensive etwa will der VTFF Produktionen ganz grundsätzlich umweltfreundlicher gestalten. Richtig so: Wir gehen mit der Zeit – und weit voran. 

Natürlich: Wir, die gesamte Film- und Fernsehbranche, können deswegen nicht die Hände in den Schoß legen. Auch wir müssen uns bewegen. Ich glaube, wesentlich in zwei Richtungen. Wir müssen im Recruiting wieder unkonventioneller werden, brauchen erneut den Start Up-Spirit der Anfangstage: Zu Beginn des Privatfernsehens etwa gab es keine bzw. kaum echte Fachkräfte. Die, die es gab, waren sicher im öffentlich-rechtlichen Rundfunk untergebracht. Doch im privaten Sektor sind viele on the job von ungelernten Kräften zu Fachkräften oder gar Führungskräften herangewachsen. 

Genau darum muss es gehen: Berufsneulinge und Quereinsteiger mit einer attraktiven Ausbildung gewinnen und die Ausbildung an die stetige Entwicklung der Branche und Technik anpassen. Wir müssen wieder mehr auf die persönlichen Skills und weniger auf den Lebenslauf gucken. Das sagt sich so einfach, doch ist gar nicht so leicht. Denn dafür brauchen wir eben auch das Mindset von früher. Hungrig und auf Erfolg getrimmt, aber nicht saturiert. Je etablierter eine Branche wird, desto schwieriger ist das. Aber ich bin mir sicher. Wir schaffen das! Die kreativen, unkonventionellen Köpfe haben wir.

Und wir müssen wieder lauter werden, für uns, unser Image als Arbeitsgeber trommeln. Jeder für sich und doch zugleich alle zusammen. Eine gemeinsame Gattungsoffensive. Wie die aussehen könnte – dazu mehr in meiner nächsten Kolumne.

Stefan Hoff ist Vorstandsvorsitzender des TV-Verbands VTFF. Er schreibt regelmäßig für Clap.

Foto: syh®