Kommentar: Schwecke-Wechsel bringt Unruhe in die Medienbranche

Auch wenn ProSiebenSat.1 zuletzt die Schlagzeilen bestimmt hat – die viel diskutierte Personalie Carsten Schwecke und sein abrupter Weggang als Chef von SevenOne Media wirft ein erstaunlich grelles Schlaglicht auf RTL Deutschland. Wenn sich Schwecke wirklich in Richtung Rhein orientieren sollte, es geht hier nicht mehr oder weniger um eine der wichtigsten Positionen im deutschen Mediengeschäft. Da Schwecke nun tatsächlich zu RTL geht, mittlerweile sind ja Fakten geschaffen worden, könnten nun unruhigere Zeiten auf die TV-Branche zukommen. 

Eigentlich sind solche Positionen mit dieser hohen Verantwortung nicht für Kurzzeitintermezzos gemacht und es gibt bislang auch kaum ein Beispiel für einen Wechsel in dieser Form. Eher im Gegenteil – an der Spitze der großen Vermarktungsorganisationen herrschte personell gesehen eher Stabilität. Man denke nur an den nun reaktivierten Schwecke-Vorgänger Thomas Wagner, der so viele Jahre das Geschehen bei SevenOne Media bestimmt hat. Und in diesem Zusammenhang sei die Beobachtung vermerkt, dass dieser bei der vor einigen Wochen gelaufenen Best Brands-Veranstaltung länger blieb als Schwecke, der recht früh alleine den Bayerischen Hof verließ. Also vielleicht hing schon länger der Haussegen schief.

Schwecke war zwar nur kurz bei SevenOne Media, dennoch kennt er möglicherweise beispielsweise Rabatte, die dort ausgehandelt worden sind. Heikel. Deswegen sagt Clap aber nicht, dass Schwecke sein Wissen in irgendeiner Form teilen wird und es wäre natürlich zu wünschen, dass es zu keinen Konflikten kommt. Es gibt aber eben gute Gründe, warum die sensible Position des Vermarktungschefs bei den beiden großen Sendergruppen eher personelle Beständigkeit aufgewiesen hat. Und sowieso: Wer den Lopez-Skandal mit VW und GM aus den 90er Jahren noch kennt, der weiß, dass so ein Wechsel zur unmittelbaren Konkurrenz unter Umständen alles andere als trivial ist.

Jedenfalls waren die Gerüchte, dass Matthias Dang RTL verlassen will nicht neu, sie kamen immer wieder mal auf, doch erst mit der Personalie Schwecke wurde es jetzt zu einem handfesten Thema. Es soll bei Dang und Bertelsmann-Chef Thomas Rabe immer mal wieder geknirscht haben, doch er blieb trotz Meinungsverschiedenheiten. Sollte sich jedoch Dang Hoffnung auf die Position als Bertelsmann-Chef gemacht haben, so abwegig ist das nicht, dann wäre spätestens die Meldung vom 8. März 2024 für ihn von Bedeutung gewesen.

Im „FAS“-Interview kündigte Rabe an, dass er seinen Abgang erst nach Auslaufen seines Vertrags Ende 2026 plant. Ende 2026? Da ist Dang 59 Jahre alt. Keine Chance mehr auf diese mögliche Perspektive bei Bertelsmann. Dang und Rabe – das sind sowieso zwei Business-Typen mit unterschiedlichen Herangehensweisen. Dang war immer mehr der Typ Menschenfänger, der bisweilen versuchte, auch die unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Sendergruppen zusammenzuhalten. Bei den Screenforce Days wurde das oftmals deutlich. Rabe ist dagegen eher der harte Geschäftsmann, der alle relevanten KPIs im Kopf abrufbar hat. Und wenn man so will, dann passt ein Typ wie Schwecke vielleicht besser in das Rabe-Konzept.

Indessen kommt für ProSiebenSat.1 der Weggang von Schwecke in einer schwierigen Zeit, als gäbe es nicht schon genug Themen – Stichwort MFE. Am 30. April steht die mit Spannung erwartete Hauptversammlung an. Kein leichter Gang für Aufsichtsratschef Andreas Wiele, wie zu hören ist. Carsten Schwecke war ein wichtiger Vertrauensmann, er kam ja wie Wiele ebenso von Axel Springer. Womöglich wird Schwecke sogar bei der HV ein Thema.

Kommentar: dh

Foto: P7S1