Der „Spiegel“ ist jetzt auch ein bisschen wie „Focus“

Von der Vetriebsfront gab es in den vergangenen Tagen bereits positive Signale für die beiden deutschen Nachrichtenmagazine. Die Auflagen steigen durch die neue Erscheinung am Samstag. Doch die frühere Erscheinung hat offensichtlich auch einige inhaltliche Konsequenzen. Wenn Donnerstag bereits Redaktionsschluss ist, fallen scheinbar einige wichtige Themen unter den Tisch. Und so konnte etwa wie zuletzt der Terroranschlag bei „Charlie Hebdo“ oder das Anleihekaufprogramm der EZB nicht mehr ausreichend in den Blättern gewürdigt werden. Auch die Tsipras-Titelgeschichte vom „Spiegel“ am Samstag nach der Wahl am Sonntag davor wirkte nicht mehr ganz so taufrisch. Diese redaktionellen Kalamitäten waren ja unter anderem der Grund, warum etwa die „Wirtschaftwoche“ vor wenigen Jahren auf Montags-Erscheinung umstellte. „Es gibt natürlich diese Problematik, dass wir Freitag nichts mehr mitnehmen können. Das ist eine journalistische Herausforderung“, gibt der geschäftsführende „Spiegel“-Redakteur Rüdiger Ditz gegenüber Clap unumwunden zu. „Aber wir sind sehr zuversichtlich, dass wir an der grundsätzlichen Heftmischung des Blatts nichts ändern müssen.“

Diesen Eindruck machte der „Spiegel“ am vergangenen Samstag aber gerade nicht. Top-Journalisten wie Ralf-Dieter Brunowsky oder Roland Tichy ärgerten sich deshalb über die „Spiegel“-Titelgeschichte „Wohin mit dem Geld“. Das Nutzwert-Thema war tatsächlich noch im November 2014 auch unter der Überschrift „Hier gibts Rendite“ Titel beim „Focus“. Und bereits im vergangenen Jahr probierte sich der Spiegel über ein Gesundheitsthema mit einem Service-Titel. Noch unter Chefredakteur Georg Mascolo, der sehr oft das spannendste Nachrichtenthema der Woche zum Titel machte, wäre das nicht denkbar gewesen. Für den „Focus“ muss sich hingegen nicht so viel ändern. Unter der Ägide des neuen Chefredakteurs Ulrich Reitz wurde die Hatz auf aktuelle Nachrichtenthemen längst abgeblasen. Die Nutzwertgeschichten sind ja ohnehin eine Domäne des Hefts.

Die beiden Hefte werden wohl am Kiosk künftig nutzwertiger aussehen. Tatsächlich liegen sie seit einigen Wochen dank einer Vertriebskooperation an bestimmten Bahnhöfen und Tankstellen einträchtig nebeneinander.

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(Daniel Häuser) Foto: Verlage, Daniel Häuser