Mit Frau Krawuttke an der Theke (Interview mit Reinhold G. Hubert)

Wie jetzt bekannt wurde, gibt Reinhold G. Hubert seinen Posten bei Burda in Offenburg ab. Wer ist der Mann, der vielen als „armer Hubert“ gilt? Irrtümlicher Weise übrigens, wie der sympathisch Grundentspannte beim Clap-Clubgespräch (aus Ausgabe 44) zu erklären wusste. Unprätentiös und mit Lausbuben-Charme verriet er darin außerdem, warum er kein Problem mit der Provinz und längeren Autofahrten hat. Und wer für ihn die spannendste Medienmanagerin der Republik ist.

Warum sind Sie genau genommen eigentlich der „Reiche Hubert“?
Als reich würde ich mich bezeichnen, weil ich mit einer tollen Familie gesegnet bin und fantastische Freunde habe. Und ich freue mich morgens, ins Geschäft gehen zu können, mich wohlzufühlen und Spaß zu haben. Wer kann das schon von sich behaupten?

Vielleicht sind Sie aber auch deswegen reicher, weil sie in Offenburg seltener in den Fokus geraten, wenn bei Burda Sparmaßnahmen anstehen.
Der Weg nach München führt ja über die Schwaben. Und von den Schwaben lernen heißt Sparen lernen (lacht). In Offenburg machen wir Zeitschriften, die sehr stark von den Konsumenten leben. Insofern gibt es bei uns andere Gegebenheiten.

In welchen Momenten ist es besonders angenehm, weit außerhalb der deutschen Medienzentren Hamburg, München oder Köln zu arbeiten?
Ich bin gern in Zentren – und auch gern wieder zurück. Für mich ist es ein Wechselspiel, und das macht auch die Faszination meines Berufs aus. Ich hab kein Problem mit der Provinz. Mit Frau Krawuttke an der Theke zu stehen und über Alltäglichkeiten zu reden, kann ganz hilfreich sein. So versteht man, welche Leute eigentlich unsere Zeitschriften kaufen. Diese Gruppe an Menschen zu begreifen ist das, was mich am meisten interessiert und fasziniert. Die Zeitschriften, die ich entwickelt habe, bei denen habe ich mir immer einen Menschen darunter vorgestellt, der diese Zeitschrift auch kaufen sollte.

Gibt es Vorteile, von Offenburg aus so manches Gefecht nicht mitführen zu müssen?
Das Thema Standort ist out. Outer gehts überhaupt nicht.

Ganz so egal ist es sicher nicht. Aber bei Ihnen funktioniert ja auch der Aufzug – im Gegensatz zur Münchner Arabellastraße.
Das wird oft unterschätzt. Sie finden Bedingungen bei uns im Schwarzwald vor, die vieles ermöglichen. Freiburg und Karlsruhe sind ja von Offenburg nicht so weit entfernt. So viele junge Menschen gibt es dort wie in jeder Metropole auch. Da hat sich eine große IT-Industrie entwickelt, zudem nah an der Universität.

Ein Nachteil an Offenburg ist allerdings, dass es ein Problem gibt, wenn der Helikopter mal ausfällt.
Helikopter fliegen ist ein Luxus, den ich auch heute nicht hatte, weil ich mit dem Auto nach München gefahren bin.

Wie haben Sie sich die Autofahrt denn gestaltet: die Memoiren von Hubert Burda als Hörbuch genossen?
Nein, den Hubert Burda kenn ich ja gut genug. Aber manchmal habe ich schon ein Hörbuch dabei. Ich habe ein Auto mit allen möglichen Extras wie Abstandswarner, da kann ich auch mal vor mich hinträumen ohne Beschallung. Und da habe ich dann die eine oder andere gute Idee. Aber auch zu Sachen, die mit dem Beruf nichts zu tun haben. Ich male sehr gerne. Ölmalerei ist eines meiner Hobbys. Als mein Vater starb, habe ich angefangen zu malen. Das Bild habe ich damals schnell an die Wand gepinselt.

In einer Guerilla-Aktion könnte man also mal schnell ein Bild von Ihnen in Offenburg aufhängen, ohne dass es einer merkt. So im Austausch gegen die ganzen Warhols.
Das würde da nicht hinpassen.

Treffen Sie den Verleger eigentlich öfter in München oder Offenburg?
Eigentlich öfter in Offenburg. Wenn ich in München bin, weiß er es oft gar nicht.

Das heißt, Sie konnten mit ihm noch nicht über die Situation beim „Spiegel“ sprechen.
Nein, da würde ich auch ungern mit ihm darüber sprechen. Beim „Stern“ war die Doppelspitze jahrelang ja ganz stabil und alles ganz okay. Aber ganz okay reicht beim „Spiegel“ offenbar nicht.

Endlich ist mal nicht immer der „Focus“ im Interesse der Medienfachpresse. Das ist doch auch ganz okay, oder?
Ach, das ist doch nicht wirklich von gesellschaftlichem Belang. Man sollte das nicht überstrapazieren und überschätzen. Man sollte sich überlegen, wie viel Kraft ein „Spiegel“ noch entfalten kann, und das Gleiche gilt auch für den „Focus“.

Sie sind doch immer offen für verrückte Ideen. Wie wär’s mal mit einer ausgefallenen Zeitschrift, die sich nur mit Internet und Rätseln beschäftig? Oder mit Politik und Kochen.
„Internet und Rätsel“ ist ein geiles Thema. Ich glaube, jedes Servicethema funktioniert mit Internet. Alle großen Verlags-Internet-Portale brauchen Print, wenn sie überleben wollen. Dazu braucht es nicht etwa General-Interest-Zeitschriften. Das ist eher vorbei. Sondern hochspezialisierte Zeitschriften, die sich mit einer Internet-Community verbinden.

Wie sieht Ihre Community aus – womit unterhalten Sie sich persönlich?
Keith Richards war die erste Biografie, die ich elektronisch und zeitgleich auch als Buch gelesen habe. Wenn ich ein belletristisches Buch lese, finde ich die Haptik immer noch doller. Krimis lese ich in der Badewanne sehr gern. Wenn das nass wird, ist es nicht weiter dramatisch.

Reinhold G Hubert 2Apropos Keith Richards: Wann waren Sie das letzte Mal auf einem Stones-Konzert?
Als die Stones in München waren, bei der damaligen Abschiedstournee. War aber auch irgendwie ernüchternd, weil die Besucher fast ausnahmslos in meinem Alter waren.

Als Rock ’n’ Roller müsste Ihnen die Branche doch viel zu langweilig vorkommen.
Ja, sie braucht sicher mehr Rock ’n’ Roll. Sie beschäftigt sich viel zu sehr mit sich selber als mit dem Käufer. Denken Sie mal dran, als Böhme noch Chefredakteur beim „Spiegel“ war, was da alles aufgedeckt wurde. Wenn man sieht, was Twitter weltweit bewegt, da sind wir als Printleute einfach hinterher. Man kann darüber schreiben, aber wir sind nicht mehr die initiierende Kraft. Wir müssen schauen, dass Print bleibender ist. Wenn der „Stern“ heute die Hitler-Tagebücher veröffentlicht hätte, würde er das nicht überleben.

Da haben Sie es in Offenburg mit Ihren Wohn- und Gartenzeitschriften aber auch einfacher.
Erklären Sie mal einer Hausfrau, dass die Spargelsaison vor der Tür steht. Wissen Sie, was ich meine? Es ist gar nicht so einfach, diese Art von Aktualität zu verkaufen.

Sie können das natürlich souveräner sagen, weil vielleicht in Offenburg nicht so ein Online-Druck gemacht wird wie in München. Eine große Zusammenarbeit mit Tomorrow Focus haben Sie ja nicht.
Klar, wir haben in Offenburg auch Websites gebastelt, die niemand lesen wollte. Wir haben früh gelernt, dass wir in eine starke Kommunikation mit dem Kunden gehen müssen. Weil wir ein funktionierendes Geschäftsmodell haben möchten. Wir haben sehr früh begonnen, Bilder der Leser abzudrucken, um authentischer zu sein. Sehen Sie: Unsere Gesellschaft ist keine generalistische mehr. Ich wette, die wirtschaftlichen Gegebenheiten zwingen Verlage leider dazu, noch mehr Zeitschriften einstellen zu müssen.

Wäre eine Politikerkarriere à la Bernd Buchholz nicht etwas für Sie?
Ich möchte keine öffentliche Person sein. Das ist mir zuwider. Das entspricht nicht meinem Naturell. Ich habe aber Respekt vor Menschen, die das tun. Ich möchte gern Dinge initiieren. Ein Thema, das mich derzeit umtreibt, ist Ausbildung. Wenn ein Land seinen Kindern keine Perspektive mehr bieten kann, dann ist das ganz schrecklich. Was wäre passiert, wenn ich mich nicht hätte weiterbilden können? Da muss etwas getan werden. Die Burda-Journalistenschule wollen wir demnächst mit einem Master-Studium verbinden.

Sie sind also eher der Strippenzieher?
Ich arbeite gern daran, dass bestimmte Prozesse funktionieren. Welche genau? Das Thema „Home-Office“ wird in den Redaktionen eine immer größere Rolle spielen. Wir haben bereits zwei Redaktionen, die von zu Hause aus arbeiten. Hierarchien werden so verschwinden und durch Netzstrukturen ersetzt.

Stellen Sie sich vor, Sie gewinnen ein Abendessen mit einer Medienfrau: Angelika Jahr, Yvonne Bauer, Franziska Augstein und Julia Jäkel – wen nehmen Sie?
Die Gesamtgruppe! Die für mich spannendste Frau ist aber Patricia Riekel. Mit der würde ich immer was essen gehen.

(Bulo/Daniel Häuser) Fotos: Alexander von Spreti