Bily wundert sich: „Spiegel Daily“ – Morgen ist heute schon gestern

Thomas Bily, der Vorstand der Social Media-Plattform Wize.Life, hat für Clap Online wieder in die Tasten gegriffen. Als ehemaliger Manager in der deutschen Printmedienlandschaft (Burda, Gruner + Jahr) robbt er sich durch den digitalen Wandel und stolpert manchmal über Seltsamkeiten in seiner alten und neuen Branche.
 
Spiegel Daily soll nur 3.000 Abos generiert haben und man sei enttäuscht im Verlag. Damit reiht man sich ein in die Gefühlslage aller anderen Verlagshäuser, die probieren, Geld für eine digitalisierte Version ihres Print-Produktes zu verlangen. Mehr als ein paar Tausend Digitalabos schaffen die allerwenigsten. Geld damit zu verdienen, ist sehr, sehr schwierig. Erst recht, wenn man – wie Spiegel Daily – extra Mitarbeiter dafür eingestellt haben will. Gehen wir davon aus, dass die Hamburger Kaufleute auf die Kosten achten und eine bestehende Mannschaft für die Daily Aufgabe einspannen. Aber selbst dann winkt kein großes Geschäft – mit 3.000 Abos. Denn diese Zahl wird sicher nicht explodieren, ganz einfach weil es keinen Grund gibt, für derartige Angebote zu bezahlen.
 
Daily klingt ja erstmal schnell. Gemessen an alten Maßstäben. Gemessen an Internet-Maßstäben ist ein Tag eine kleine Ewigkeit. Was morgen zu heutigen Ereignissen erscheint, mutet gestrig an. Heute rufen wir Informationen in Echtzeit ab an jedem Ort dieser Welt (außer in Bayern, wo von der Staatsregierung noch flächendeckende Funklöcher vorgehalten werden). Früher zahlte man 2 Euro für eine Tageszeitung, obwohl man nur am Sport- und Lokalteil interessiert war. Feuilleton und Wirtschaftsteil musste man mitkaufen. Heute muss man nicht einmal mehr den ganzen Sportteil nehmen, sondern kann sich genau die Einzelteile zusammen klicken, die man haben will. Wir erleben eine Beschleunigung und Atomisierung der Mediennutzung auf Nutzerseite. Was die Frage aufwirft, warum ein Verlag sich von einem langsamen Bündelprodukt – wie Spiegel Daily – Erfolg verspricht?
 
Aus Nutzersicht wäre es viel wünschenswerter, wenn das meist zitierte Medium Deutschlands (Der Spiegel) seine Unverzichtbarkeit durch noch höhere Geschwindigkeit und Flexibilität untermauern würde. Das beste Nachrichten-Medium muss auch das schnellste sein – zu jeder Tageszeit auf allen Kanälen zu den relevanten Themen. Das Tempo wird vom Netz vorgegeben und nicht durch eine vom Verlagsmanagement ausgeklügelte Erscheinungsweise. Über Relevanz entscheiden immer mehr die Nutzer und immer weniger journalistisches Sendungsbewusstsein. 
 
Wer es langsamer mag, kann durchaus mit entschleunigten Themen erfolgreich sein – wie Beef, Brand Eins, Emotion oder Spiegel Geschichte zeigen. Grillrezepte und Weltgeschichte ändern sich selten über Nacht.