Viele sehen in ihr bloß das blonde Luxusweibchen, eine typische Erscheinung der Münchner Schickeria, auf Du und Du mit den Schönsten und Reichsten. Und Waltraut von Mengden gab sich nie allzu große Mühe, dieses Bild zu korrigieren. Weil’s ihr wurscht war, wie die MVG-Chefin gegenüber Clap erklärt. Jetzt steigt die Grande Dame gedruckter Product-Placements aus. Es gibt Wichtigeres als den medialen Konsum-Imperativ. Auch in von Mengdens Leben.
Ein frischer Morgen im Mai. Bald schon wird sich der Tiefnebel verziehen, der gerade noch schwer über dem Wasser hängt, und den Blick freigeben auf Roseninsel und Zugspitz-Panorama. Dem Starnberger See steht ein neuer Frühsommertag bevor. Am Ufer tauchen ein paar Höckerschwäne nach Algen, gelegentlich federt ein Jogger über die Promenade. Waltraut von Mengden hat sich eingepackt, auf ihrer Liege. Die Beine lang ausgestreckt, die Augen für einen Moment geschlossen, nippt sie versonnen an ihrem Café au Lait. Mehr Frieden war nie.
So oder ähnlich könnten die Tage für die scheidende Chefin des MVG-Verlags und der Bauer Advertising beginnen, wenn sie Ende April ihren aktiven Dienst quittiert haben wird. Mit von Mengden tritt einer der bekanntesten Köpfe des Medien-Glamours ab. Knapp zwei Jahrzehnte hat sie der MVG („Cosmopolitan“, „Joy“, „Shape“) treu gedient, die Firma maßgeblich mitgestaltet – von Mengden war die Inkarnation des Hochglanz-Printsegments. Ihr Wirken sieht sie als ein „Gesamtkunstwerk“, „und dieses Kunstwerk ist jetzt vollendet“. Zeit, zu gehen.
Für viele Journalisten vom Fach war dieser Schritt absehbar, nachdem sich der Bauer-Verlag vor einem Jahr die MVG einverleibt hatte. Folglich hagelte es schon kurz nach Verkündung der Personalie süffisante Kommentare, es sei ja klar gewesen, dass die jeder Überflüssigkeit überdrüssigen Bauers und die standesbewusste von Mengden nicht füreinander bestimmt gewesen seien. Mit dem aus Sparsamkeit beschlossenen Umzug der Münchner MVG vom vornehmen Bogenhausen ins Assi-Viertel Neuperlach sei das Maß für Madame voll gewesen.
Urlaub auf den Malediven
Über diese Interpretation kann sich von Mengden auch heute noch königlich amüsieren: „Das ist natürlich Unsinn, ich wäre doch genauso nach Neuperlach gegangen, mir ist das wurscht.“ Sie sei „immer sehr auf das Lametta reduziert“ worden, sagt von Mengden. Getroffen habe sie das nie, eher erleichtert: „Ich finde es ganz praktisch, wenn einen die Leute in eine Schublade stecken und alles andere, was einen sonst noch ausmacht, versteckt bleibt.“ Es sei schön, nicht wirklich gekannt zu werden und hinter einem Klischee sein eigenes Leben leben zu dürfen.
Natürlich fährt sie – noch – einen Porsche Cayenne als Firmenwagen. Und ja, von Mengden war im Urlaub Ende letzten Jahres auf den Malediven. Wie sie dann auch noch beim MVG-eigenen „Prix de Beauté“ – von den Medien zum „Oscar“ der Kosmetikbranche hochgejazzt – in ihrer Gastgeberrolle aufgeht, die ihr wie auf den Leib geschneidert scheint. Doch es sind Indizien, die in die Irre führen: Von Mengden ist kein hedonistisches Luxusweibchen. Wer sie näher kennt, beschreibt sie als geerdet, sozial engagiert und von ansteckender Fröhlichkeit.
Als Mitglied eines westfälischen Landadels wuchs die gebürtige Münchnerin als eines von vier Kindern auf, mit einer älteren Schwester und zwischen zwei Brüdern. Bald wurde sie der Liebling des Vaters. Von früh an mühten sich beide Elternteile, die schöngeistigen Sinne ihrer Sprösslinge zu schärfen. Daher mag von Mengdens Talent für die Inszenierung von Luxus rühren. Musisch begabt war sie zudem, spielte Gitarre und Akkordeon. Mit der Zeit verloren sich diese Fertigkeiten; dafür hat von Mengden die Malerei für sich entdeckt.
Ihre Werke in Öl sind von den Meistern der Moderne inspiriert, die sie verehrt: Picasso, Cy Twombly, Yves Klein. Doch nicht eine bedeutende Musikerin oder Malerin ist der Welt verloren gegangen, sondern eine große Sportlerin: Ums Haar wäre aus Waltraut von Mengden ein Schwimmstar geworden. Sie sei damals zum Spaß in einen Klub eingetreten und wurde quasi aus dem Stand Vereinsmeisterin. Ihre Königsdisziplin, Schmetterling (damals noch als „Delfin“ bezeichnet), brachte von Mengden schließlich die nordbayerische Meisterschaft ein.
Der sportliche Aufstieg schien unaufhaltsam. Bis die junge, vom freizeit- wie kraftraubenden Leistungsschwimmen ausgezehrte Waltraut selbst das Wassermärchen beendete. Letztlich gab dafür den Ausschlag, dass ihre Trainerin wechselte. „Ich habe dann entschieden, dass ich das jetzt nicht mehr mache.“ Es war in der Phase der Abnabelung von den Eltern, in der Letztere „so manches Mal die Augen gerollt und mich trotzdem haben machen lassen“. Und ihr damit ermöglichten, erwachsen zu werden, Entscheidungen für sich selbst zu treffen.
So mit Mitte 20 hatte von Mengden das erste Mal das Gefühl, auf eigenen Beinen zu stehen. Sie ging damals von München weg nach Köln. „Es war ein tolles Gefühl, in eine Stadt zu kommen, in der mich keiner kannte.“ Eigentlich hatte sie nie wieder nach München zurückgewollt, bekennt von Mengden heute und lacht dabei laut auf. Doch es rief BMW, und der Job führte sie zurück in ihre Heimatstadt. Dort reihte sich in der Folge ein Engagement ans andere, von Mengden blieb beruflich in München hängen.
Die übliche Manager-Arithmetik
Privat lebt sie in Starnberg. Dort wird sie künftig, nach ihrem selbst gewählten Ausstieg aus dem Medienzirkus, wieder mehr Zeit verbringen. Sie habe „auf meine innere Stimme gehört, ich weiß einfach, dass es richtig ist, jetzt etwas Neues zu machen“. Freude und Neugier auf dieses andere Leben – abseits aller alten Hochgeschwindigkeitstrassen – sind ihr körperlich anzumerken. In welche Richtung sie sich beruflich orientieren wird, lässt von Mengden offen. Beratend bleibt sie Bauer vorerst ja erhalten – so sieht es die übliche Manager-Arithmetik vor. „Erst einmal gebe ich mir eine inspirierende Auszeit.“ Nun darf man getrost bezweifeln, dass die Frau, die auf der Skipiste, auf der Straße und im Job den Temporausch liebt, einfach auf null runterbremst. Ob ihr nicht bald die Decke auf den Kopf fallen werde, wenn sie fürderhin vor allem zu Hause rumhockt? „Ich glaub, da haben alle Menschen um mich herum Bammel vor – außer mir.“ Und dann lacht von Mengden so laut auf, als wolle sie alle Befürchtungen wegblasen. Ein Stück weit mag sie ihr neues Leben als spannendes Experiment betrachten.
Einschnitt in der Familie
Langweilen jedenfalls werde sie sich nicht, „das habe ich noch nie getan“. Ihr Mann und sie hätten so viele gemeinsame Inter-essen, dass sie manchmal nicht wüssten, was sie zuerst tun sollten, sagt von Mengden. Endlich habe sie auch wieder die Zeit und Muße, sich mehr um ihren Vater zu kümmern. Und ihr soziales Engagement will sie ausbauen. Über diesen Punkt mag von Mengden am liebsten keine Worte verlieren. Es war ein Einschnitt in der Familie, die Demenzerkrankung ihrer inzwischen verstorbenen Mutter, der ihr die Augen öffnete. Damals bekam von Mengden hautnah mit, unter welchen Bedingungen die Kräfte im Heim arbeiten müssen. „Diese Menschen verdienen so schlecht, und dabei verrichten sie eine so brutal schwere Arbeit. Sie brauchen viel mehr Unterstützung, da möchte ich helfen.“ Parallel will sich von Mengden noch mehr an Schulen engagieren. Ehrenamt statt Exklusivität – das ist die eher unbekannte Seite der Waltraut von Mengden. „Mir ist egal, was die Leute über mich denken. Mich treibt auch nicht die Sehnsucht, für alles, was ich tue, geliebt zu werden.“ Sie sei zwar bis zu einem gewissen Grad harmoniebedürftig, bekennt die scheidende MVG-Architektin, „aber ich bin auch sehr unerschrocken“.
Und wenn sich von Mengden dann mal eine Sache in den Kopf gesetzt hat, dann muss auch alles schnell gehen und effizient ablaufen. Dann ist die Entscheidung gefallen, ohne Hintertürchen und Rückfahrkarte. So wie jetzt bei ihrem Ausstieg, dessen Tragweite ihr erst allmählich richtig bewusst zu werden scheint. In einem stillen Moment lässt sie die wahren Beweggründe dafür durchblicken. Sie wisse einfach, dass es bei der MVG „jetzt anders ist, es ist eine ganz andere Welt. Die Welt hat sich verändert, und deshalb ist es auch so wichtig, dass sich die MVG verändert“. Aber eben, bitte schön, ohne sie; von Mengden will ihre eigene Schöpfung bewahren, indem sie anderen Platz macht. Mögen die ein neues Kunstwerk beginnen, in einer Zeit voller Unwägbarkeiten. Sie selbst ist mit sich ganz im Reinen. „Ich bin glücklich, künftig ein anderes Leben haben zu dürfen.“ Klingt nach Befreiung – auch vom Lametta.
(Bijan Peymani) Fotos: Jens Bruchhaus / Michael Ingenweyen