„Twitter down“ – Warum Medien immer übertreiben müssen

Das war eine harte Woche für den Kurznachrichtendienst. „Geht Twitter die Puste aus?“, fragte das „Handelsblatt“. „Twitter hat fast alles verspielt“, schrieb empört die „Frankurter Allgemeine Zeitung“. „Twitter ist nicht Facebook: darum verdient man mit zwitschern kein Geld“ wusste gar der Schweizer „Blick“ zu berichten. Grund für den medialen Verhau waren die vorgelegten Quartalszahlen. Die waren in der Tat alles andere als berauschend, beileibe aber waren sie nicht so desaströs wie die knapp 200 bei Google News nachzulesenden Berichte vermuten lassen. Sondereffekte wie etwa die durch den Börsengang verursachten Extra-Kosten herausgerechnet lassen eine intakte Wachstumsstory immer noch vermuten.

Vermutlich aber wird die aufgeschreckte negative Haltung gar nicht so lange andauern. Es ist ein oft festzustellender Effekt: Angesteckt durch etliche Analystenkommentare lassen sich viele Journalisten hinreißen zu Übertreibungen. Die Welt der Analysten passt aber mit der journalistischen nicht immer so gut zusammen. Getrieben von einer kurzfristigen Stimmung versuchen sie verzweifelt einen allgemeinen Trend herauszulesen. Der Analyst hats ja auch gesagt. Ähnlich war das vor etlichen Quartalen nach dem Facebook-Börsengang auch zu beobachten. Immense Kosten durch den Gang an die Wall Street, hohe Kosten für Mitarbeter-Aktien, Zweifel an der Facebook-Display-Werbung, Herabstufungen. Schon nach einem enttäuschenden Quartal wollten viele dem Geschäftsmodell keine Chance mehr geben. Mittlerweile aber ist diese Negativ-Stimmung schon wieder ins euphorische gekippt.

So manches Medium, dass Twitter gerade so schrecklich findet, hat selbst bereits viel in Twitter investiert und wird es auch weiterhin tun. So hat dort die FAZ über 30 Accounts  zu den unterschiedlichsten Themenbereichen. Ebenso aktiv ist das Handelsblatt. Über 13000 Tweets stehen rund 120000 Follower gegenüber. Und sogar die Schweizer haben beim Blick alle möglichen Varianten ihres Zeitungsnamens bei Twitter angelegt. Egal wohin man also blickt, ohne den Dienst mit den kurzen Meldungen scheint es nicht mehr zu gehen. Es ist also fast so, als ob man mit den Berichten einen Teil des eigenen Geschäftsmodells infrage stellt.

(Daniel Häuser) Foto: Unternehmen