Samwer geht wie Bolle

Alexander von Spreti macht seit Jahren die wichtigsten und schönsten Bilder für das Clap-Magazin. Der erfahrungsreiche Leica-Fan schreibt exklusiv für Clap über seinen Ärger mit Agenturen und Unternehmen und warum er das Blitzlichtgewitter an Fotowänden vermeidet.

Kurz vor dem Börsengang von Rocket Internet war keine andere Person im Fotogeschäft so nachgefragt wie Oliver Samwer, der Chef des sagenumwobenen Internet-Inkubators. Nur war von dem öffentlichkeitsscheuen Internet-Checker so gut wie kein Bildmaterial verfügbar. Mir war das anfangs gar nicht so klar, bis ich zufällig eine Reportage des ZDF-Investigativ- Magazins „Frontal 21“ sah. Plötzlich flimmerten für mich und Hunderttausende TV-Zuschauer meine Fotos, die ich vor Jahren von ihm machte, über die Mattscheibe. Wohl auch mangels Alternativen. Meine Agentur hatte mich jedenfalls darüber nicht in Kenntnis gesetzt. Ich laufe der Honorierung für diese Fotos bis heute hinterher. Das nur am Rande.

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Nicht nur beim Mainzer Sender waren meine Samwer-Bilder auf einmal gefragt. Jeder wollte sie plötzlich haben. Eigentlich erfreulich, reich wird ein Fotograf dadurch nicht. Kurz darauf kam auch bei Spiegel Online eine Samwer-Story, mein Foto zierte eine Geschichte als Aufmacher für die Website und verschwand am kommenden Tag in das Wirtschaftsressort. Genau 16 Euro war die Summe für diese Veröffentlichung. Zum Verständnis der Honorierung von Fotos sollte ich erläutern, wie die üblichen Abrechnungsmodi sind. Der Spiegel-Verlag bezahlt beispielsweise ganze 32 Euro für die Veröffentlichung an die Agentur, die nimmt sich 50 Prozent des Honorars für ihre Bemühungen und überweist dem Urheber 16 Euro.

In den folgenden Wochen liefen meine Samwer-Fotos immer noch gut. Mit unguten Begleiterscheinungen. Eine Managerschule in München griff wie etliche andere auf das Oliver-Samwer- Foto zurück, ohne mich oder die Agentur zu informieren und das nötige Honorar zu zahlen. Ein Rechtsanwalt musste her, er kümmert sich jetzt um die Angelegenheit, nachdem auf meinen Anruf zwar das Foto von der Website verschwand, aber die Einsichtigkeit zu einer Honorarzahlung eher gering war. Klar, es ist „nur“ Zweitverwertung, aber für gute Bilder sollte es doch eigentlich auch gutes Geld geben. Gibt es aber nicht.

Obwohl einige Veröffentlichungen auf den Society-Seiten meinem Konto nicht schlecht täten. Hatte doch die letzte Abrechnung meiner Bildagentur einen Posten aus England enthalten mit sage und schreibe 1,50 Euro für eine Veröffentlichung aus meiner Iran-Reportage. Allein für das Visum hatte ich einen Tag in einem stickigen Raum in der Berliner Botschaft verbracht und dann sechs Monate auf die Zuteilung des Visums gewartet. Was die gesamte Belegschaft der Botschaft an Ignoranz an den Tag legte, wurde durch die Gastfreundlichkeit des iranischen Volkes wieder aufgewogen. Mein Visum gestattete mir leider nur einen 14-tägigen Aufenthalt, in einem wundervollen Land mit einer sehr gastfreundlichen Bevölkerung. Bei uns verbreitete Medienberichte über dieses Land und seine Menschen decken sich nicht mit der Realität, zum Glück.

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Ein italienisches Medium bezahlte mir beispielsweise ganze 24 Cent für ein abgedrucktes Bild aus Carrara. Dabei war die Reportage nicht so trivial: Vor vier Jahren war ich zwei Wochen lang in den Apuanischen Alpen. Das Wetter pendelte zwischen Schnee und Regen, die Temperaturen lagen bei zwei bis acht Grad. Schneematsch und Regen verwandelten den Marmorstaub des Marmorbodens im Abbaugebiet in eine Rutschbahn. Kein gutes Gefühl, wenn die Abbruchkante zwei Meter entfernt ist und dahinter 100 Meter Tiefe gähnen. Die Abende und die Nächte verbrachte ich im Fond meines Autos im Schlafsack. Das ist der Teil des Berufs, den ich wirklich liebe. Ich bin der Meinung, Fotograf und Auftraggeber sollten eine Einheit sein. Die Regie sich teilen, das gibt meist ein gutes Ergebnis.

Von Zeit zu Zeit gerät diese Einheit aus dem Gleichgewicht, selbst bei Auftraggebern, die man lange kennt. Ich kenne meine Kunden und überhöre gelegentlich Bitten oder Anweisungen, um das Gleichgewicht zu wahren. Mit dem Satz „Hast du den Kopf auch drauf?“ gerät meine Fotowelt allerdings ins Wanken. Diskussionen darüber verschiebe ich für die Zeit nach dem Termin. So ein Gleichgewicht ist auf den roten Teppichen dieser Welt allerdings nie zu erreichen. Da stellt der Kollege mir zum dritten Mal sein Stativ auf meine Zehen, den Ellbogen des Fotografen links von mir in der Rippe spüre ich nicht mehr.

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Ich versuche eine Lücke durch die Kollegen vor mir für das Objektiv zu finden. Es wird geschoben, gedrängt, die Platzhirsche in der vorderen Reihe bekommmen das nicht mit. Die Medienmanager, Sternchen und A-, B- und C-Promis mit dem Rücken zur Sponsorenwand ahnen nicht mal, was sich vor ihnen abspielt. Sie sind beschäftigt, ihre beste Seite den Kameras zu zeigen. Brav folgen sie den gebrüllten Anweisungen: Sieh zu mir, Uschi; Peter, küss doch mal die Clara. Wer hier nicht abgebildet wird, ist nicht existent im Mediengeschäft. Ein Kollege schafft es, mein Blitzgerät so geschickt mit dem Arm zu verdecken, dass der Blitz seine Wirkung verfehlt und ein wundervolles Schattenrissbild vor der Sponsorenwand entsteht. Merken werde ich es, nachdem der Moderatorenstar die Sponsorenwand verlassen hat. Mir reichts, das sind nun wirklich nicht meine Termine.

(Alexander von Spreti) Fotos: Alexander von Spreti, Daniel Häuser, Bulo