Kommentar: Bundesliga nicht mehr um jeden Preis

Heute startet der Spielbetrieb in der 2. Bundesliga. Den Vereinen in den hohen Spielklassen geht es mehrheitlich gut. Doch die Medienunternehmen, die Fußball zeigen, ächzen zunehmend wegen der hohen Belastungen durch die Lizenzkosten. Die Stimmung ist angeschlagen. Ex-Sky Sport News-Chef Dirk Grosse, heute bei der Fußball-Agentur Vida11, sieht die Lage nach dem Discovery/Dazn-Deal in der letzten Woche kritisch.

„Die Fußball Bundesliga rechnet sich nicht. Sie hat sich wohl noch nie gerechnet. Diesen Beweis hat nun auch Eurosport geliefert. In der Mitte einer Rechteperiode „die Reißleine zu ziehen“ und das kostbare Live-Paket mit 45 Spielen pro Saison an einen Konkurrenten weiterzugeben, das macht man nicht einfach aus einer schlechten Laune heraus.

Das Produkt Bundesliga war für Eurosport offenbar unrentabel. Auch wenn Alberto Horta, der stellvertretende Geschäftsführer von Discovery Deutschland, dieser Vermutung in einem Interview mit der FAZ widersprach. Die Symbolkraft der Entscheidung wird die TV-Branche und die Bundesliga treffen: Livespiele im Fernsehen/im Stream hat man sicher immer noch sehr gerne, aber eben nicht mehr zu jedem Preis.

Den bezahlte vor allem Sky, größter Finanzier der Deutschen Fußball-Liga (DFL), jahrzehntelang fast immer. Der Pay-TV-Sender hat die Bundesligavereine zu umsatzstarken Kapitalgesellschaften gemacht, teilweise blieben dabei sogar Gewinne für das Medienunternehmen. Doch in wahrscheinlich 27 oder 28 von 30 Jahren schrieb Sky Verluste.

Bei derzeit durchschnittlich 876 Millionen Euro Rechtekosten pro Jahr darf das niemanden erstaunen. Selbst mit rund 5,2 Millionen Abonnenten, wovon nicht alle das Bundesliga-Paket besitzen, konnte Sky seine Rechtekosten nicht gegenfinanzieren, und seit diverse Streamingdienste mit Angeboten von zehn Euro pro Monat im Markt sind, ist die Hoffnung auf einen Return on Invest erschüttert.

Die Kultur des deutschen Fernsehmarktes sowie das Nutzerverhalten sprechen derzeit nicht dafür, dass Fußball in absehbarer Zeit für Medienunternehmer ein erfolgreiches Geschäftsmodell sein wird und wenn Anbieter wie DAZN mit Dumpingpreisen aggressiv um Kunden werben, wird es für Sky nahezu unmöglich, eine dem Produkt und seinen Kosten angemessene Zahlungsbereitschaft bei den Fußballfans zu entwickeln. Das ging nur bei absoluter Exklusivität.

Doch diese Möglichkeit haben das Kartellamt und die FC Bayern München AG mit ihrem Vorstandsvorsitzenden Karlheinz Rummenigge bereits 2016 unterbunden. Das Wachstumsversprechen der DFL und der Kapitalhunger der Bundesligaklubs hat jedenfalls Medienunternehmen wie Sky und jetzt Eurosport in die Bredouille gebracht. Das Kuriose dabei ist: Obwohl die Rechnung nicht aufgeht, wäre zum Beispiel Sky ohne Bundesliga-Rechte vielleicht gar nicht mehr lange am Markt.

Eurosport hat sich offensichtlich nun als erster aus dem Wettbewerb verabschiedet und schaut nur noch „mit großem Interesse“ auf die Ausschreibung, so Discovery Chefin Susanne Aigner-Drews. Sky wird in dem kommenden Bieterwettstreit mitmischen und spart bereits jetzt kräftig ein – an Personal und Inhalten, um schlagkräftig zu bleiben. Und DAZN? Das britische Unternehmen will die Bundesliga, aber „nicht um jeden Preis“, ließ Geschäftsführer Thomas de Buhr verlauten.

Ob das eine Finte ist, wird sich bald zeigen. Christian Seifert, der DFL-Geschäftsführer, wird sich mit Blick auf die nächste Rechte-Ausschreibung bemühen, Amazon von dem Wert der Bundesliga zu überzeugen. Für den amerikanischen Konzern wären die Rechtekosten kein finanzielles Problem bei einem Gewinn von zehn Milliarden Dollar in 2018. Aber Amazon wird nur vollumfänglich in das Bieterverfahren einsteigen, wenn der Rechtekauf ein Geschäft in Aussicht stellt. Bisher testet Amazon den Markt mit der Verwertung der Bundesliga Audio Streaming Rechte.

Vermutlich wird die Telekom wieder mitmischen wollen. Bei jeder Bieterrunde wurde das Telekommunikationsunternehmen aus Bonn bislang als Interessent genannt, ohne sich jemals in großem Stil eingelassen zu haben – andere bezahlten stets mehr.

Wer das Rennen für die neue Rechteperiode ab 2021 macht, das soll im Sommer 2020 feststehen. Die Zahlungen der laufenden Rechteperiode von Sky, ARD, ZDF, Sport1, Eurosport/DAZN,  RTL, Amazon an die Vereine liegen im Schnitt bei 1,16 Milliarden Euro pro Saison, und der Wunsch der DFL auf 1,5 Milliarden Euro zu kommen, ist vorhanden. Angesichts der Gesamtsituation ist es allerdings möglich, dass erstmals keine Steigerung erzielt wird oder sogar, dass die Einnahmen erstmals sinken im Vergleich.

Wie bestellt geistert gegenwärtig ein Gerücht durch die Etagen der Medienbetriebe:  Die DFL arbeite daran, die Bundesliga selbst zu zeigen. Die Bewegtbilder aus dem Stadion produziert sie ja bereits seit Jahren mit der Tochterfirma Sportcast selbst und distribuiert sie an alle Rechteinhaber. Warum also nicht alles in einer Hand belassen. 

Ein spannendes Szenario, allerdings wissen auch die DFL-Manager, dass sich die Rechtekosten bisher nicht refinanzieren ließen. Deshalb kann man jetzt schon sagen, dass die DFL vor einem sehr wegweisenden Match steht. Vom neuen Abschluss hängt maßgeblich die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Mannschaften in den europäischen Wettbewerben ab. Sollte die Bundesliga nicht mehr aus sich selbst heraus Wirtschaftskraft schöpfen, könnten sich vor allem die deutschen Spitzenklubs wieder vermehrt für Super-League-Modelle interessieren.“

Foto: Alexander von Spreti