Der Relotius-Film und der Wirecard-Thriller kommen zu spät

„Sagen wir mal so: Wenn ich nicht Chefredakteur des „Spiegel“ wäre, hätte ich noch herzlicher gelacht“, sagte Steffen Klusmann in dieser Woche im „Spiegel“-Interview anlässlich der kommenden Premiere des Films über den Relotius-Skandal. In dieser Angelegenheit hat der „Spiegel“-Chefredakteur tatsächlich gut lachen. Denn über die Fälscher-Affäre an der Ericusspitze spricht gerade niemand mehr.

Relotius – war da was? Der Skandal ist mittlerweile etliche Jahre her. Genauer gesagt war das schon 2018 und Klusmann wurde gerade neuer „Spiegel“-Chefredakteur, als die Fäschungen aufflogen. Der deutsche Kinostart war eigentlich auch schon viel früher angepeilt. Zunächst für den 22. Dezember 2021. Das wäre eigentlich auch schon spät gewesen, aber vielleicht noch nicht zu spät.

Jetzt gab es zwar immerhin eine Vorverlegung für die Premiere mit Hauptdarsteller Jonas Nay (im Foto) vom 27. Oktober auf den 29. September, was nun aber nicht mehr viel ausmachen wird. Gedreht wurde der Streifen schon im Jahr 2019 in München, Berlin, Hamburg und Spanien. Vor dem Ukraine-Krieg und der Corona-Krise wäre eine Veröffentlichung sicherlich nachvollziehbarer gewesen. Mittlerweile führt Klusmann allerdings seine Redaktion vergleichsweise skandalfrei durch die verschiedenen Krisen und Wahlen. Die Berichterstattung des „Spiegel“ ist kein Aufreger und die Menschen sprechen gerade über andere Themen.

Für Michael „Bully“ Herbig ist der Film jedoch eine heikle Angelegenheit. Denn mit einer anderen Medien-Satire („Zettl“) erlitt er vor einigen Jahren Schiffbruch. Der Film wurde von Kritikern unterschiedlichster Zeitungen fast durchgängig vernichtend kritisiert. Hauptkritikpunkt war dabei vor allem das überladene Drehbuch, bei dem der wahre Witz angeblich auf der Strecke geblieben war. Dieses wurde zwar von Regisseur Helmut Dietl mit Benjamin von Stuckrad-Barre verfasst. Die Titelrolle eines bayerischen Chauffeurs, der um jeden Preis Medienkarriere machen will aber spielte Bully Herbig. Im „Tausend Zeilen“-Film ist er jetzt nicht als Schauspieler zu sehen, dennoch wird das Ganze nun für ihn womöglich zu einer Art Bewährungsprobe.

Terminlich gesehen fast ähnlich ist die Lage bei dem neuen Netflix-Thriller mit dem reißerischen Titel „Skandal! Der Sturz von Wirecard“. Viel zu spät kommt der Streaming-Service damit ums Eck, denn mittlerweile sind so viele Dokumentation über das frühere Aschheimer Vorzeigeunternehmen gesendet worden, sodass der Zuschauer nun wirklich gute Gründe braucht, um sich auch noch diesen Release anzuschauen. Und weil diese auch nicht wirklich geliefert werden, tief in die Details des Falls geht der Film leider nicht, wird die Doku auch sehr schnell wieder in der Versenkung verschwinden. Fiktionale oder Non-Fiktionale Filme über aktuelle Geschehnisse brauchen eben ein gutes Timing. Schnelligkeit aber spielt sicherlich eine entscheidende Rolle.

Kommentar: (dh)

Foto: Warner Bros. Entertainment