Stimme weg – Lanz gibt stummes Interview

Mittlerweile ist Markus Lanz ja wieder fit. Aber vor rund einer Woche sah es noch komplett anders aus. Wegen einer Erkältung musste der ZDF-Talkmaster viele Termine absagen. Unter anderem auch die Marken Gala in Frankfurt am Main. Bei der Veranstaltung der Weimer Media Group sollte er eigentlich persönlich ausgezeichnet werden – als „Living Brand des Jahres 2022“. Doch kommen konnte er nicht. Auch weil er nicht gut bei Stimme war.

Un so wurde er in die Alte Oper per Video zugeschaltet und gab dem Verleger und Gala-Gastgeber Wolfram Weimer ein außergewöhnliches Interview. Da Lanz wohl tatsächlich komplett seine Stimmer verloren hatte, führte er mit Weimer den Dialog via Papptafeln, expressiver Gestik und Mimik. Auf die Frage, „Wären Sie eine Marke, welche wäre das?“, kritzelte Lanz als Antwort dann beispielsweise „Fiat 500“ auf ein Schild. Einiges war sicherlich im Vorfeld abgesprochen, denn auf die Frage, was Lanz eigentlich wähle, spielte Lanz den Wechselwähler der Mitte. Für die Antwort hatte er eine gelbe Banane, einen roten Apfel, ein schwarzes Lakritz und ein grünes Bonbon parat und zuckte jeweils mit den Schultern. Mit Blick auf 2025 und die Frage, wer denn wohl Deutschlands nächster Kanzler werde, antwortete Lanz zur Verblüffung des Publikums per Malstift „Scholz“, um dann stirnrunzelnd „Scholz ???“ nachzuschieben.

Verleger Wolfram Weimer hatte Lanz zuvor in seiner Laudatio als „erfolgreichsten Podcaster und Talkmaster zugleich“ gewürdigt – und das, obwohl er seine Sendung „zur miserabelsten Sendezeit rund um Mitternacht“ ausstrahlen würde. Weimer, der ja öfters in der Lanz-Show zu Gast ist, forderte das ZDF direkt auf, „Lanz endlich zur Prime Time auf Sendung“ zu nehmen. Das wäre „ein Dienst an der Debattenkultur Deutschlands und am Schlafbedürfnis Millionen politisch Interessierter“. In seiner Laudatio kamen von Weimer natürlich noch weitere lobende Worte. Er hob unteranderem die „herausragende Sprachmacht“ von Markus Lanz hervor: „Er schwebt mit der Präzision einer Südtiroler Drahtseilbahn dialogisch immer geschmeidig hinauf in die Sphären des böigen, manchmal stürmischen Meinungskampfes und der machtpolitischen Decouvrage als würde er Wolken der Erkenntnis aufreißen.“ Lanz führe seine Talkrunden „leidenschaftlich wie ein Süddeutscher, stringent wie ein Norddeutscher, kritisch wie ein Ostdeutscher und doch verbindlich wie ein Österreicher. So was kann nur ein Südtiroler.“

Weimer verwies darauf, dass die Lanz-Sendung von „kreativer Varianz“ geprägt sei. Lanz sei ein „Unberechenbarer im besten Sinne des Wortes“. Er verfüge über „eine seltene Ligatur des Suchenden, wo andere immer schon alles Gefunden zu haben glauben“. Diese „urwuchtige und urjournalistische Neugier“ führe dazu, dass „sein Erkenntnisfeld größer ist als andernorts, es geht ihm beim Politischen auch um das Komische und Tragische, das Entsetzliche und Verblüffende, das Sehnsüchtige, letztlich das Menschliche.“

Sein Erfolgsgeheimnis von Lanz liege darin, dass er „in einer Republik, die die Korridore des Gesagten zusehends eng macht, die sich am liebsten auf einem Quadratmeter politisch korrekter Mitte treffen will“, den Raum für Debatten bewusst offenhält. Lanz gehe es nicht um die Mobilisierung von Vorurteilen, sondern schlichtweg um die Wahrheit. Lanz leiste damit einen guten Beitrag zur politischen Kultur, weil er der Warnung von Martin Walser, in Deutschland drohe „das Ungesagte zum Eigentlichen“ zu werden, offen entgegenwirke. Lanz sei – obwohl er sich nur als Fiat 500 der Medienbranche wähne – schlichtweg „ein großer Journalist“. (dh)

Foto: Weimer Media Group