Demonstrationen für Print am Baumwall. Vor zehn Jahren hätte das keiner für möglich gehalten, heute ist es Realität. Am Ex-Gruner + Jahr-Gebäude war nun tatsächlich Mitte der Woche sogar noch mehr los, als es so mancher für möglich gehalten hat. Große Transparente („Notruf Hafenkante“) wurden in die Höhe gehalten. Sowas kannte man eigentlich bislang nur von IG Metall-Leuten. Und unter den Demonstranten war kein geringerer als der Ex-G+J-Mann Peter Lewandwoski. Kaum einer wie er steht für die Magazininhalte, die dort in der Vergangenheit produziert worden waren. Warum der derzeitige „Max“-Magazin-Macher zu seinen Ex-Kollegen gegangen ist und seine Solidarität bekundet hat, erzählt er uns im Clap-Interview.
Herr Lewandowski, Sie waren am Mittwoch bei der Demo vor dem ehemaligen Gruner + Jahr-Gebäude am Baumwall dabei. Wie war die Stimmungslage?
Lewandowski: Einerseits kämpferisch in den öffentlichen Reden, aber in Gesprächen mit dem Kolleg*innen habe ich auch Resignation gespürt. Sie empfinden die Kommunikation von Bertelsmann als eine reine Zumutung. Seit dem Artikel in der Süddeutschen Zeitung vor Weihnachten über den angeblichen Verkauf der Magazintitel fühlen sie sich nicht angemessen eingebunden und verstehen diese Art der Kanzler-Kommunikation des Hinhaltens nicht. Den meisten ist mittlerweile klar, dass nichts so bleiben wird, wie es ist. Ich finde, Sie haben das Recht auf rechtzeitige Aufklärung.
Warum haben Sie sich überhaupt entschieden, dorthin zu gehen? Sie sind längst raus bei Gruner + Jahr, eigentlich könnte es Ihnen fast egal sein.
Lewandowski: Ich habe dem Verlag viel zu verdanken. Ich war von 1991 bis 2014 mit einer kleinen Unterbrechung bei Gruner + Jahr unter Vertrag. In der Zeit habe ich viele große Medienmarken kennengelernt als Ressortleiter, Herausgeber oder Chefredakteur. Das hat mich geprägt. Es gab eine Philosophie, die mir sehr sympathisch war: Wir kommen durch die Vordertür, kämpfen mit offenem Visier, sind mutig und geben nicht so schnell auf. Der ehemalige Vorstand Rolf Wickmann hat sieben Jahre beispielsweise für das Magazin Gala gekämpft als es in den roten Zahlen steckte. Später gehörte die Marke über Jahre nach stern und Brigitte zu den Top 3 des Verlages. Als Herausgeber und Mitverleger der Zeitschrift „Max“ merke ich derzeit, wie stark die Kraft von Print-Marken noch sein kann, auch wenn die großen Umsätze auf dem Leser -und Werbemarkt nicht mehr eingefahren werden können. Die Titel von Gruner haben einen unglaublichen Bekanntheitsgrad und Markenwert. Sie konstruktiv wieder mit Leben zu füllen, sie zu unterstützen, ist eine Herausforderung aber auch Chance für Bertelsmann oder RTL. Auch wenn das Digitale überwiegt, heißt, es ja noch lange nicht, dass Print tot ist. In Zeiten des demographischen Wandels werden sich immer Zielgruppen finden, die nicht ausschließlich online-affin sind. Und auch noch ein anderes Leseverhalten haben als junge Leute. Diese starken Marken anderen zu überlassen, sehe ich als verlegerische Sünde.
Bertelsmann-Chef Thomas Rabe ist gerade der Antiheld. Haben Sie manchmal auch Verständnis für ihn? Es gab ja auch schon vor der Ära Rabe etliche unglückliche Entscheidungen.
Lewandowski: Ich will mir nicht anmaßen, die Arbeit des Bertelsmann-Chefs von außen zu beurteilen. Er ist ein Manager. So wie ich ihn kennengelernt habe, ist er ein sehr nüchterner, zahlenorientierter Mensch, der als CEO in den letzten Jahren hohe Gewinne – auch dank G+J – für den Konzern erzielt hat. Er hat auch publizistische Erfolge mitverantwortet, wie zum Beispiel zuletzt die Biografie von Prinz Harry. Thomas Rabe ist aber auch nicht voll verantwortlich für die Misere von Gruner, da es ja bis zur Fusion mit RTL einen Vorstand und später eine Geschäftsführung mit immer wieder großen Plänen gab. Aber das ist Geschichte. Dass sich jetzt ehemalige Verantwortliche im Hamburger Abendblatt anonym zur Misere des Verlages äußern, ist nicht nur feige, sondern wird von den Mitarbeiter*Innen als kontraproduktiv empfunden. Nicht nur in ihrem Sinne wäre es doch für Bertelsmann eine geile Geschichte, die Marken für die Zukunft fit zu machen – in einer feinen, kleinen Print-Unit. Unabhängig davon, welcher Titel jetzt zu RTL passt oder nicht. Das kann kein Kriterium sein.
Allerdings ist ja tatsächlich von der geplanten und bekannt gegebenen Verschmelzung von RTL und Ex-G+J, mit Ausnahme vom „Stern“, nicht viel zu sehen. Warum ist das in den vergangenen Monaten eigentlich ins Stocken gekommen? Warum gibt es die Marke „Capital“ immer noch nicht im Programm von ntv zu sehen, viele Jahre gab es dort den Handelsblatt-Ticker.
Lewandowski: Es muss nicht alles mit dem Fernsehen synchronisiert werden. Aber Printmarken könnten fürs TV stärker genutzt werden. Dass Angela Merkel und Kanzlerkandidaten regelmäßig beim Brigitte-Talk auftraten, zeigt doch wie stark und glaubwürdig eine Marke auch von außen betrachtet wird und unterstreicht deren Potential. Und natürlich gibt es noch andere Beispiele.
Jetzt gibt es immerhin viel Gala im TV. Ist das die richtige Richtung?
Lewandowski: Im Prinzip ist das ein Weg. Wir hatten schon in den Nuller Jahren diskutiert, wie ein TV-Ableger aussehen könnte. „Gala“ war zu dieser Zeit mega-erfolgreich, ein TV-Format lag also nahe, war aber in Abgrenzung zu den RTL-Formaten nicht umsetzbar. Wegen der Internationalität der Themen wäre Gala-TV einfach zu aufwändig und zu teuer geworden. Wir mussten damals lernen, dass sich Marken nicht automatisch großformatig ins TV verlängern lassen. Es braucht sinnvolle Konzepte. Und manchmal auch kleinere. Ja, man könnte ein Capital-Fenster am Wochenende bei ntv öffnen. Oder ein Essen&Trinken-Rezept in einer der vielen populären Kochsendungen platzieren. Das klingt nicht groß, hält aber Print-Marken im Gespräch. Auch das wäre eine Synergie um RTL für Print zu nutzen.
Die gesamte Printbranche hat sich in früheren Jahren daran orientiert, was G+J vorhat. Die Entscheidungen, die am Baumwall getroffen worden waren, wurden mit größter Relevanz betrachtet. Welches Signal senden denn die Gerüchte um die ganzen Magazinverkäufe Ihrer Meinung nach aus?
Lewandowski: Vor allem, dass man bei den rapide sinkenden Auflagenzahlen und Werbeumsätzen an das Geschäftsmodell „Print“ nicht mehr glaubt. Dieses Signal ging ja auch schon vor Jahren von Axel Springer aus, die viele Titel verkauft haben. Aber es gibt auch genügend Beispiele, die diesen Management-Pessimismus widerlegen: In Deutschland die „Zeit“ beispielsweise, die „New York Times“ in den USA, der „Guardian“ in England usw. Ein tolles Signal für den Markt wäre eine Innovationsoffensive von Bertelsmann für Print und für alles, was daraus an Neuem entstehen könnte. Finanziert aus der Portokasse eines schwer reichen, erfolgreichen Konzerns, der mit Print Milliarden verdient hat und verdient. Dem Haus würde das zusätzlichen Glanz verleihen und die selbst formulierten Unternehmenswerte glaubhafter erscheinen lassen.
Fotos: privat