Koch-Kolumne: Werbung macht dick? Verbietet sie!

Macht Werbung dick? Geben Sie’s zu: Darüber haben Sie noch nie nachgedacht. Beim Fernsehen sitzen wir auf der Couch, essen Chips, gucken Werbung und werden dick. Wenn wir Zeitung lesen, rennen wir nicht in der Gegend herum, sondern sitzen und werden dick. Beim Radiohören sitzen wir im Auto, bewegen höchstens Gaspedal und Mittelfinger und werden dick. Im Kino gibt’s Werbung und reichlich Popcorn dazu. Und dann auch noch dieses unsägliche Internet: Eigentlich wollten wir nur dieses eine Video gucken, dann wurden es zwölf und noch eine Streamingfolge. Und wieder fällt eine Stunde auf dem Peleton oder bei McFit ins Wasser.

Man sollte Werbung verbieten, denn hiermit ist eindeutig erwiesen, dass der Konsum von Werbung in Medien dick macht.

Das hat exakt die Qualität der Diskussion um das „Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz“, eigentlich als Zuckerwerbeverbot gedacht, das Özdemir mit seinem „Mehr-Kinderschutz-in-der-Werbung-Initiativ-Gesetz-Entwurf“ angestoßen hat. Und was für einen Wirbel hat das verursacht! Der ZAW schoss aus allen Rohren – und mit ihm jeder Verband, der auch nur im Entferntesten mit Lebensmitteln oder Marketing zu tun hat. Ich eingeschlossen, der gleich die Medienvielfalt in Deutschland in Gefahr sah.

Wir können nicht immer alles verbieten, das uns gerade nicht gefällt. Hand aufs Herz: Werbeverbote bringen uns nicht weiter. Weil Verbote einfach der falsche Weg sind. Verbote sind verkehrt, wenn wir die Menschen ernstnehmen, deren Kommunikation wir verbieten wollen, als ginge es um Nazi-Flugblätter. Bei Ferrero arbeiten Menschen, die Kinder haben. Bei Dr. Oetker (in einer Pizza stecken acht Stückchen Würfelzucker) arbeiten Menschen, die ihre Kinder schützen wollen. Das sind keine unverantwortlichen Ignoranten. Das sind Menschen mit Empathie aus Fleisch und Blut, mit denen man reden kann. Miteinander reden ist eine scheinbar so abwegige Idee, dass bisher niemand draufgekommen ist.

Knoppers von Storck, Haribo Goldbären, aber auch die Wagner Pizza und das native Olivenöl (das doppelt so viel Kalorien wie Zucker enthält) von Bertolli sind keine Zigaretten. Wobei nicht einmal die verboten sind, und das Verbot von Cannabis gerade aufgehoben wurde.

Wenn schon Verbote, dann aber richtig

Ich habe eine viel bessere Idee: Wir brauchen nicht mit der bösen Verbots-Keule zu schwingen. Wir heben stattdessen die Qualität dieser zweifelhaften Diskussion auf ein vernunftbegabtes Level – und reden. Das werte Ministerium des Herrn Özdemir redet mit den verantwortungsbewussten Chefinnen und Chefs der betroffenen Unternehmen am berühmten runden Tisch und beschließen einen schrittweisen Rückgang des Zuckergehalts, wo es die Produkte vertragen. Coke Zero lässt grüßen.

Über Werbung brauchen sie eigentlich überhaupt nicht reden, weil die Industrie ihre Werbung an Kinder schon längst zu 95 Prozent zurückgefahren hat. Andererseits kann auf die verbleibenden fünf Prozent dann auch verzichtet werden.

Wenn das dann nicht fruchtet, dann schwingt meinetwegen die Keule und verbietet 80 Prozent der Werbung für Lebensmittel. Aber verbietet alle Werbung auf YouTube, Facebook, Instagram und Tiktok gleich mit. Denn sie macht Jugendliche krank und zersetzt die Demokratie. Bäm!

Text: Thomas Koch

Foto: privat