Clap 87 kommt: Interview mit Liv von Boetticher

Das neue Clap Magazin ist da. Und mit dabei ist dieses Mal Welt TV-Chefredakteur Jan Philipp Burgard. Auf ihn kommt es im nächsten Jahr noch stärker an. Nach dem Ende von Bild TV wandern etliche Sendungen zu ihm. Beispielsweise die sonntäglichen Live-Übertragungen der Handball- und Basketball-Bundesliga, ebenso der Fußball-Talk „Die Lage der Liga“. Und was Burgard Was er über die „Welt“-Lage denkt, steht in unserer Titelgeschichte, aufgeschrieben von Bijan Peymani.

Im Heft gibt es, wie immer, auch wieder unsere Rubrik „Clubgespräch“. Eine der meist besprochenen Journalistinnen des Landes war bei uns zu Gast und hat uns unter anderem erzählt, wie es mit ihrer Geschichte „Die Akte Tengelmann“ weitergehen könnte. Ein Ausschnitt aus dem Gespräch steht hier. Wer das ganze Interview lesen will, bestellt das Heft einfach unter clap@clap-club.de.

Konnten Sie sich Anfang des Jahres schon vorstellen, dass Sie nicht nur RTL-Redakteurin, sondern auch Buchautorin und Podcasterin sein werden?

von Boetticher: Ich war vor einem Jahr von allem ‚nur‘ Journalistin und nichts lag ferner als die Wahrscheinlichkeit, dass ich ein Buch schreibe. Aber die Notwendigkeit diese Recherche einmal wirklich im ganzen Umfang niederzuschreiben, die war irgendwann gegeben, nachdem ich festgestellt habe, wie viel an Fakten vorliegt. Und durch die Veröffentlichung im Sommer hat sich das ergeben, worauf ich immer gehofft habe:  dass sich noch neue Zeugen melden und die kommen jetzt unter anderem im Podcast auch erstmals zu Wort und können einen eigenen Eindruck über die ganze Sache wiedergeben.

Klingt so, als sei die Tengelmann-Geschichte noch nicht ganz auserzählt.

von Boetticher: Die Tengelmann-Verstrickung mit den russischen Geschäftspartnern war jahrelang im Unternehmen bekannt, die wird auch im Podcast nochmal wirklich fundiert untermauert. Intern wurde bewusst die Aufklärung unterbunden, ich glaube da kommt noch einiges ans Tageslicht.

Diese ganze Tengelmann-Geschichte beschäftigt Sie jetzt schon länger. Überwegen die positiven Dinge oder verfluchen Sie die Story auch manchmal, weil der Druck so hoch ist?

Von Boetticher: Also journalistisch hat mich diese Herausforderung auf eine ganz neue Ebene gebracht, weil die Probleme, mit denen ich mich plötzlich in der Recherche beschäftigen musste, in der Dimension riesig gewesen sind. Die Komplexität ist dabei nicht zu unterschätzen. Die vergangenen zweieinhalb Jahre waren auch mit einem hohen Maß an persönlicher Frustration verbunden, u.a. weil wir die Fotos, die Herrn Haub in Moskau zeigen sollen, nur in Anwesenheit eines Juristen anschauen, aber nicht als Recherchematerial sichern konnten.

Was hat denn mehr Aufmerksamkeit gebracht? Erst die Veröffentlichung der Titelgeschichte im Stern oder war es die Reportage bei RTL?

Von Boetticher: Die Stern-Veröffentlichung in diesem Jahr, denn sie hat letztlich dazu geführt, dass die Staatsanwaltschaft den Fall nochmal angefasst hat. Als die RTL-Reportage gezeigt wurde, war Haub gerade erst für tot erklärt worden.

Zu 95 Prozent war es kein Unfall von Karl-Erivan Haub haben Sie geschrieben. Wenn man auch selber Skifahrer ist, denkt man sehr über die beschriebene Sachlage nach. Es ist tatsächlich wahrscheinlich im Grunde ein Leichtes, den Berg auf der anderen Seite wieder runterzufahren. Haben Sie eigentlich immer noch diese 5 Prozent Restzweifel, dass es doch ein Unfall gewesen sein könnte?

Von Boetticher: Die werde ich immer haben, bis zu dem Moment, wo ich Ervian Haub persönlich treffe. Ich habe aber Fotos gesehen, die zumindest eine Person zeigen, die genau so aussieht, wie er. Und selbst wenn man ihn jetzt morgen in der Gletscherspalte findet – all das, was wir rund um die Russlandverbindungen herausgefunden haben, hat ja weiterhin Bestand. Und dann muss man sich fragen, warum liegt er in der Gletscherspalte? Das würde weitere Fragen nach sich ziehen.

Wie geht es jetzt weiter?

Von Boetticher: Ich habe ja den Versuch unternommen, die Staatsanwaltschaft Köln zu Ermittlungen zu bewegen. Ich habe mit Juristen eine neunseitige Strafanzeige formuliert und 70 Seiten Anhänge angehängt. Zusammen mit drei ladungsfähigen Adressen von Personen, die Zugriff zu den Fotos hatten und vermutlich haben. Wir versuchen wirklich etwas in Gang zu setzen. Das Verfahren ist jetzt bei der Staatsanwaltschaft.

Wieso nehmen Sie das auf sich? 

Von Boetticher: Ich musste es für mich machen. Es gibt ja einen Grund, warum manches totgeschwiegen wird. Und wir sind von wahrer Aufklärung noch weit entfernt. In meinem Kopf arbeiten alle diese Informationen. Und offensichtlich gibt es kaum eine Stelle, die vorhat, Recht und Gesetz walten zu lassen. Als Journalistin verstehe ich mich als vierte Gewalt im Staate, die auch Kontrolle ausübt. Und irgendetwas funktioniert da meiner Meinung nach gerade nicht.

Interview: dh

Foto: Alexander von Spreti