Koch-Kolumne: „Wehret den Anfängen“

KI, die Künstliche Intelligenz, ist sprichwörtlich in aller Munde. Keine Konferenz mit Medienvertretern oder Werbern und Kommunikationsexperten, die das Thema nicht regelrecht beherrscht. Nachdem jeder mit ChatGPT herumexperimentiert hat, stellt sich aber nun die Frage, wofür wir KI in Wirklichkeit einsetzen werden. Und ob das nicht schon sehr bald passiert.

Dass KI Auswirkungen auf Journalismus und Werbung haben wird, ist nach acht Jahren OpenAI jedem klar. Aber – Hand aufs Herz – jeder von uns denkt insgeheim: „Mich wird die KI schon nicht in Frage stellen, denn ich bin mit meiner humanen, grenzenlos kreativen Intelligenz unverzichtbar – und schon gar nicht durch eine künstliche Maschine ersetzbar. Pah!“

Wir lehnen uns also gelassen zurück und schwadronieren darüber, wie die KI unsere Prozesse vereinfachen wird, uns lästige Routinearbeiten abnimmt, unsere Befehle auch Freitagsnachmittags um vier nicht ignoriert (wie das die Gen Z tut), sogar das ganze Wochenende durcharbeitet und uns viel mehr Zeit geben wird, uns mit den schönen Dingen des Berufsalltags und des unbeschwerten Lebens zu beschäftigen.

Der Realität mögen wir bei unseren Prognosen und Träumereien aber doch nicht so recht ins Auge blicken. Die KI, jetzt mal ehrlich, kann alles besser als wir. Ja, Sie haben richtig gelesen: alles. Sie liefert vermutlich schon 2025 besser recherchierten Journalismus, bessere und erfolgreichere Kreation, bessere und wirksamere Mediapläne.

Im Augenblick sind dennoch alle Streber in Medien, Agenturen und werbetreibenden Unternehmen dabei, jede Ressource in die Erprobung der KI-Welt zu investieren, damit man ja nicht den Anschluss verpasst. Es ist schon erstaunlich, wie viel Energie derzeit in das große Vorhaben gesteckt wird, sich selbst abzuschaffen. Hold my beer, möchte man ausrufen.

Peter Kabel, Deutschlands Internet-Grandseigneur, brachte es auf der d3con auf den Punkt, als er seine Mitdiskutanten ermahnte, sich bewusst zu werden, welche gewaltigen Veränderungen KI für jeden von uns mitbringen wird. Stattdessen freuen wir uns wie die kleinen Kinder auf den Weihnachtsmann. Es wird nur wenige Jahre dauern, bis die meisten Journalisten überflüssig sind, die meisten ADs und Texter in den Werbeagenturen und Mediaplaner in den Mediaagenturen. Es ist nur ein schwacher Trost, dass das für Anwälte, Steuerberater und unzählige weitere Berufe ebenso gilt.

Liebe Mitmenschen, wenn ihr das verhindern wollt, wenn ihr eure Arbeitsplätze ernsthaft erhalten wollt, dann müsst ihr eine völlig andere Gangart einlegen. Hört mit eurer Begeisterung für KI auf. Überzeugt eure Verleger und Medienbosse, eure Agenturchefs und Werbekunden, dass KI absolut unfähig ist, so etwas Hochentwickeltes wie die Gehirnsynapsen kreativer Menschen zu übernehmen. Wehret den Anfängen.

Haltet euch besser an Stephen Hawking, den intelligentesten Menschen, der jemals auf dieser Erde wandelte. Er warnte eindringlich vor der Künstlichen Intelligenz: ‚Ihre weitere Entwicklung könnte das Ende der Menschheit bedeuten.‘ Und wenn dann die ganze Menschheit geendet ist, gibt es womöglich keine Medien mehr, keine Werbung und nicht einmal Mediapläne. Das dürfte der Branche ordentlich Angst einjagen. 

Text: Thomas Koch

Foto: Daniel Häuser