„Playboy“-Chef Boitin ist jetzt ein Ossi

Manchmal passieren doch noch unerwartete Dinge: So ist der Münchner Kouneli Media-Geschäftsführer Florian Boitin plötzlich Ostdeutscher geworden. Er und seine Frau, die aus Brandenburg stammt und auch in der Münchner Kommunikationsbranche arbeitet, wollen dort ein neues Leben beginnen. Was Boitin, dessen Eltern ursprünglich aus Sachsen kommen, aber nun genau zu diesem einschneidenden Schritt bewogen hat, erzählt er uns im Interview, das exklusiv Anfang dieser Woche in unserem Clap-Print-Magazin veröffentlicht worden ist. 

Warum haben Sie (und Ihre Frau) Entscheidung getroffen, nach Ost-Brandenburg zu ziehen? Gab es dabei von Ihrer Seite aus auch Bedenken?

Boitin: Meine Frau ist in Frankfurt (Oder) aufgewachsen. Und das, obwohl sie mehr als 20 Jahre in München ihren Lebensmittelpunkt hatte, war ihr immer klar, dass sie irgendwann wieder zurück in ihre Heimat kehren würde. Und wie ernst ihr damit ist, habe ich in der Zeit wahrgenommen, als Deutschland und der Rest der Welt ins Homeoffice einzog. Plötzlich war der Gedanke eines Umzugs nach Brandenburg nicht nur eine ferne Vision, sondern wurde zu einem ganz konkreten Plan. Natürlich hatte ich zunächst Bedenken, klar. Nicht, weil mir Brandenburg möglicherweise fremd sein würde oder mir bei meiner täglichen Fahrt ins Büro der Anblick der Berge fehlen würde. Nein, ich habe ja auch zuvor schon mal länger in Hamburg und Berlin gelebt. Aber die Vorstellung, 650 Kilometer zwischen Wohn- und Arbeitsstätte zu legen, war mir zu Beginn tatsächlich nicht ganz geheuer.

Seit wann fahren Sie die lange Strecke? Wie oft sind Sie da und fühlen Sie sich schon als „Teilzeit-Ossi“?

Boitin: Wir haben im Oktober 2022 die Koffer gepackt, haben unser Haus im oberbayrischen Isartal verkauft und sind mit Sack und Pack ins Schlaubetal nach Ost-Brandenburg gezogen. Ich pendel‘ also nun seit etwa anderthalb Jahren. Und fahre die Strecke zumeist auch mit dem Auto, was ich im Übrigen sehr genieße. Endlich wieder Zeit für mich alleine zu haben und ungestört die Musik hören zu können, die sonst keiner in meiner Familie erträgt – Frauenmagazine nennen so etwas, glaube ich, „Me Time“. Und ja, „Teilzeit-Ossi“ trifft es vermutlich ganz gut, wobei ich mich selbst eher als Ossi-Wessi-Versteher begreife.

Sie haben ja bestimmt eine konkrete Vorstellung von Ostdeutschland gehabt. Mussten Sie in einigen Punkten die bisherige Wahrnehmung korrigieren?

Boitin: Meine Eltern sind beide in Sachsen geboren, mussten aber als Kinder kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in den Westen flüchten. Bis auf eine DDR-Tournee im Februar 1990 mit meiner damaligen Band „Schall & Rauch“, hatte ich bis dahin aber keine wirklichen Berührungspunkte mit Ostdeutschland. Nun kenne ich die Familie meiner Frau aber auch schon seit bald 17 Jahren, da wurde aus einer abstrakten Vorstellung sehr bald ein wirkliches Kennenlernen der neuen Bundesländer. Und klar, ich lerne täglich neue Facetten des Lebens hier in Ostdeutschland kennen. Schon mal Würzfleisch gegessen? Schweinefleisch im Ofen mit Käse überbacken. Dazu Worcester Sauce satt. Typisches Ossi-Gericht.

Gibt es etwas, das Sie an den Ostdeutschen besonders beeindruckt?

Boitin: Vieles sogar. In meinem familiären Umfeld sind alle Hobby-Handwerker. Aber nicht in dem Sinne, ich flicke mal schnell nen kaputten Reifen am Fahrrad. Nein, hier scheint jeder in der Lage zu sein, mit eigenen Händen und selbst erlernten Fähigkeiten sich sein eigenes Haus zu bauen.

Finden Sie die mediale Berichterstattung über Ostdeutschland korrekt? So wie jetzt beispielsweise der „Spiegel“ neuerlich das zum Schwerpunkt gemacht hat? In den letzten Jahren ist das Thema ja eher in den Hintergrund gerückt.  

Boitin: Für mich hat die Berichterstattung über Ostdeutschland immer noch etwas von Auslandsreportage. Nach dem Motto: Die da drüben. Ich nehme überhaupt wahr, dass sich Ostdeutsche deutlich mehr für das Geschehen im Westen der Republik interessieren als andersrum. Und bezeichnend ist für mich, dass Ostdeutsche, denen ich hier im Alltag begegne, Menschen aus den alten Bundesländern dagegen noch immer nicht als „Wessis“ bezeichnen, sondern als Bayern, Schwaben oder Hamburger. Für die meisten Westdeutschen sind Menschen aus den neuen Bundesländern einfach nur „Ossis“.

Ost-Brandenburg ist von München aus gesehen gar nicht so leicht zu erreichen. Wie bekommen Sie die langen Fahrten in Einklang mit dem aufreibenden Job?

Boitin: Ach, die Erreichbarkeit ist keine unlösbare Aufgabe. Neben Fließend-Wasser und Strom gibt es hier in Brandenburg eine gute Anbindung an das Bahnnetz, und der Berliner Flughafen ist auch nur 45 Minuten entfernt. Und wie schon gesagt: ich fahre sehr gerne Auto. Neben Zeit zum Nachdenken, habe ich da auch jede Menge Zeit für wichtige Telefonate.

Wie haben die Kollegen reagiert?

Boitin: Natürlich haben die meisten mit Verwunderung reagiert – und ich bin mir sicher, dass sich ein solches Lebensmodell auch nur wenige vorstellen können. Für viele ist es völlig normal, wenn jemand aus beruflichen Gründen, sagen wir mal, von Leipzig nach München zieht. Aber andersherum, wenn man beschließt, aus dem Westen in den Osten zu ziehen, sorgt das auch 34 Jahre nach der Wiedervereinigung noch immer für Erstaunen.

Hat der Umzug nach Brandenburg die persönlichen und beruflichen Ziele beeinflusst?

Boitin: Mir ist sehr wichtig, neben einem Beruf, der mich nicht nur stark fordert, sondern aber auch sehr erfüllt, wirklich Zeit für meine Familie zu haben. Leider war es mir bei meinen inzwischen erwachsenen Kindern nicht vergönnt, sie in ihrem Alltag zu erleben. Diese Chance wollte ich nicht ein zweites Mal verpassen. Neuerdings habe ich aber sogar auch berufliche Anknüpfungspunkte in Brandenburg. Unsere neue Firma Five Monkeys Media, an der ich mit Kouneli beteiligt bin, hat ihren Sitz in Frankfurt (Oder). Aber auch, obwohl es naheliegend erscheint, nicht aufgrund meiner privaten Wohnsituation. Unser Geschäftsführer Andreas Laube wohnt und steuert das Unternehmen von hier.

Gibt es Aspekte Ihres Lebens in Brandenburg, welches Sie unerwartet herausfordernd oder enttäuschend empfinden haben?

Natürlich passiert es auch mir hin und wieder, dass ich im Gespräch auf politische Ansichten treffe, die mich sprachlos machen. Als bedauernswert empfinde ich auch, dass man gerade hier in Brandenburg dem täglichen Sterben der Restaurants und Dorfkneipen zuschauen kann. Eine schreckliche Entwicklung!  

Was war dagegen die positivste Überraschung oder das beste Erlebnis in Brandenburg? Warum muss man dort gewesen sein und was sind aus Ihrer Sicht bestimmte Eigenarten von Brandenburgern?

Boitin: Mal abgesehen von der geografischen Nähe zu Polen, wo man bekanntlich sehr günstig tanken kann,  hat Brandenburg landschaftlich einiges zu bieten. In keinem Bundesland gibt es mehr Gewässer, mit rund 3000 Seen ist Brandenburg hier unangefochtener Spitzenreiter. Und den nahegelegen Scharmützelsee mit seinen historischen Villen und vielen Segelbooten bezeichne ich gerne als den Starnberger See des Osten. Es gibt da sogar einen richtigen Biergarten mit bayerischem Bier. Und natürlich schätze ich die Nähe zur Bundeshauptstadt Berlin. Ich würde die Brandenburger wie folgt beschreiben: Harte Schale, weicher Kern. Brandenburger können sehr ruppig – aber gleichzeitig auch sehr herzlich sein. Wir kommen jedenfalls gut miteinander aus.

Interview: dh

Fotos: Privat