„The Hoff“-Kolumne: ‚Ey Alter‘ – Du zählst nicht ausschließlich.

Neulich beim Fußball. Nur ein weiteres Spiel unserer Nationalmannschaft. Die meisten Fußball-Interessierten wussten vorher schon, wie’s ausgehen würde. Deutschland spielte ja in Frankreich. Aber weit gefehlt. Anpfiff in Lyon. Sekunden später, Toni Kroos passt und Florian Wirtz zieht ab zum 0:1. Knaller. Im wahrsten Sinne des Wortes. Dieses Tor hatte alles, was eine gute Einleitung für meine Kolumne gebraucht hat. Herrlich.

Ein gerade reaktivierter Fußball-Star – einer der erfolgreichsten deutschen Fußballer aller Zeiten – bereits als Fußball-Rentner (34) aussortiert, mit genialem Pass. Ein gerade mal 20-jähriger Mitspieler mit historischem Traum-Tor. 7,92 Sekunden waren da gespielt. Das schnellste Tor in der Geschichte der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Ein wahrer Überraschungsmoment. Unerwartet. Spielentscheidend. Der Traumstart ins EM-Jahr.

In der heutigen Berufswelt würden Toni als (Baby-)Boomer und Florian als Zoomer (Gen Z) gelten und höchstwahrscheinlich in diese Schubladen ein- und somit aussortiert.

Ich kann mit all diesen Begrifflichkeiten und diesem Schubladendenken im Arbeitsalltag wenig bis gar nichts anfangen. Oft wirkt es auf mich, als würde alles und jeder in eine passende Schublade sortiert. Gerne schon, bevor man sich ein wirkliches Bild von der Person gemacht hat. Selbst wenn etwas nicht hineinpasst, wird solange gestopft, bis zumindest die Lade geschlossen und alles ordnungsliebend deutsch außer Sichtweite geräumt ist. Quasi aus den Augen, aus dem Sinn. Was (scheinbar) nicht passt, wird schon lange nicht mehr passend gemacht.

Was am Ende zählt, ist der Mensch, seine Fähigkeiten und seine Leidenschaft für das, was er leistet. Dann sind die wahren Überraschungsmomente jederzeit möglich. Meine Meinung!

Wenn man gegenseitig mit dem Verhalten, der Sprache oder auch den Umgangsformen anderer Generationen ‚fremdelt‘, darf man sich selbst gerne klar machen, dass jede Generation eine Weiterentwicklung der vorherigen Generationen ist. Gott sei Dank bringt dies immer wieder Veränderung und neue Perspektiven mit sich. In beide Richtungen.

Zu den gängigen Klischees zählen Stereotypen wie: Die Gen Z ist zu empfindlich, zu wenig belastbar, wobei die Baby-Boomer doch die Generation sind, die den Begriff Burnout prägte. Frei übersetzt, die einen wollen gar nicht und die anderen können nicht mehr arbeiten. Und daraus leitet sich dann eine Zielgruppe ab, die noch für das Arbeiten geschaffen scheint. Sagen wir mal im Alter zwischen 35 und 45 Jahren.

Noch einmal kurz zurück zum Fußball – im übertragenden Sinne hätte Bundestrainer Julian Nagelsmann weder Kroos noch Wirtz in die Startelf berufen dürfen.

Dem gegenüber steht der Fachkräftemangel. Und die Frage: Wo kommt der Fachkräftemangel denn her und wo sind denn all die Menschen hin?

Was hat überhaupt ‚zu jung‘ oder ‚zu alt‘ mit ‚gut genug‘ oder ‚zu schlecht‘ im Job zu tun? Nichts! Rein gar nichts. Wenn wir nur noch Menschen aus meiner überspitzt dargestellten Zielgruppe ‚ranlassen‘, dann ist gerade mal ein Viertel aller Erwerbstätigen noch im ‚arbeitsfähigen Alter‘.

Früher – Achtung Spoiler: Ich bin einer von ‚diesen Alten‘ – früher, hat man zusammen gearbeitet. Was der oder die eine an Routine mitgebracht hat, hat die oder der andere an Tatendrang eingebracht. Eingebracht ins Teamwork. Wenn ich jetzt dafür nur noch mal ein griffiges Beispiel zum Veranschaulichen hätte… LOL, leider fällt mir selbst nach 7,92 Sekunden nichts ein… Und nein, früher war nicht alles besser, aber alles, was besser wurde, wurde entwickelt. Über Generationen hinweg.

Neulich saß ich in einer Runde mit jungen Menschen zusammen. Nein! Ich spreche weder von meiner Tochter noch von meinen Enkelkindern und ihren Freunden. Ich saß tatsächlich in der Runde, ohne Papa oder Opa genannt zu werden.

Wir saßen zusammen, und uns trennten locker anderthalb Generationen. Recht schnell waren wir bei einem Thema, welches mir sehr bekannt vorkam, auch wenn ich von der anderen Seite des Lebens darauf blicke. Zwischen den Mittzwanzigjährigen wurde heftig diskutiert, wie ungerecht es sei, dass man sie bei der Jobsuche ausschließlich nach ihrem Alter beurteile. Doch mir geht es ebenso – denn in meinem Alter wird man oder frau für die ‚interessanten Jobs‘ auch nur noch nach dem Alter beurteilt. Was also tun? Die Jungen könnten weiter chillen und die Alten vorzeitig in den Vorruhestand gehen? Die einen also warten, bis ihre Zeit reif ist, und die anderen warten, bis ihre Zeit abgelaufen ist! Von wegen! Nicht mit uns. Da waren wir uns einig.

Wie verrückt ist das eigentlich? Menschen so vorzuverurteilen. Die Realität der Arbeitswelt ist leider viel zu oft genau so. Und Menschen, die sich solchen Kriterien unterwerfen, sind doch der beste Beweis, dass offensichtlich ‚das Alter‘ wohl nicht das Hauptkriterium dafür ist, ob jemand einen ‚guten Job‘ macht. Bei Menschen mit einer Schranke im Kopf spielt das Alter nämlich keine Rolle.

Mein ganzes Berufsleben ist davon geprägt, dass das beste Ergebnis dabei herauskam, wenn die besten Kräfte daran mitgearbeitet haben. Ich habe immer am besten mit Menschen zusammengearbeitet, die Bock haben zu arbeiten. Die leisten, Geld verdienen und sogar Steuern zahlen wollen. Menschen, die einfach bereit sind. Junge Menschen. Alte Menschen. Und tatsächlich stellt sich erst durch Zusammenarbeit wirklich heraus, wer einen guten Job macht. Durch eine Zusammenarbeit, zu der es aber eben auch erst mal kommen muss.

Nochmal zurück zu mir: „Zu alt für den Job“! Das müssen Sie mal meiner Rentenberaterin erzählen, die mir kürzlich dargelegt hat, dass ich noch über zehn Jahre arbeiten muss, bevor ich abschlagsfrei in den Ruhestand gehen kann. Nicht, dass ich mir je diese Gedanken in meinem Leben gemacht hätte, also, wann ich in Rente gehe… Aber nun weiß ich, was das Sprichwort „Zum Arbeiten zu alt für den Ruhestand zu jung!“ bedeutet.

Für mich gilt: Jetzt vereine ich die Unbeschwertheit der Anfangstage mit den Weisheiten meiner vielfältigen Karriere. Und für Berufseinsteiger gilt die „Tatendrang-Vermutung“ gepaart mit einem frischen Blick auf die Dinge. Mindestens.

P.S.: Wie ein Tor und zwei gewonnene Fußballspiele (gegen Frankreich folgte ein Sieg gegen die Niederlande) die Stimmung einer ganzen Fußballnation kurz vor der Heim-EM in Richtung Euphorie kippen können, haben wir erlebt… mit einem „viel zu jungen Nationaltrainer, wohl gemerkt!“

Ich hätte da eine Idee, wie wir die Stimmung im deutschen Arbeitsmarkt wieder positiv verändern können: Mit Mut.

Mut, die richtigen Menschen für die richtigen Positionen zu finden. Mut, in der Position den öffnenden Pass zu spielen. Mut, den Pass schon nach Sekunden mit dem ersten Schuss zu verwandeln. Und den Mut, jedes Spiel immer wieder als neue Chance zu begreifen.

Ey Alter, was wirklich zählt, ist Mut!

Stefan Hoff ist Vorstandsvorsitzender des TV-Verbands VTFF. Sein beruflicher Werdegang in der Medienbranche spiegelt den ‚amerikanischen Traum‘ wider: Von der Kabelhilfe zum internationalen Medien-Manager. Heute ist er als Berater, Mentor und Coach ein gefragter Ansprechpartner. Er schreibt regelmäßig für Clap.

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