Weber: „Mehr Personal Brands in die Redaktionen“

Die ehemalige Funke-Frontfrau Amelie Marie Weber ist seit kurzem neu bei der „tagesschau“. Dort arbeitet sie nicht nur ganz allgemein als Social-Media-Redakteurin, sondern wird auch ein wichtiges Gesicht der ARD-Nachrichtensendung. Als „Presenterin“ wird sie bei TikTok oder Instagram einordnende Clips moderieren und damit eine große Reichweite bekommen. Wir haben Sie im gedruckten Clap Magazin interviewt und stellen das Interview aus aktuellem Anlass online. 

Von Print zu den öffentlich-rechtlichen Sendern. Ist das jetzt ein sichererer Hafen für Sie, als bei einem großen Verlagsunternehmen zu arbeiten?

Weber: So würde ich das nicht sagen. Ich habe mich auch bei Funke sicher und wohl gefühlt. Die tagesschau bietet mir aber gerade in den Bereichen Bewegtbild und Social Media noch mal völlig neue Möglichkeiten, mich weiterzuentwickeln.

In der Mitteilung zu ihrem neuen Job stand, dass sie jetzt nicht nur Social Media-Redakteurin, sondern auch „Presenterin“ bei der tagesschau sind. In dem Fall sei die Recherchefrage im Interview erlaubt. Was bedeutet denn Presenterin?

Presenterinnen und Presenter werden bei der tagesschau diejenigen Kolleginnen und Kollegen genannt, die Videoformate auf den sozialen Medien präsentieren und moderieren. Dazu gehöre nun auch ich.

Was kann man denn bei so einer etablierten und standardisierten Marke wie der tagesschau überhaupt noch verbessern? Große Veränderungen sind da wohl kaum zu erwarten. Oder?

Die tagesschau ist die älteste Nachrichtensendung der Bundesrepublik, aber sie hat sich seit 1952 stetig weiterentwickelt. Schon während meiner ersten Tage in der Redaktion habe ich gespürt, wie sehr das ganze Team danach strebt, Neues auszuprobieren und dabei stets die hohen Qualitätsstandards aufrecht zu erhalten. Ich fühle mich hier am absolut richtigen Ort und glaube, dass wir gemeinsam viel bewegen können.  

Sie beobachten das Nachrichtengeschäft seit etlichen Jahren. Und wie Sie mir ja auch im Vorgespräch gesagt haben, bedarf es einer speziellen Hervorgehensweise, damit die Kids sich künftig nicht nur über ihre TikTok-Kanäle und Instagram-Profile informieren. Wo sehen Sie da die wichtigsten Ansatzpunkte?

Kurzvideos sind das Format dieser Generation. Es geht da um eine schnelle, verständliche Aufbereitung von Informationen – möglichst auf Augenhöhe und gerne auch mit einem Augenzwinkern. Aber Kurzvideos sind nicht die Lösung für alles. Natürlich braucht es weiterhin die langen Reportagen, die tiefgreifenden Hintergrundstücke. Ich sehe Kurzvideos eher als Einstieg und Einladung, sich näher mit bestimmten Themen zu befassen.

Sie wollen auf den Social Media-Kanälen unterhalten. Wie unterhaltsam darf eine so sachliche Marke wie die tagesschau überhaupt sein?

Gerade in Zeiten von großer Nachrichtenmüdigkeit ist es umso wichtiger zu beweisen, dass es durchaus Freude machen kann, sich mit dem Weltgeschehen zu beschäftigen. Der richtige Themen-Mix ist hier entscheidend. Wir sprechen unsere Follower auf eine lockere und zugängliche Art an, ohne dabei die Ernsthaftigkeit und Relevanz der Informationen zu vernachlässigen. Das funktioniert!

Gähnen viele Jugendliche nicht schon, sobald das Stichwort „tagesschau“ fällt? Sie müssten es ja wissen, denn sie haben ja das Mediennutzungsverhalten der Teens und Twens in ihrem Buch „Generation Hoffnung“ beschrieben.

Eine aktuelle Studie zeigt, dass die tagesschau nicht nur für Erwachsene die vertrauenswürdigste Nachrichtenquelle ist, sondern auch für Jugendliche. Die enormen Followerzahlen auf Instagram und TikTok beweisen ebenfalls, dass junge Menschen großes Interesse an den Angeboten dieser Traditionsmarke haben. Gerade auch weil sich das Team immer wieder mit neuen Formaten an das Mediennutzungsverhalten der Jungen anpasst. (Quelle: Big Five Studie 2023, Public Value Broschüre der ARD 2023)

Erstaunlich erfolgreich ist gerade der umstrittene Hoss&Hopf-Podcast. Die Diskussionen darum ist Ihnen sicherlich nicht entgangen. Egal, wie man dazu steht, der Podcast ist sicher ein weiteres Beispiel dafür, dass Meinungsbetonung und Personality wohl eine größere Rolle spielen müssen, wenn man vorne mitspielen will. Wie sehen sie die Situation?

Es ist nicht erst seit diesem Podcast bekannt, dass junge Menschen Influencern teilweise mehr vertrauen als den eigenen Lehrerinnen, Lehrern oder Eltern. Durch die persönliche Ansprache und die vermeintliche Nähe entsteht eine Verbundenheit zu diesen Menschen. Während die meisten Medienhäuser große Schwierigkeiten haben, junge Menschen zu erreichen und ihr Vertrauen zu gewinnen, gelingt das Creatorn sehr gut. Wir können uns da also durchaus etwas abschauen. Natürlich mit dem großen Unterschied, dass wir unabhängig und ausgewogen berichten und damit ein Gegengewicht zur weitverbreiteten Meinungsmache im Netz bilden.

Vor kurzem gab es eine ganz interessante Geschichte über den „Spiegel“. Da wurde beschrieben, dass die erfolgreichsten Geschichten in den letzten Jahren nicht aus der Politik kamen, sondern es waren die Personality-Stories über Til Schweiger und Jan Ullrich. Sollte man diesen Fakt jetzt einfach übergehen, wie geschehen, oder einfach noch einmal einen genauen Blick auf diese Tatsache werfen?

Menschen interessieren sich für Menschen. Das war schon immer so. Deshalb halte ich „Personal Brands“ in Redaktionen für sehr sinnvoll. Damit meine ich Journalistinnen und Journalisten, die mit ihrem Gesicht für ihre Medienmarken stehen und denen die Leute vertrauen. Sie sind dann gewissermaßen „Influencer für den Journalismus.“

Muss sich das Journalismusgeschäft von der Ansprache her gesehen grundsätzlich andere Herangehensweisen aneignen? Und warum muss das eventuell auch relativ schnell passieren?

Es ist für mich eine der wichtigsten Anforderungen dieses Jobs, offen zu bleiben, sich stetig weiterzuentwickeln und an neue Gegebenheiten anzupassen. Wer das nicht tut, wird abgehängt. Das zeigen Abo-Zahlen und Einschaltquoten sehr deutlich.

Burda, Funke, ARD, eine Buchveröffentlichung und nicht zu vergessen die „Rheinpfalz“, bei der sie einstmals angefangen haben. Ganz schön viel Karriere für eine Mittzwanzigerin. Jetzt wurden sie ja auch von einer Business-Zeitschrift zu den 100 Köpfen des Jahres gewählt. Sind Sie eigentlich sehr auf Ihre Karriere bedacht?

Ich habe schon im Alter von dreizehn Jahren davon geträumt, Journalistin zu werden und seitdem kontinuierlich dafür gearbeitet, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Mich erfüllt mein Beruf. Ohne diese Leidenschaft ginge es nicht.

Sie haben schon einmal ihre Heimatverbundenheit zum Ausdruck gebracht und kommen eigentlich gebürtig aus der Stadt Kaiserslautern. Wollten Sie von dort schon immer in die große weite Welt hinaus? Oder unterschätzt man den pfälzischen Medienstandort?

Ich habe mich in großen Städten schon immer wohlgefühlt und konnte mir nie vorstellen, mein ganzes Leben in der Pfalz zu verbringen. Auch beruflich bin ich in Berlin und Hamburg genau richtig aufgehoben. Aber ich finde es wichtig, nie den Blick für die Menschen zu verlieren, die wir mit unseren Produkten erreichen möchten. Und das sind nun mal Leute aus Städten wie Kaiserslautern. Auch deshalb freue ich mich, immer mal wieder aus der Politik-Journalismus-Blase auszubrechen, heimzukehren und mit meiner Familie im Pfälzer Wald zu wandern.

Fotos: Thomas Beutel

Interview: dh