Brechen im September neue Zeiten bei der Dmexco an? Das und vieles mehr wollten wir von Verena Gründel wissen, der neuen Gastgeberin der Online-Vermarkter-Messe. Das exklusive Auftakt-Interview veröffentlicht Clap in Auszügen zeitgleich mit dem Erscheinen des neuen Clap Magazins, im Bild oben rechts zu sehen, bei dem Musikmanager und Songwriter Leslie Mandoki Titelheld geworden ist.
Ihre Personalie hat bei der Bekanntgabe durchaus für Aufsehen gesorgt. So manchem Leser ist dabei vielleicht aufgefallen, dass Sie Biologie studiert haben. Was hilft Ihnen aus diesem Studium bei Ihrer neuen Tätigkeit bei der Dmexco?
Gründel: „Das gehört zu unserer Marken-DNA“, „Das gehört nicht zu unserer Marken-DNA“ – solche Sätze hört man ja in unserer Branche immer wieder. Zumindest hätte ich das theoretische Rüstzeug thematisch tiefer einzusteigen. Ist meist aber gar nicht nötig. Und ja, das Studium macht auch ein wenig demütig, wenn man sieht, welche enormen Auswirkungen kleinste Veränderungen auf Mikroebene auf größere Organismen haben können. Das lässt sich natürlich in gewissem Maße auch auf das Wirtschaftsleben übertragen.
Eine Frau an der Spitze der Dmexco, das gab es ja eigentlich so noch nie. Christian Muche und Dominik Matyka sind ja vielen noch bekannt. Gab es eigentlich nur positive Reaktionen?
Gründel: Tatsächlich gab es ja mit Judith Kühn schon eine Frau in der Führungsriege. Die Zuspitzung auf eine Person entspricht schon seit Jahren nicht ganz der Realität: Die Geschicke der Dmexco leiten Christoph Werner, Senior Vice President der Koelnmesse, Jan Garnefeld, Director Sales & Operations, Thomas Mosch, Director Conference, Eva Heintz, Strategic Marketing Communications Manager, und ich gemeinsam.
Aber sorgen Sie jetzt dafür, dass es mehr weibliche Bühnen-Präsenz im September geben wird?
Gründel: Ich finde, die letzten Jahre gab es damit ohnehin keine Probleme, sondern Thomas Mosch und sein Team achten sehr genau darauf, dass wir eine hohe Diversität haben. Aber ich finde auch: Diversität ist kein Selbstzweck. Die Inhalte müssen einen Nutzen stiften.
Sie werden selbst auf der Bühne stehen und die Messe eröffnen. Wie ist das genau geplant?
Gründel: Zunächst einmal: Dirk Freytag, der Präsident des BVDW, und Gerald Böse, der CEO der Koelnmesse, und ich eröffnen die DMEXCO gemeinsam. Doch was inhaltlich dort passieren wird, möchte ich noch nicht so genau erzählen, aber wir werden den Programmpunkt auf jeden Fall ein bisschen ausbauen.
Und welche Moderationen werden Sie übernehmen?
Gründel: Tatsächlich werde ich ausgewählte Panels selber moderieren. Zum Beispiel auf unserem neuen CMO-Summit auf der Center-Stage.
Mit der neuen Screenforce-Bühne wird ja auch thematisch einiges ausgebaut. Wie wichtig ist das für die DMEXCO? Oder ist es wichtiger für die TV-Vermarkter?
Gründel: Wir stehen für digitales Marketing, TV ist ein digitales Medium, ein Schulterschluss liegt also nahe. Die Schnittstellen zwischen klassischen Disziplinen und digitalen weichen auf. Digitale Planungs- und Buchungsmechaniken wie Programmatic halten auch längst in TV Einzug. KI wird diese Entwicklung exponentiell beschleunigen. Deshalb: Wir umarmen die ganze Branche – und dieses Jahr besonders auch die TV-Branche.
Wie sieht es denn aus mit dem Printvermarktern? Früher war ja oftmals Springers Media Impact vor Ort. Wie ist denn die Verlagsbranche dieses Jahr bei Dmexco aufgestellt?
Gründel: Sehr gut! Media Impact wird auf jeden Fall auf der Dmexco sein. Genauso weitere Medien-Unternehmen und -Vermarkter wie Bertelsmann, IQ Digital und RMS.
Die KI wird natürlich ein großes Thema werden. An jedem zweiten Plakat wird mit dem Thema schon geworben. Wie kann man da noch punkten, wenn einem das überall begegnet, wenn man jeden Tag mit diesem Thema konfrontiert wird?
Gründel: Wir stehen ja eigentlich erst am Anfang der Entwicklung. Interessant, dass Sie da jetzt schon eine Ermüdung feststellen.
Ich stelle die Ermüdung nicht an sich in Frage, also ich stelle nicht in Frage, dass es wichtig ist, sondern einfach nur, dass natürlich die Präsenz des Themas schon sehr stark ist.
Gründel: Aus gutem Grund! Wir haben das in einer eigenen Civey-Studie gerade erhoben: Nur etwa jede dritte Fachkraft in Marketing und Werbung nutzt aktuell in ihrem beruflichen Alltag KI-Programme wie Chat GPT, nur ein Viertel schätzt die eigenen Prompting-Kenntnisse als mindestens gut ein. Zugleich sehen wir aber, dass Unternehmen wie Klarna schon jetzt massiv Marketingbudgets kürzen, weil KI die Arbeit – auch von Agenturen – offenbar effizienter und viel günstiger erledigt. Wir sind also mit zwei unterschiedlichen Geschwindigkeiten Richtung Zukunft unterwegs. Wenn wir mit der DMEXCO die beiden Tempi ein Stück weit synchronisieren könnten, wäre schon viel erreicht.
Sie hatten angekündigt, internationaler werden zu wollen. Es klang für mich so, als ob das bislang vernachlässigt wurde, wenn man es jetzt betonen muss.
Gründel: Wenn die Bundesregierung sagt, sie will mehr in Klimaschutz investieren, ist der erste Reflex immer: Ach, war das bisher zu wenig? Ich glaube für Wachstum im internationalen Bereich ist immer Potenzial da. Also: Ich war im Juni drei Tage bei den Cannes Lions. Dort waren wahnsinnig viele Amerikaner und erstaunlich häufig fiel das Wort Dmexco. Also die Bekanntheit ist da. Durch Corona hatten wir natürlich 2020 bis 2022 Reisebeschränkungen, jetzt können wir einiges aufholen.
Wie zu hören war, stagnierten die Besucherzahlen zuletzt bei rund 40.000. Mit den internationalen Teilnehmern wollen Sie für neuen Schwung bei den Besuchern sorgen?
Gründel: Nein, die Zahl der Besuchenden ist für uns nicht die zentrale Kenngröße. Ich sehe das so: Die Dmexco steht für digitales Marketing. Digitales Marketing steht für Marketing insgesamt. Marketing steht für Kommunikation. Kommunikation ist Chefsache. Die Dmexco ist Chefsache. Die Herausforderungen der CMOs sind alle digital getrieben– darauf werden wir Antworten und Impulse geben. Aber klar ist auch: Die Zahl der Top-Entscheiderinnen und -Entscheider in unserer Branche ist eben nicht unendlich skalierbar.
Sind Sie manchmal neidisch auf die Online Marketing Rockstars oder die Bits & Pretzels, wenn diese wieder zum Talk of the Town geworden sind? Wie beobachten Sie den Wettbewerb?
Gründel: Klar schauen wir uns den Wettbewerb an. Wir freuen uns ehrlich gesagt auch mit dem Wettbewerb. Ich finde es persönlich sogar großartig, dass wir mit Dmexco und OMR zwei für Europa und Deutschland so relevante Digitalevents hier haben. Da können wir, glaube ich, richtig stolz drauf sein. Ich sehe uns nicht im direkten Wettbewerb, weil wir eine unterschiedliche Positionierung haben.
Die Rockstars hatten Kim Kardashian zu Gast. Haben Sie auch mal über so prominenten Besuch nachgedacht?
Gründel: Ganz ehrlich haben wir da einen anderen Ansatz. Wir wollen, dass jeder Speaker auf der Bühne wirklich einen inhaltlichen Mehrwert bietet, statt einfach nur Promis auf die Bühne zu stellen. Wobei ich natürlich keinem unterstellen will, einen Celebrity nur wegen der Bekanntheit zu präsentieren.
Ex-Facebook-Chefin Sheryl Sandberg hat vor Jahren vielleicht beides geboten…
Gründel: Stimmt! Aber ich gehe davon aus, die Motivation, sie zu engagieren, war stark inhaltlich getrieben.
Warum ist die Dmexco in diesem Jahr unverzichtbar?
Gründel: Unverzichtbar ist ein großes Wort, erst recht in der Allgemeingültigkeit. Können wir uns auf unique einigen? Wir bieten ein inspirierendes Kongressprogramm und Networking-Möglichkeiten, damit du deine Geschäftspartner und -partnerinnen treffen, Geschäfte anbahnen und abschließen kannst – aus Deutschland, Europa, USA oder sonst wo. Diesen Networking-Charakter werden wir 2024 stärken. Etwa mit der CMO-Lounge. Das bietet in der Breite und Tiefe keiner.
Fotos: Alexander von Spreti
Interview: Daniel Häuser