Muche: Das ist die schwierige Event-Zukunft

Die Organisatoren von Veranstaltungen versuchen gerade mit allen nachvollziehbaren kommunikativen und politischen Mitteln eine Durchführung hinzubekommen. Ich persönlich finde, dass gerade diejenigen Messen und Konferenzen, die durch eine zügige Absage oder Verlegung mit einer transparenten Kommunikation, dem konsequenten Fokus auf eine digitale Variante oder regionale kleinere Events reagiert haben, viel Kredit in der Industrie und bei den Ausstellern gewonnen haben.

Durch solch ein stringentes Vorgehen können sich diese Verantwortlichen auf die Pflege der Kundenbeziehungen konzentrieren, um deren (neue) Bedürfnisse besser verstehen und Konzepte und Angebote im Hinblick auf 2021 frühzeitig anpassen. Mit der dadurch gewonnenen Zeit wird es auch möglich sein, überlebenswichtige Planungssicherheit für 2021 zu erhalten und Budgets zugeteilt zu bekommen.

Wir alle wissen, dass diese zurückgehaltenen Budgets aus diesem Jahr sehr restriktiv verteilt werden. Wir stehen auch in naher Zukunft noch immer nachhaltig unter dem Corona-Einfluss und seinen langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen. Viele Aussteller und Sponsoren werden jetzt sehr kritisch schon alleine wegen der anhaltenden Pandemieauswirkungen darauf schauen, welche Gelder welchen ROI bewirken. Klassische Messekonzepte waren seit geraumer Zeit aus unterschiedlichen Gründen bereits massiv in die Kritik geraten: eine zu starre Nomen Klatur, fehlende Digitalisierungsangebote, unflexible Terminplanung, mangelnde infrastrukturelle Innovationen.

Es gab bereits vor Corona einen Trend, dass etliche Unternehmen ihre Event- und Marketinggelder stärker auf ihre eigenen Corp-Events umverteilt hatten, da sie hier gezielter und ohne Streuverluste ihre Klientel ansprechen und bedienen können. Demnach sind nicht die Messen per se, jedoch aber die jeweiligen Messekonzepte nicht immer zeitgemäß und verlangen nach einem Wandel. Dieser Wandel kann, wie im Falle der IAA, bewusst passieren. Bei der CeBit hingegen kam die Überlegung zu neuen Messekonzepten zu spät.

Hier geht es also um eine generelle Trendentwicklung lediglich verstärkt durch Corona, die gerade ein Messe-Management erkennen und verantworten muss. Gerade durch eine zögerliche Vorgehensweise und mangels frühzeitiger Bereitschaft zur Anpassung wird diese Situation in vielen Fällen zu einem großen wirtschaftlichen Ausfall in 2020 führen und sogar noch Geld kosten, da zusätzliches Invest in kurzfristige digitale und technische Lösungen plus Personal aufgewendet werden muss. Es sollen zugleich verstärkt digitale Sponsorships und andere Leistungen verkauft werden, was wiederum neue Anforderungen stellt.

Die Voraussicht für 2021 ist noch nicht besonders positiv. Wie und ob Aussteller zurückkehren werden ist noch unklar, da sie noch unter der Pandemie leiden werden. Somit gibt es weiterhin verkleinerte Budgets und striktere Reisepolicies seitens der Unternehmen sowie anhaltende Reiserestriktionen in den Ländern und verschärfte Besucherregelungen, die jede logistische Lösung erschweren. Viele werden zunächst noch den Verzicht einer Event-Teilnahme ins Auge fassen, da es in diesen industrieübergreifend schwierigen Zeiten oftmals keine spürbaren Negativ-Auswirkungen auf das B-to-B-Marketing von Unternehmen geben wird. Welcher Budgetverantwortlicher gibt schon freiwillig wieder mehr Geld aus, wenn er mit weniger und gezielteren Ausgaben in diesen ungewöhnlichen Zeiten einen ähnlichen Marketingeffekt erzielen kann?

Eine Umfrage von meinem Team in den vergangenen Wochen hat gezeigt, dass weniger als fünf Prozent der befragten Firmen überhaupt bereit wären, sich in diesem Jahr noch physisch an einem Event zu beteiligen und sich zudem kaum Mitarbeiter finden lassen, dorthin zu reisen und sich dem Risiko auszusetzen. Trotz eines ausgeprägten Wunsches nach persönlichem Austausch und Treffen.

Kurzum: Es ist spätestens jetzt an der Zeit, strategisch alle Aufmerksamkeit auf das Jahr 2021 zu legen, damit reale Events keinen Reputationsschaden erleiden und mit modifizierten Konzepten wieder den gleichen Stellenwert wie vor der Krise bekommen. Zudem zeigen die aktuellen teils wieder dramatischen Infektionswellen, dass wir alle und insbesondere die Veranstalter von Großevents trotz aller wirtschaftlicher Zwänge eine besondere Verantwortung gegenüber den Menschen haben und diese Fürsorgepflicht über allen berechtigten Wünschen nach einer baldigen Normalität stehen muss. Die Cannes Lions oder die Bits & Pretzel sind mit ihren Strategien hierbei ein gutes Beispiel.

Christian Muche ist ein erfahrener Event-Experte der Kommunikationsbranche. Er lebt und arbeitet derzeit in Neuseeland und schreibt regelmäßig für Clap.