Weinek – die Volksstimme: was beim ARD-Zukunftsdialog noch zu tun ist

„Lernens ein bissl Geschichte (Herr Reporter)“. Diesen legendären Satz schleuderte einst ein sichtlich und hörbar entnervter Bundeskanzler Bruno Kreisky in seinem ebenso legendären Pressefoyer Anfang der 80er Jahre einem Reporter des ORF entgegen. Der SPÖ Kanzler stellte sich regelmäßig nach Kabinettssitzungen der Presse. Kreisky verstand es wie kein anderer auf der Klaviatur der Medien zu spielen. Ok, der aktuelle Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) versucht mit seiner „Message Control“ gezielt Informationen unter die Journalisten zu streuen. Im Gegensatz zu Kreisky fehlt ihm aber der intellektuelle Unterbau zur Gänze.

Doch was hat das alles mit dem aktuell stattfindenden Zukunftsdialog der ARD zu tun? Auf den ersten Blick recht wenig, auf den zweiten sehr viel. Im Rahmen meiner unterschiedlichen Lehrtätigkeiten an Medienhochschulen trifft man bei den Student:innen auf eine eklatante Wissenslücke die demokratiepolitische Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunk betreffend. Und die hat nun mal sehr viel mit seiner Entstehungsgeschichte zu tun.

Staunen bei den jungen Leuten, wenn man ihnen erzählt, dass das von Rechtsschwurblern, sogenannten Querdenkern und Reichsbürgern auf den Straßen und in den Sozialen Medien strapazierte Narrativ von den „gleichgeschalteten Medien“ ein Begriff ist, den die Nationalsozialisten unter Federführung des Propagandaministers Joseph Goebbels geprägt haben. Und dass es diese Zeit war, die nach dem Ende des zweiten Weltkriegs dafür verantwortlich war, dass es in Deutschland ein durch die Alliierten und durch Rundfunkstaatsverträge manifestiertes, föderalistisches Rundfunksystem gibt. Und eben keine zentrale Steuerung aus Berlin.

Zur Frage, seit wann es die ARD und das ZDF gibt: Nur Fragezeichen. Und wer der legendäre Bundeskanzler der 50er Jahre (Konrad Adenauer Anm. d. V.) war, der sich für privaten Rundfunk stark machte, um die Position der Länder in Sachen Fernsehen und Radio zu schwächen? Ebenfalls Funkstille.

Zukunftsdialog ist wichtig und richtig, aber wenn man den Student:innen nicht schon sehr früh erzählt warum der öffentlich-rechtliche Rundfunk so aufgestellt ist, wie wir ihn heute vorfinden, läuft man Gefahr, dass durch die „alternative“ Mediennutzung wie Streamingdienste oder Social Media Kanäle, seine Akzeptanz in absehbarer Zeit bei der jungen Zielgruppe völlig verloren geht. Und da hilft dann auch kein Zukunftsdialog mehr.

Text: Andreas Weinek

Foto: Alexander von Spreti