Mit der Ära Merkel endet in diesem Herbst mutmaßlich auch die Zeit von Steffen Seibert als Regierungssprecher und Chef des Bundespresseamts. Nach mehr als elf Jahren in einem der höchsten PR-Ämter, die das Land zu vergeben hat, scheint eine Rückkehr des gebürtigen Münchners in den Journalismus wahrscheinlicher als ein Verbleib in der Zunft.
Im Range eines beamteten Staatssekretärs wirkt Seibert seit August 2010 als Sprecher unter Bundeskanzlerin Angela Merkel und damit automatisch als Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. Es steht zu erwarten, dass der 61-Jährige nach der Bundestagswahl am 26. September und neuer Kanzlerschaft in den einstweiligen Ruhestand versetzt wird. Für den ausgebildeten Journalisten Seibert könnten sich damit im Herbst seiner Karriere noch einmal vielversprechende berufliche Optionen ergeben. Wenig vorstellbar ist aus heutiger Sicht, dass sich der Wahl-Berliner wie einer seiner Vorgänger im Amt, Béla Anda, mit einer Beratungsfirma in die Selbständigkeit wagt.
Als ebenso unwahrscheinlich gilt, dass Seibert nach dem Vorbild von Uwe-Karsten Heye publizistische Ambitionen verspürt. Heye war von 1998 bis 2002 Regierungssprecher von Kanzler Gerhard Schröder und hatte sich danach unter anderem als Autor betätigt. Mehr reizen könnte Seibert die Rückkehr in den Journalismus, das ZDF für den Ex-Anchorman der „heute“-Nachrichten dabei die erste Adresse sein. Der frühere Mitschüler von „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo hatte seine gesamte journalistische Laufbahn beim Mainzer Sender absolviert. 1989 begann Seibert als Volontär, arbeitete sich über Formate und Funktionen hoch und moderierte zuletzt bis 4. Juli 2010 die „heute“-Hauptsendung.
Angeblich durch eine Empfehlung von di Lorenzo führte der Weg Seibert schließlich ins Kanzleramt. Zunächst schrieb die Presse den im Gegensatz zu Vorgänger Ulrich Wilhelm damals politisch wenig versierten Newcomer als „Problem für die Kanzlerin“ fast aus dem Amt. Heute ist Seibert der am längsten amtierende Sprecher einer deutschen Regierung. Medien hatte an dem studierten Juristen Ulrich Wilhelm dessen politisches Gespür, Verständnis und Gestaltungskraft imponiert. All das ließ Seibert anfangs vermissen, wuchs dann in die Aufgabe hinein, übte sie aber – anders als Heye, Anda und Wilhelm – mit persönlicher Zurückhaltung aus. Dennoch könnte Seibert ausgerechnet Wilhelm zum Vorbild dienen.
Der hatte sich nach Ablauf seiner Dienstzeit zum Intendanten des Bayerischen Rundfunks wählen lassen und die Funktion zehn Jahre lang inne. Für Seibert könnte sich analog ein Top-Job beim ZDF anbieten. Am 2. Juli wird dort die neue Intendanz gewählt. Der oder die Gewählte wird dann dem ZDF-Verwaltungsrat Kandidaten für die Programmdirektion, die Chefredaktion und die Verwaltungsdirektion des Senders vorschlagen. Sollte, wie nach „Clap“ auch die „SZ“ spekulierte, Bettina Schausten aus der Intendantenwahl als lachende Dritte hervorgehen, könnte für Seibert im Herbst 2022 der Posten als ZDF-Chefredakteur winken. Vielleicht ist der Mann – im oder abseits des ZDF – aber gar zu Höherem berufen.
Text: Bijan Peymani
Foto: Bundesregierung