Weinek – die Volksstimme: Sebastian Kurz und der putzige Operettenstaat

Ein Ondit aus den Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts verortete den Balkan gleich hinter der Himmelpfortgasse. Finanzministerium. Wien 1. Bezirk. Der damalige Finanzminister hieß Hannes Androsch. Verewigt von Falco im Song „Ganz Wien“. Der Kanzler Bruno Kreisky. Der Balkan galt als Synonym für Freunderlwirtschaft und Korruption. Naja ein bisserl wohl immer noch. Egal. Ex-Kanzler Kurz (Österreichische Volkspartei) und seine Entourage haben es jedenfalls in kürzester Zeit geschafft die alten Zeiten wieder hochleben zu lassen. Es gilt die Unschuldsvermutung. Eh kloar.

Der Reihe nach. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz tritt zurück, um einem Misstrauensantrag im österreichischen Parlament zu entgehen. Ein Schelm wer Taktik dahinter vermutet. Beim ersten Mal stolperte er über die Ibiza Affäre seines Koalitionspartners FPÖ, nun aber über die eigenen Beine. Er kaufte Gefälligkeitsgutachten namhafter Meinungsforschungsinstitute und darauf basierend mittels Inserate erkaufter Gefälligkeitsjournalismus in österreichischen Medien. Dazu ein paar geleakte SMS aus diversen Chats, die den Liebling aller Schwiegermütter eher ein bisschen „Dings“ aussehen lassen.

Aber Schwiegermütter verzeihen eh fast alles, wenn der Bubi sonst halt brav ist. Da kann man einen Parteifreund, der einem im Weg ist schon mal als Arsch bezeichnen. Geschredderte Festplatten aus dem Bundeskanzleramt nach dem ersten erfolgreichen parlamentarischen Misstrauensantrag gegen Kurz wegen Ibiza 2019? Nebbich. Sagte ich bereits, dass die Unschuldsvermutung gilt?

Kurzens Minister-Entourage (ÖVP) ließ verlautbaren, dass die aktuelle Bundesregierung nur mit einem Kanzler Kurz Bestand habe. Der ist nun „vorübergehend“ weg. Als Kanzler. ÖVP-Chef und Klubobmann bleibt er natürlich. Die ÖVP-Minister sind übrigens immer noch im Amt. Was kümmert uns unser Geschwätz von gestern?

Wer im gerade angesagtesten Wiener Innenstadt Beisl endlich einen Tisch ergattert hat, kann hautnah miterleben, wer da mit wem zusammenhockt, Politiker, Journalisten, ABC-Promis. Man tut sich gegenseitig nicht weh im putzigen Operettenstaat. Sonst gibts keine Infos oder irgendwelche Vergünstigungen. Und schon gar keine Inserate von der Regierung. Ist im ganzen Land Gang und Gäbe. Tu Felix Austria, eine einzige Packelei. Pech, wer da nicht dazugehört.

Der FPÖ-Kandidat für die Bundespräsidentenwahl 2016, Norbert Hofer, sagte einst „Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist“. Ob er damit die Ära Kurz meinte, sei dahingestellt.

Wäre so etwas in Deutschland auch möglich? Natürlich niemals. Gell Amigos?

Irgendwer sagte mal, der Deutsche wäre gern so lässig wie der Italiener und so hinterfotzig wie der Österreicher. Vielleicht doch keine so gute Idee, oder?

Der gebürtige Österreicher Andreas Weinek war jahrelang in den obersten TV-Etagen zu Hause. Für Clap kommentiert er regelmäßig das Geschehen in der Kommunikationsbranche.

Foto: Alexander von Spreti