Der ehemalige Politik-Chef von „Bild“ ist bei RTL Deutschland mittlerweile omnipräsent und von dort kaum noch wegzudenken. Er kommentiert auf dem Sender nonchalant fast alles weg, was der Politikbetrieb zu bieten hat. Sei es die Bundestagswahl oder die Ukraine Krise. Aktuell sorgt er als Moderator der Sonderausgaben von Stern TV zusammen mit Frauke Ludowig für Schlagzeilen.
Clap hatte Blome noch während seiner Springer-Zeit ein Portrait gewidmet. Es erschien im gedruckten Magazin im Jahr 2019.
Der Unverdrossene
Im „Clap“-Gespräch outet sich Blome zudem als früher „GNTM“-Fan, hegt große Sympathie für Jakob Augstein und rekonstruiert, warum er bei Angela Merkel eigentlich doch Recht hatte.
Scham ist zutiefst menschlich und hält eine Gemeinschaft zusammen. Umso beklagenswerter, dass die Befähigung zu einem solchen Gefühl nicht nur von der individuellen Sozialisierung abhängt, sondern in dem Maße verloren zu gehen droht, wie Menschen in Hierarchien empor steigen. Und so vertrauen nicht nur Kleriker, sondern auch auserwählte Stände aus Politik und Wirtschaft regelmäßig auf die eigene Unfehlbarkeit und erinnern nichts, wessen sie sich je in Grund und Boden hätten schämen sollen. Medienschaffende machen da oft keine Ausnahme.
Nikolaus Blome ist ein ehrenwerter Mann. Galant in seiner Erscheinung und von berückender Unaufdringlichkeit, zählt er zu den vorzeigbarsten aller Springer-Journalisten. Die Talkshows lieben Blome und er liebt die Talkshows. Spielt ihre Regeln und die ihm zugedachte Rolle – stets mit mindestens angedeutetem Lächeln, mal süffisant, mal verschmitzt –, offenbart dabei nicht nur entwaffnende Schlagfertigkeit und klugen Mutterwitz, sondern vor allem die Gabe, auch über sich selbst lachen zu können. Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst.
Doch Blome ist beileibe kein Entertainer. Er hat sich auf seine vielleicht wichtigste, jedenfalls ambitionierteste Mission begeben: die Wut aus diesem Land zu lassen. Mit „Bild Politik“ will der 55-Jährige immer freitags gegen das ungute Bauchgefühl zahlreicher Bürger anschreiben – gewiss nicht allein, sondern gemeinsam mit Mitstreiterin Selma Stern und gut drei Dutzend Kollegen. So wie man Feuer mit Feuer bekämpft, setzt auch Blome Emotion gegen Emotion: Zuspitzung auf dem Titel, die Themen rubriziert unter „Ärger“, „Freude“ und „Neugier“.
Folgt man den Recherchen des Online-Branchendienstes „Meedia“, dann regieren im Berliner Springer-Haus eher „Glaube“, „Liebe“ und „Hoffnung“. Das neue Politikmagazin habe, will „Meedia“ wissen, die Erwartungen seit dem Start im Norden am 8. Februar nicht erfüllt – in Wahrheit sei „Bild Politik“ mit Remissionsquoten von 80 bis 90 Prozent bisher ein Schlag ins Wasser gewesen. Dass kurz zuvor schon die sichere Wette mit einer täglichen „Fußball-Bild“ nicht aufging, lässt die Nervosität bei Springer jetzt vermutlich noch ansteigen.
Blome gibt sich unbekümmert: „Die erste Bilanz ist gut, wirklich gut!“ Sein Eindruck speise sich „aus vielen kleinen Hinweisen“, das gesamte Team habe „das Gefühl, dass wir uns echt überraschend schnell eingegrooved haben“. Deutschland sei „so politisiert wie lange nicht mehr“, viele Fragen blieben unbeantwortet. Das werde „Bild Politik“ ändern, postuliert der jüngste Spross des 1998 verstorbenen Journalisten, Kanzlerberaters (Ludwig Erhard) und Filmproduzenten Hermann Blome im „Clap“-Gespräch: „Ich glaube fest an das Konzept!“
Diese prinzipielle Unerschütterlichkeit zeichnet den gebürtigen Bonner aus. Alles wird schon, und wenn nicht, dann hatte es im Rückblick auf etwas Gutes, nämlich besser zu werden. Es ist ja doch auch viel Pech dabei, weil es erstens anders kommt und zweitens, als man denkt. In Blomes Wahrnehmung ergibt am Ende alles einen Sinn. Auch das Scheitern, auch das Irren. Journalisten machten Fehler, sie ließen sich bisweilen instrumentalisieren, und sie erlägen regelmäßig dem Charme, mit der Herde mitzulaufen. Auch Journalisten sind Menschen.
Blome ist zugute zu halten, dass er mit Überzeugung, aber nicht mit Hybris zu Werke geht. Und den nicht nur die pauschale Verunglimpfung der Presse ärgert, sondern noch viel mehr, dass ein einzelner Fauxpas auf ewig mit seinem Namen verbunden bleiben wird. Blome, mit Magister-Abschluss in Geschichte, VWL und Politikwissenschaft, ist erfahren genug, um den Politikbetrieb zu durchschauen. Im Vertrauen auf vermeintliche Top-Quellen ließ er sich im TV dazu hinreißen, vor einem Millionenpublikum Angela Merkels Ende zu datieren.
Mitte 2015 werde sie als Kanzlerin abtreten, so Blome. Es geschah – nichts. „Ich war absolut überzeugt und habe mich geirrt“, bekennt er, „aber ich bereue es nicht.“ Er glaube noch heute, dass es so gekommen wäre, wenn es in jenem Jahr nicht einen „quasi nahtlosen Übergang von der Euro- zur manifesten Flüchtlingskrise“ gegeben hätte, erklärt der dreifache Familienvater. Insofern sei „meine Prognose falsifiziert“ worden. Kein Blick zurück in Scham. Blome sitzt am Tisch seines „Bild Politik“-Büros im fünften Stock des Springer-Hauses und lächelt.
Um sich herum wohl geordnetes Chaos aus parallel laufenden Redaktionsschlüssen und ein paar bevorstehenden PR-Auftritten: Blome, in dunkelblaues Sakko und hellblaues offenes Hemd gekleidet, gelingt es dennoch, statt Hektik eine gewisse Ruhe auszustrahlen. Etwas steif wirkt der bekennende Liberal-Konservative doch. So richtig gewinnt Blome erst, wenn er spontan sein darf. Dann zeigt der Ex-Zeitsoldat und Absolvent der Henri-Nannen-Schule für seine Verhältnisse beinahe Anflüge von Albern- oder immerhin Ausgelassenheit.
Zum Beispiel, wenn er beschreibt, wie er mit Lust die ersten sechs oder sieben Staffeln von „Germany’s Next Topmodel“ verfolgt hat, „zusammen mit meiner Frau und unserer Tochter, manchmal waren auch die Söhne dabei“. Heute schaue er das Format nicht mehr, aber damals habe er das Gefühl gehabt, die Klum-Show sehen zu müssen – „um mitreden zu können, und ich fand das persönlich nicht so schlimm, wie es zum Teil gemacht wurde“. Da wird Blome für Momente so nah-, so greifbar, wie er mit „Bild Politik“ Woche für Woche sein will.
Dass es den Springer-Karrierist einmal in die Medien verschlagen würde, war ihm relativ früh klar. Schon ausgangs der Pubertät habe Blome seine Interesse an Politik samt Leidenschaft für den streitbaren Diskurs entdeckt. Geprägt durch den Übervater, war Nikolaus’ Weg nach dem Studium vorbestimmt. Als Sprungbrett ins Metier diente ein Praktikum bei der „Rheinischen Post“. Später folgte auf das Engagement im Wirtschaftsressort des „Tagesspiegel“ und die Brüsseler Korrespondententätigkeit für diverse Regionalzeitungen der Einstieg bei Springer.
Dort machte Blome ab 1997 schnell Karriere und muss irgendwann Oberwasser bekommen haben: Der „Spiegel“ reizte ihm zum Wechsel, das war im Herbst 2013. Blome hatte doch fast alles bei Springer und noch so viel vor. Warum ließ er sich auf das Abenteuer an der Elbe ein? „Es waren das Geld und die Macht“, sagt er selbstironisch.
Text: Bijan Peymani
Fotos: Alexander von Spreti