Bundespresseball: „Wiesn im Smoking“

Wenn es eine goldene Nadel für Bundespresseball-Besuche geben würde – Kommunikationsmanager Jörg Allgäuer hätte diese verdient. Am vergangenen Freitag war er schon zum wiederholten Male in Berlin vor Ort. Es ist immer lohnenswert – die angesagten Top-Persönlichkeiten kommen dorthin. Wie in unserem Foto zu sehen war unter anderem Meta-Europachefin Angelika Gifford da. Clap sprach mit Allgäuer (im Bild links) über die Eigenheiten der Veranstaltung.

Was macht dieses Event aus? Warum wollen alle dahin?

Allgäuer: Das dürfte so ungefähr mein achtzehnter Bundespresseball gewesen sein. Bis 1998 fand er in Bonn statt, seit 1999 wird in Berlin gefeiert und ich fahre fast jedes Jahr hin. Im Laufe der Zeiten hat sich die Veranstaltung ziemlich gewandelt: Früher bezeichnete sich der Bundespresseball sehr selbstbewusst als „das gesellschaftliche Ereignis des Jahres“. Der Bundespräsident ist immer da, denn er eröffnet traditionell den Ball. Aber auch der Bundeskanzler ist meist hingegangen. Dann schwofte Gerhard Schröder mit seiner Doris über die Tanzfläche – dabei selbstverständlich eine dicke Zigarre in der Hand. Weil der Bundeskanzler hingegangen ist, sind auch viele seiner Minister angetreten. Und nachdem das Bundeskabinett dort mit beschlussfähiger Mehrheit an der Bar herumstand, flog auch ein Großteil der Ministerpräsidenten ein. Die hielten dann an großen Tischen Hof mit den Konzernchefs und Promis ihrer jeweiligen Bundesländer. Eine große Zäsur kam mit der Ära Merkel, denn ich kann mich nicht erinnern, dass sie jemals auf den Ball gegangen ist.

Warum mied Angela Merkel ausgerechnet den Bundespresseball? Zu anderen Events ist sie ja gerne gekommen.

Allgäuer: Ich denke, Bälle sind wohl einfach nicht ihr Ding. Vielleicht fühlt sie sich dort nicht wohl. Durch Merkels Wegbleiben erodierte jedenfalls der politische Glanz der Veranstaltung nach und nach. Am vergangenen Freitag habe ich bestenfalls eine Handvoll Spitzenpolitiker dort gesehen, das aber sicher auch aufgrund der kriegsbedingten Absage des Bundespräsidenten. Mir ist das allerdings egal, denn ich gehe dort nicht zum Promi- und schon gar nicht zum Politiker-Gucken hin, sondern weil der Ball für Kommunikations- und Medienmenschen eine hervorragende Gelegenheit zum Netzwerken ist. Und das in Verbindung mit Feiern, Tanzen, gutem Essen und viel Spaß. So etwas schlägt um Längen jeden ollen Kongress, bei dem man sich erst ein halbes Dutzend Vorträge anhören muss und dann während der halbstündigen Mittagspause verzweifelt versucht, mit ein paar interessanten Menschen zu sprechen, während man zugleich die Langweiler abschüttelt, die einen verfolgen.

Die Veranstaltung war wieder im bekannten Hotel Adlon. Sind besondere Sicherheitsvorkehrungen zu bemerken gewesen?

Allgäuer: Oh ja, beim Einlass gibt es immer sehr umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen. Dieses Mal war es besonders aufwändig, denn die Veranstaltung fand unter 2G+-Bedingungen statt. Man musste erst einmal zwanzig Meter vor dem Adlon die übliche Polizeikontrolle passieren und kurz seine Einladung zeigen. Das war noch der leichtere Teil, denn wer läuft sonst schon freiwillig in Abendgarderobe durch Berlin-Mitte? Also wurden wir schnell durchgewunken. Am Eingang musste man mit diversen Apps und Zertifikaten zu Impfungen, Boosterungen, Genesungen und Schnelltestungen herumhantieren, die alle in einen Scanner eingelesen wurden. Dann kam an der Garderobe wieder die Einladung dran, dazu natürlich der Personalausweis. Zum Schluss bekam jeder ein Bändchen ans Handgelenk und konnte rein. Spätestens dann fühlte man sich ganz wie im Clubhotel, denn von da ab war alles inklusive.

Hotel Adlon: gut gesicherte Event-Location

Der umstrittene ukrainische Botschafter Andrij Melnyk war auch da. Wie haben Sie ihn wahrgenommen? Als polarisierende Figur?

Allgäuer: Mir ist erst am nächsten Tag eingefallen, dass ich den ukrainischen Botschafter überhaupt nicht gesehen habe. Ist aber normal bei dieser Veranstaltung, vor allem, weil das Adlon so verschachtelt ist. In vergangenen Jahren war ich sogar schon mit Leuten verabredet gewesen und wir haben uns die ganze Ballnacht hindurch schlichtweg nie gefunden. Melnyk hätte eben auch mal ein bisschen nach mir Ausschau halten müssen, dann hätte es schon geklappt mit einem Treffen!

Der Ukraine-Krieg war doch sicher das vorherrschende Thema bei den Gesprächen. Oder?

Allgäuer: Ganz ehrlich? Nein. Mit mir hat über den Krieg in der Ukraine so gut wie niemand gesprochen. Auch nicht über die Pandemie. Irgendwie ist so ein Ball dafür nicht die richtige Umgebung. Ich hatte sogar das Gefühl, dass die meisten Menschen darüber erleichtert waren. Spätestens am Samstag zum Frühstück setzen sich diese Themen ja sowieso wieder neben uns und schauen uns an.

Wurde eigentlich gefeiert wie früher? Also ohne Masken?

Allgäuser: Ja natürlich! Wir waren doch alle geimpft, geboostert, genesen, getestet und gesonstnochwas. Und spätestens nach ein paar Cocktails fühlten wir uns auch alle immun. Außerdem standen überall in den Ecken große Luftreiniger herum, die surrend die allerletzten Viren wegpusteten. Na also, geht doch. Am Mittwochmorgen hat mich dann die Wirklichkeit eingeholt: Nach zwei Jahren erfolgreicher Vor- und Rücksichtnahme habe ich ungläubig die zwei Striche auf meinem Testdisplay angestarrt. War im Nachhinein auch logisch, dass der Ball ein Superspreader-Event gewesen ist. Ich habe mir von dort jedenfalls mein ganz persönliches Omikron-Andenken mitgenommen. „Depp“ war noch die freundlichste Bezeichnung, die meine Frau für mich übrig hatte – sie war nämlich genau deshalb zu Hause geblieben.

Macht man beim Bundespresseball eigentlich besonders interessante neue Bekanntschaften? Unter anderem war ja auch beispielweise ein großes Entscheider-Team von Meta da, die erstaunlicherweise bei einem Presseevent zu den Top-Sponsoren zählten.

Allgäuer: Tatsächlich habe ich Meta-Europa-Chefin Angelika Gifford getroffen, die ich gut kenne. Ich nehme mir aber bei jeder Veranstaltung vor, dort drei interessante neue Menschen kennenzulernen. Es müssen gar nicht mehr sein, ich bin ja nicht auf dem Ball der einsamen Herzen. Das hat am Freitag gut geklappt.

 

Später hoch frequentiert: die Meta-Bar auf dem Bundespresseball.

Clap war noch nie beim Bundespresseball. Sind denn da auch Journalisten? Oder nur Geschäftsführer von Medienunternehmen?

Allgäuer: Sicher Dutzende, wahrscheinlich habe ich über hundert Menschen getroffen. Besonders lustig war es aber wieder mit meiner üblichen Crew, die sich jedes Jahr dort wieder einfindet. Zumindest, wenn nicht gerade Pandemie ist und der Ball zweimal ausfällt. Beim nächsten Mal sehen wir uns alle wieder. Es ist wie die Wiesn im Smoking.

Fotos: Michael Setzpfandt, Kaluza + Schmid GmbH, Bundespresseball