Harms: Gerhard Schröder schreibt nicht mehr für T-Online

Drei Jahre lang hat Chefredakteur Florian Harms für den Relaunch von T-Online.de gearbeitet. In dieser Woche zeigte sich die frisch renovierte Seite nun endlich seinen Usern. Durch die Verbesserungen wollen die Berliner noch stärker in der Liga der Leitmedien mitspielen. Der frühere „Spiegel“-Journalist Harms scheint sich bei Ströer wohlzufühlen, was auch an seinem täglichen „Tagesanbruch“-Newsletter zu sehen ist. Wie es weiter geht, sagt er im Clap-Gespräch.

Es ist nun schon etliche Jahre her: Im Jahr 2015 kaufte Ströer t-online.de. Sie sind nun auch etliche Zeit Chefredakteur des Dienstes. Manche Branchenteilnehmer vermuteten vielleicht, für Sie wäre das nur eine Durchgangsstation. Was reizt Sie an dem Job?

Erstens die Mission: Gemeinsam mit Marc Schmitz, Arne Henkes und unseren Teams möchte ich t-online zur führenden digitalen Medienmarke Deutschlands entwickeln. Es soll die informationelle Heimat für die Bundesbevölkerung werden und allen Milieus kostenlosen Zugang zu vertrauenswürdigen Informationen verschaffen. Damit leisten wir einen Beitrag zu einer lebendigen Bürgergesellschaft. Zweitens der Gestaltungsspielraum: Ich kann hier enorm viel bewegen, mir war noch keinen Tag langweilig. Drittens unser Teamgeist: Ich habe noch kein anderes Unternehmen erlebt, in dem man so pragmatisch, entschlossen und nett zusammenarbeitet. Wir arbeiten hart, aber wir feiern auch sehr gern.

Der Out-of-Home-Werber Ströer war bis zu dem Kauf nicht so bekannt für redaktionelle Services. Ist es ein Vorteil, dass das Unternehmen zu keinem großen Verlag oder Sender gehört? Wie unabhängig können Sie als Journalist innerhalb des Ströer-Konzerns agieren?

Auch bei uns gilt wie in allen guten Medienhäusern das Chefredakteursprinzip; die Redaktion arbeitet unabhängig und ist frei in ihren publizistischen Entscheidungen. Das ist die Grundlage meines Jobs, anders ginge es nicht. Unser Vorteil bei t-online, aber auch in der gesamten Ströer Content Group, ist, dass wir zu hundert Prozent digital arbeiten. Das macht uns beweglich und ermöglicht, dass wir unsere Vorhaben schnell vorantreiben. Wir schaffen in fünf Jahren, wofür andere wohl doppelt so lang brauchen.

Noch im letzten Jahr engagierten Sie Gerhard Schröder als Gastautor für t-online.de. Ist das Bündnis nach den Querelen mit dem Altkanzler mittlerweile aufgelöst? Als Kolumnist wird er ja nicht mehr geführt.

Gerhard Schröder hat sechs Gastbeiträge zu Themen wie Innenpolitik, China und Afghanistan geschrieben. Die Artikel haben in der Leserschaft großes Interesse gefunden. Anders als in anderen Medien hat Schröder sich dabei aber nicht Putin und russischen Rohstoffen gewidmet, darauf haben wir geachtet. Angesichts seines Verhaltens im Hinblick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine veröffentlichen wir bis auf weiteres natürlich keine Beiträge von ihm.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie das Tempo der t-online-Redaktion beeindruckt. Und dass Sie froh sind, nicht mehr auf ein Printprodukt Rücksicht nehmen zu müssen. Mal andersherum gefragt: Fehlt Ihnen auch manchmal die Arbeit an einem Printprodukt? Wäre denn ein gedrucktes t-online-Magazin für Sie überhaupt vorstellbar?

(lacht) Höchstens dann, wenn uns gar nichts Digitales mehr einfällt. Da sehe ich aber keine Gefahr, wir haben im Web und auf Public Video noch viel vor.

Im Vergleich zu anderen großen redaktionellen Plattformen kommt t-online vom Layout her doch sehr sachlich rüber. Wünschen Sie sich manchmal ein aufregenderes Design, dass zu den interessanten redaktionellen Inhalten passt?

Ich finde unser neues Layout sehr klar und an den richtigen Stellen opulent, etwa bei den großen Aufmacherfotos. Unsere Produkt- und Tech-Teams haben monatelag hart daran gearbeitet, das Ergebnis ist hervorragend: t-online ist nun auch optisch eindeutig als große Medienmarke erkennbar, und die Seiten laden auf allen Geräten schneller als je zuvor. Natürlich entwickeln wir sowohl das Design als auch die Funktionalitäten schrittweise weiter. Wir arbeiten interativ, wir sind niemals fertig.

Großraumbüro: Blick in die Berliner T-Online-Redaktion

Wie wichtig war für den Erfolg in den letzten Jahren ihr Tagesanbruch-Newsletter. Wie stark hat dieser zu einer eigenen Identität beigetragen?

Der Tagesanbruch ist der tägliche Leitartikel von t-online und damit unser wichtigstes journalistisches Format. Er gibt die Stoßrichtung der Kommentierung zu den aktuellen Themen vor und hat starken Anteil daran, t-online eine eigene publizistische Stimme zu verleihen. Sein Prinzip ist die dialektische, ausgewogene Argumentation und die persönliche Note. Aus der Bundesregierung, dem Bundestag, Ministerien und Parteien hören wir, dass der Tagesanbruch dort täglich gelesen und geschätzt wird.

Für eine Clap-Geschichte haben Sie einmal beschrieben, dass sie rund drei Stunden Ihres Arbeitstages allein für ihren Newsletter ausgeben müssen. Ist das eigentlich immer noch so, oder konnten Sie mittlerweile einige Dinge delegieren, um sich anderen Aufgaben zuwenden zu können?

Der Tagesanbruch ist mein tägliches Pensum Extraarbeit, neben der Redaktionsleitung und der Co-Geschäftsführung. Ich schreibe den Text und wähle die Fotos und Links aus. Das dauert nach einem ohnehin prall gefüllten Arbeitstag in der Regel drei Stunden, manchmal auch länger. Die Produktion des Newsletters im CMS übernehmen dankenswerterweise die Kollegen unseres Nachtdienstes. An einzelnen Tagen schreiben auch andere Autorinnen den Tagesanbruch, das bereichert die Sichtweisen.

Interview: dh

Fotos: Ströer